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Alles drin, was drauf steht

Seit dem Wochenende ist alles anders. Wenigstens für die Verbraucher und die Verantwortlichen in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Seither müssen Lebensmittel, die auch nur mit Gentechnik in Berührung gekommen sind, klar gekennzeichnet werden. So haben es die EU-Ernährungsminister beschlossen. Und so wird es nun umgesetzt.

Peter Kolakowski | 10.11.2003
    Der Beschluss trägt damit zweierlei Rechnung. Zum einen der Entwicklung und dem Einsatz einer sich rasant entwickelnden Technologie, nämlich der Gentechnik. Zum anderen soll dem Verbraucher mit der neuen Kennzeichnungspflicht die Möglichkeit gegeben werden, entscheiden zu können: Ob er Lebensmittel, die mit Hilfe der Gentechnik produziert wurden oder auch Produkte, die selbst nur unbeabsichtigt mit Spuren gentechnisch veränderter Bestandteile verunreinigt sind, kaufen und essen will oder nicht.

    Für die Landwirtschaft und die Ernährungsindustrie gehören gentechnische Verfahren bei der Lebensmittelherstellung zu den wichtigsten Technologien der Zukunft. Die Vorteile liegen auf der Hand. Die so genannte "Grüne Gentechnik" macht das möglich, wovon Bauern und Lebensmittelproduzenten schon lange träumen: Nämlich Pflanzen völlig neue Eigenschaften anzuzüchten oder sie mit mehr oder auch veränderten Inhaltsstoffen wachsen und gedeihen zu lassen. Die Pflanzen ließen sich zum Beispiel resistent gegen Trockenheit oder Krankheitserreger machen, ihre Früchte hätten mehr Inhaltstoffe oder seien viel länger haltbar. Vorteile, die vor allem dem Verbraucher zugute kämen, betont der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie, Mathias Horst. Horst hofft nicht zuletzt auf mehr Umsatz durch neuartige Lebensmittel, die mit Hilfe der Gentechnik produziert werden.

    Ja, natürlich. Im Augenblick muss man natürlich genauso sagen, dass die Gentechnik ihre Vorteile nicht auf Seiten der Industrie, nicht auf Seiten der Weiterverarbeiter zeigt, sondern dass die Vorteile hauptsächlich im vorgelagerten Bereich sind, in der Landwirtschaft beispielsweise. Dass man größere Erträge hat, dass man weniger Pflanzenschutzmittel aufbringen muss etc. Aber die Lebensmittelindustrie erhofft sich auch und erwartet auch, dass, wenn die Entwicklung weitergeht, dass dann sie auch Produkte herstellen kann, die ganz spezifische Vorteile auch für den Verbraucher bringen, Vorteile, die der Verbraucher dann auch erkennen kann.
    In Ländern wie den USA, Australien oder Kanada sind die Verbraucher bereits auf den Geschmack gekommen. Dort stehen Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen schon seit längerem in den Regalen. Reis mit höherem Mineralstoff- und Vitamingehalt, Gemüse und Obst, die viel länger haltbar sind. Oder Erdnussriegel, die noch besser schmecken sollen als herkömmliche. Und die Verbraucher können aufgrund des Packungsaufdrucks entscheiden, ob sie ein gentechnisch verändertes Produkt essen wollen oder nicht.

    In Deutschland wie auch in anderen Ländern Europas sind die Vorbehalte von Verbraucherverbänden und Umweltorganisationen hingegen noch groß. So groß, das die EU-Landwirtschaftsminister fast schon gezwungen waren, besonders hohe Anforderungen an die neue Kennzeichnungspflicht zu stellen.

    Ja, weil ich keine Lust habe, irgendwelche gesundheitlichen Risiken einzugehen.

    Wir sind dem ausgeliefert. Und wer will gegen eine Großmacht von Industrie angehen?
    Also, ich bevorzuge zurzeit noch nicht genmanipulierte Ware. Aus Sicherheitsgründen. Bin ich gegen. Ich bin für natürliche Sachen. Man ist sich heute sowieso nicht mehr darüber im Klaren, was gentechnisch schon verändert ist und was nicht. Wie ich das bis jetzt mitgekommen habe, versuchen die großen Lebensmittelkonzerne ganz einfach halt, das Zeug unterzumischen, also das gentechnisch veränderte, und mit normalem zu verkaufen. Ich glaube, es ist keine Kontrolle mehr möglich.


    Nach der neuen Richtlinie müssen Produkte zukünftig selbst dann gekennzeichnet werden, wenn nur eine Zutat des Lebensmittels aus einer gentechnisch veränderten Nutzpflanze gewonnen wurde. Also, selbst dann, wenn die Kekse beispielsweise mit gentechnisch verändertem Maisöl gebacken worden sind, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Britta Klein. Sie arbeitet im Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, eine Behörde, die dem Bundesverbraucherministerium untersteht.

