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Alles andere als gegen die herrschenden Verhältnisse

Die 73-jährige Journalistin Beate Klarsfeld wird am 18. März als Kandidatin der Partei Die Linke für das Bundespräsidentenamt antreten. Seit Jahrzehnten schon lebt sie in Frankreich. Dort aber kann man sich nicht so richtig vorstellen, welche Werte - abgesehen vom Antifaschismus - sie und Die Linke verbinden.

Von Hans Woller | 29.02.2012
    Als die Nachricht nach Frankreich drang, Beate Klarsfeld tritt zur Bundespräsidentenwahl in Deutschland für Die Linke an, da rieb sich hierzulande so mancher die Augen und fragte sich, warum die deutschen Kollegen nicht wenigstens bei ihrer Schwesterpartei Le Parti de Gauche des Präsidentschaftskandidaten Melanchon angeläutet haben, um sich zu erkundigen , wofür Beate Klarsfeld heute in Frankreich steht und wie sie wahrgenommen wird.

    Natürlich hätte man ihnen gesagt, dass sie vor allem als die gilt und geschätzt wird, die vor fast 30 Jahren Klaus Barbie aufgespürt und vor ein französisches Gericht gebracht hat. Doch man hätte die Linke wohl auch davon unterrichtet, dass die heute 73-Jährige seit Langem zum großbürgerlichen Pariser Establishment gehört, in einem der nobelsten Viertel der Hauptstadt wohnt und sich in Frankreich niemand vorstellen kann, welche Werte – abgesehen vom Antifaschismus - eine Beate Klarsfeld und Die Linke verbinden. Denn es zeugt von einer gewissen Unkenntnis, wenn der Linke-Chef Klaus Ernst betont, neben Antifaschismus und Gerechtigkeit stehe sie auch für soziale Verantwortung und Aufbegehren gegen herrschende Verhältnisse.

    In Frankreich aber wüsste niemand zu sagen, wann sich Beate Klarsfeld zu Themen geäußert hätte, die mit sozialer Verantwortung in Zusammenhang stehen und wann sie gegen herrschende Verhältnisse aufbegehrt hätte. An Gelegenheiten dazu mangelte es in Frankreich in den letzten Jahren wahrlich nicht – doch gegen staatlich verordnete Fremdenfeindlichkeit oder die Jagd auf Roma, zu der Frankreichs Präsident im Sommer 2010 blasen ließ, war die protestierende Stimme einer Beate Klarsfeld nicht zu vernehmen, auch nicht gegen Sarkozys Vorschlag, der sogar an die Zeit des Vichy-Regimes erinnerte, eingebürgerten Ausländern in bestimmten Fällen die Staatsangehörigkeit wieder abzuerkennen. Andere in Frankreich haben aufgrund der ausländerfeindlichen oder antisozialen Politik der letzten Jahre zum Beispiel den Orden der Ehrenlegion verweigert oder zurückgegeben. Nicht so Beate Klarsfeld. Sie hat erst letzten Herbst zusätzlich zu ihren zwei Ehrenlegionen noch einen weiteren Verdienstorden von Präsident Sarkozy akzeptiert.

    "Ich habe mich eigentlich politisch nie gebunden, ich war immer unabhängig gewesen","

    sagte Beate Klarsfeld vor zwei Jahren. In Frankreich allerdings zählte man sie da schon eindeutig zu Sarkozys politischem Umfeld, vielleicht, weil sie ganz überwiegend nur in Personalunion mit ihrem Mann, Serge Klarsfeld, oder ihrem Sohn Arno wahrgenommen wird.

    Der Sohn, lange Zeit Protagonist in der Pariser Schicki-Micki-Szene, der dann mit 37 zum Militärdienst nach Israel aufbrach, unterstützt Nicolas Sarkozy seit mehr als fünf Jahren sehr engagiert. Dafür wurde er seit eben so langer Zeit als Autor von dünnen, belächelten Expertenberichten oder als nicht näher benannter Berater von Premier Fillon beschäftigt. Vor wenigen Wochen dann – ohne dass einsichtig wäre, aufgrund welcher Kompetenzen - zum Präsidenten des Französischen Amtes für Einwanderung und Integration ernannt. Dort sorgte er auch gleich für Skandal, indem er kundtat, die Roma in Europa seien an ihrer Situation selbst schuld.

    Und als Beate Klarsfeld gemeinsam mit ihrem Mann an der Jerusalemer Universität den angesehenen Scopus-Preis erhielt, war bezeichnend, dass der Laudator, Bernard-Henri Levy, sich fast ausschließlich an Serge Klarsfeld wandte:

    ""Das echte große Werk seines Lebens ist die Erstellung der Liste der deportierten Juden Frankreichs, die wie in Stein gehauen und als Buch vorliegt."

    Beate Klarsfeld gehört auch zu denjenigen, die – wie inzwischen der ganz überwiegende Teil der jüdischen Gemeinde Frankreichs - die israelische Politik gegenüber den Palästinensern ohne Wenn und Aber verteidigen. Dies führte sogar so weit, dass sie sich letztes Jahr weigerte, gemeinsam mit Stephane Hessel an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen, weil der 94-Jährige die Situation im Gazastreifen, wie auch in seiner Schrift "Empört Euch", immer wieder anprangert.

    In Frankreich fragt sich heute mancher, warum sich Beate Klarsfeld auf diese Kandidatur für die Linke eingelassen und jetzt, politisch reichlich naiv, sogar auch noch geäußert hat, sie würde sich freuen, wenn Präsident Sarkozy sie für diese Kandidatur beglückwünschen würde.