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Allergietests
Forscher testen Problemeiweiße der Kiwi einzeln

Medizin. - Bei einer Allergie produziert der Körper Antikörper gegen eigentlich harmlose Substanzen, zum Beispiel Eiweiße in Lebensmitteln. Derzeitige Blut- und Hauttests lassen aber oft nur eine grobe Identifizierung der Auslöser zu. Forscher aus ganz Europa sind nun dabei, Allergietests genauer zu machen.

Von Jochen Steiner |
    Wenn Birkenpollenallergiker einen Obstsalat essen, können sie unter Umständen darauf allergisch reagieren.
    "Das liegt daran, dass der hauptallergieauslösende Stoff im Birkenpollen sehr verwandt ist mit vielen Stoffen in Lebensmitteln. Und deswegen bekommen Birkenpollenallergiker häufig eine Apfel- oder Haselnussallergie oder eine Allergie gegen andere Steinfrüchte oder auch gegen Kiwi zum Beispiel."
    Oft ist es für Mediziner nicht einfach, den Auslöser für eine Allergie zu bestimmen, sagt Professor Stefan Vieths. Er leitet die Abteilung Allergologie am Paul-Ehrlich-Institut. Um herauszufinden, auf welche Substanzen ein Patient allergisch reagiert, führen Ärzte unter anderem Bluttests durch. So können sie feststellen, ob der Patient Antikörper gegen die allergieauslösenden Stoffe, Allergene genannt, gebildet hat. Bei solch einem Test sehen die Mediziner dann zwar, dass Antikörper produziert wurden, aber oft können sie nicht sagen, welches Allergen genau die Antikörper-Antwort ausgelöst hat. Der Grund: Manche Allergene sind sich so ähnlich, dass die gleichen Antikörper mit mehreren dieser Allergene reagieren. Die Forscher sprechen von einer Kreuzreaktion.
    "Nehmen wir das Beispiel Birkenpollenallergiker, da wird die Antwort, wie wir heute wissen, fast immer ausgelöst durch die Inhalation von Birkenpollen. Und was man eben sieht, wenn man dann den Apfel testet, ist ein Sekundärphänomen. Die Allergene sind so ähnlich, dass die eigentlich gegen Birkenpollen gerichteten Antikörper auch mit dem Apfel reagieren."
    Viele Birkenpollenallergiker zeigen also auch allergische Symptome wenn sie einen Apfel essen. Um eindeutig feststellen zu können, welches Allergen eine Überreaktion des Immunsystems in Gang setzt, müssen die Tests noch verfeinert werden. Einen Schritt in diese Richtung haben Stefan Vieths und Kollegen aus ganz Europa nun gemacht. Mit Hilfe der Kiwi und etwa 300 Patienten aus zwölf europäischen Ländern, die an einer Kiwi-Allergie leiden. Die Forscher stellten die möglichen Allergene, Eiweiße aus der Kiwi, in gereinigter Form her. Anschließend testeten sie die Allergene einzeln mit den Blutproben der Probanden auf die Anwesenheit von Antikörpern.
    "In unserem Fall war das zum Beispiel so, dass wir zeigen konnten, dass ein bestimmtes Molekül, das heißt Act d 1, dass das erstens sehr spezifisch war für wirklich klinisch manifeste Allergien. Also die Patienten, die dagegen einen Antikörper hatten waren fast alle allergisch, und zweitens hatten die in der Regel auch die schwereren Symptome. Das heißt die Aussage konnte getroffen werden: Wenn man gegen diese Komponente sensibilisiert ist, dann hat man eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit klinisch allergisch zu sein und auch ein höheres Risiko, schwer zu reagieren auf den Verzehr von Kiwi."
    Wenn ein Arzt weiß, dass dieser bestimmte Antikörper gegen Act d 1 im Blut des Patienten vorhanden ist, kann er den Kiwi-Allergiker warnen.
    "Und ein zweiter Punkt ist, dass wenn man sieht, dass ein bestimmtes Molekül mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für schwere Reaktionen assoziiert ist, dass man dann auch bei Patienten, die jetzt vielleicht noch milde Symptome haben, hinterher das Risiko hat, dass sich im Lauf der Zeit eine schwerwiegendere Allergie entwickelt. Und auch da muss man dann überlegen was man dem Patienten rät in so einem Fall."
    Solche genauen Tests könnten vor allem für die Lebensmittelallergien entwickelt werden, die mit schweren Symptomen einher gehen, wie etwa die Erdnuss-Allergie, die in Deutschland weit verbreitet ist, auch, weil hier viele Erdnüsse gegessen werden. Generell gilt: Wo welche Lebensmittel konsumiert werden lässt sich auch an der Häufigkeit der Lebensmittelallergien ablesen. Stefan Vieths bleibt bei der Frucht aus Neuseeland:
    "Kiwi war als allergieauslösendes Lebensmittel seinerzeit in der Bundesrepublik Deutschland vor der Wende schon sehr häufig bekannt, war auch assoziiert an Birkenpollen. In der DDR gab es das überhaupt nicht. Und fünf, sechs Jahre nach der Deutschen Vereinigung wurden jede Menge Fälle von Kiwi-Allergie in der Ex-DDR sozusagen berichtet, was eben schön zeigt, dass die veränderte Verzehrgewohnheit mit der Entwicklung von Allergien korreliert."