    Ab sofort finden die Verbraucher auf den Verpackungen alles, was sie wissen wollen, denn es ändert sich insofern die Kennzeichnung, als wir jetzt eine Prozesskennzeichnung haben. Jedes Lebensmittel, das im Zuge seiner Herstellung mit Gentechnik in Kontakt gekommen ist, muss jetzt auch gekennzeichnet werden. Das könnte zum Beispiel heißen, Sie kaufen sich eine Chipstüte und auf dieser Chipstüte heißt es: Enthält Sojaöl aus gentechnisch verändertem Soja. Oder Sie kaufen sich einen Müsliriegel mit dem Vermerk : Enthält Glukosesirup aus gentechnisch verändertem Mais.

    Derzeit sind die Lebensmittelhersteller allerdings noch dabei, die einzelnen Produktionslinien ihrer Rohstoffe zu ermitteln, um der Kennzeichnungspflicht nachzukommen. Hierfür hat ihnen die EU im Rahmen einer Übergangsfrist noch einige Monate Zeit gelassen. Bis zum 19. April 2004 ist die Kennzeichnung dann endgültig zwingend vorgeschrieben ist. Dr. Marcus Girner, Rechtsanwalt und Geschäftsführer beim Industrieverband Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde in Bonn:

    Also im Augenblick ist man sicherlich in der Abfrage beispielsweise welche Zutaten letztendlich betroffen sind oder letztendlich Bestätigung, Erkundigungen einholen, in welchen Zutaten kann das Material drin sein, in welchen ist es nicht drin, um sich dann auch hier positionieren zu können, welche Zutaten man hier beziehen will.

    Aber auch gentechnische Verunreinigungen, die sich in einem konventionellen oder Bio-Lebensmittel finden, müssen ab einem Wert von 0,9 Prozent künftig auf der Packung deklariert werden. Zu solchen Verunreinigungen kann es zum Beispiel bei gleichzeitiger Lagerung und Verarbeitung von gentechnisch manipulierten Samen und Früchten mit herkömmlichen Obst oder Gemüse kommen. Aber auch schon der Pollenflug auf dem Acker führt unweigerlich dazu, dass es hier zu Vermischungen zwischen gentechnisch manipulierten Pflanzen auf dem einen Acker und konventionellen Nutzpflanzen auf dem anderen Acker kommen wird, so Helmut Born Generalsekretär beim Deutschen Bauernverband. Eine Vermischung, die sich dann auch später in den Lebensmitteln wiederfindet.

    Wenn ein Landwirt sagt, ich baue jetzt verändertes, gentechnisch verändertes Raps-Saatgut an, dann beeinflusst er in drei Kilometer Umkreis alle anderen Bauern, die Raps-Saatgut anbauen. Das ist nicht nur eine Frage jetzt von Öko und konventionell, sondern auch im konventionellen Anbau, wenn da eine Marketingschiene ohne Gentechnik aufgebaut würde, haben die ein Problem.


    Gerade dieses Problem der schleichenden Vermischung sehen auch Verbraucherverbände, Umweltorganisationen und Bundesagrarministerin Renate Künast. Die Ministerin hatte sich deshalb für besonders niedrige Grenzwerte eingesetzt - gerade auch bei den Lebensmitteln, die unbeabsichtigt verunreinigt worden sind. Künast machte allerdings auch nie ein Hehl daraus, dass ihr die Schwellenwerte - ganz gleich wie niedrig sie auch sind - nicht besonders schmecken und sie mit dem großflächigen Anbau von GMO, also gentechnisch manipulierten Organismen, auf dem Acker lieber noch gewartet hätte.

    Muss man sich Sorgen machen, dass das ein Eingriff in die Natur ist, der so massiv verändert, dass wir damit sozusagen die Büchse der Pandora öffnen und das damit irgendwie nicht einholen können, weil wir Prozesse in Gang setzen, die sagen wir mal, irreversibel sind. Und wir haben ja gesagt, wir machen vorbeugenden, vorsorgenden Verbraucherschutz.
    Zwar hat die Lebensmittelwissenschaft im Labor und auf Versuchsfeldern gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und deren Früchte und Samen untersucht. Auch die von Verbraucherorganisationen geäußerten Befürchtungen, einer regelrechten Krankheitswelle durch den Verzehr von Gen-Food sind bislang nicht eingetreten - Wie das Beispiel USA zeigt. Völlig ungeklärt sind hingegen die Langzeitfolgen: Wie verändert sich die Natur durch den Anbau gentechnisch manipulierter Nutzpflanzen? Welche Wirkungen hat der Verzehr daraus hergestellter Lebensmittel? Im Gegensatz zum Jahrtausende alten herkömmlichen Verfahren des Kreuzens werden durch die Gentechnik nämlich nun völlig neue Kombinationen von Erbgutmaterial geschaffen, die es in dieser Form noch nie in der Natur gegeben hat. Für die Kritiker ist dies denn auch der wichtigste Grund, dieser Technologie mehr als skeptisch gegenüber zustehen. So die Ernährungswissenschaftlerin Isabelle Mühleisen vom Referat Lebensmitteltechnologie bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

    Die Hersteller sagen, die Lebensmittel sind sicher, trotzdem muss man feststellen, es gibt keine Langzeitstudien zu den Auswirkungen der Gentechnik auf die Umwelt und auf die Gesundheit. Es stimmt, dass keine Gefahren bekannt sind, aber wir fragen uns, zu wessen Nutzen wird das denn gemacht, was haben Verbraucher davon, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel auf den Markt kommen. Und da müssen wir einfach feststellen, Verbraucher haben keinen Nutzen davon, und die Risiken können wir alle, kann niemand zurzeit wirklich definitiv abschätzen.

    Die Verbraucherzentrale NRW hat die Chancen, welche die Gentechnik bietet, noch einmal genau unter die Lupe genommen. Tatsächlich hat es die Lebensmittelindustrie bisher nicht geschafft, den Verbrauchern die Vorteile der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion auch nur ansatzweise zu vermitteln. Wem nutzt gentechnisch veränderter Mais, Öl aus gentechnisch verändertem Raps, oder Tofu aus Gen-Soja wirklich, so fragt sich der Konsument nun zu recht. Besonders dann, wenn damit für den Verbraucher selbst keinerlei Vorteil, ja im Gegenteil eventuell sogar Risiken verbunden sein könnten? Dient die Produktion gentechnisch veränderter Lebensmittel also nur der Umsatzmaximierung von Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie?

    Eine kürzlich veröffentlichte Repräsentativumfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid bestätigt die Skepsis und offene Ablehnung der Konsumenten, wie schon vorhergehende Umfragen auch. Die im Auftrag der Deutschen Welthungerhilfe durchgeführte Untersuchung kommt, was die Marktchancen von Gen-Lebensmitteln in Deutschland angeht, denn auch zu einem vernichtenden Ergebnis. Dr. Iris Schöninger, Pressesprecherin bei der Deutschen Welthungerhilfe:

    Drei von vier Deutschen möchten keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel zu sich nehmen oder sie halten das für sehr unwahrscheinlich, dass sie das tun würden, und 90 Prozent möchten unbedingt, dass gentechnisch veränderte Nahrungsmittel gekennzeichnet sind.

    Auf den ersten Blick mag die jetzt in Kraft tretende Richtlinie daher ein erster Schritt hin zu mehr Transparenz sein. Ernährungsökologen und Verbraucherschützern bereitet die neue Richtlinie dennoch heftige Bauchschmerzen. Zumal sie die Gentechnik in der Lebensmittelproduktion mit ganz wenigen Ausnahmen generell für überflüssig halten. Prof. Ingrid Hoffmann vom Lehrstuhl für Ernährungsökonomie an der Justus-Liebig-Universität Gießen:

    Es ist immer die Frage: Was brauchen wir, was ist notwendig? Brauchen wir entsprechend diese gentechnische Veränderung? Wir kennen noch nicht alle Folgen, wir haben jetzt – immer mehr kriegen wir mit, dass auch die Skepsis der Verbraucher höher ist. Müssen wir einfach diesen Weg gehen oder sollen wir einfach sagen, wir kommen auch anders klar und gehen diesen Weg?

    Genauso denkt auch die Präsidentin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller. Für sie weist die neue EU-Richtlinie zudem erhebliche Lücken auf. So muss beispielsweise das Schnitzel, das von einem Schwein stammt, welches mit gentechnisch verändertem Getreide gefüttert worden ist, trotz der neuen Richtlinie nicht gekennzeichnet werden.

    Kein Verbraucher weiß und interessiert sich dafür und kann das überhaupt nachprüfen, ob ein Futtermittel gekennzeichnet ist, was er ja niemals sieht, weil es im Stall des Bauern steht. Und dass man hier die notwendige Transparenz auf dem Produkt verweigert hat, ist der erste Punkt, der katastrophal ist. Der zweite ist in der Tat das Fehlen jeder Haftungsregelung, jedes Schutzes der Wirtschaftsbereiche, die ganz gezielt und bewusst auf Gentechnik verzichten wollen, weil der Verbraucher, jedenfalls eine große Zahl von Verbrauchern, Gentechnik freie Nahrungsmittel konsumieren möchte.

    Nicht nur, aber besonders für den biologischen Landbau könnte dies fatale Folgen haben. Die Bio-Landwirte und Lebensmittelproduzenten, die ganz bewusst nur gentechnikfreie Ware verkaufen wollen, müssten nicht nur mit erheblichen Umsatzeinbußen rechnen, sie könnten den Verbrauchern langfristig auch keine gentechnikfreien Produkte mehr anbieten. Edda Müller, Präsidentin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen:

    Und wir haben bereits bei dem jetzigen Schwellenwert die Diskussion gehabt, dass Ökobetriebe und einschlägige Verbände unsere Forderung – die lag zunächst mal bei 0,1 oder maximal 0,5 Prozent –, da hatten einige Vertreter des Ökolandbaus Probleme mit, weil sie ihre Untersuchungen angestellt haben und gesagt haben, dass im Hinblick auf die direkte Zusatz oder Verwendung von Gentechnik sie keine gentechnisch veränderten Produkte hatten, aber dennoch bei Messungen in diesen Produkten zwischen 0,3 und 0,6 Prozent gefunden wurden. Also hätte man den Wert bei 0,5 angesetzt, hätte man eine Vielzahl von Produkten, inklusive Ökoprodukte, kennzeichnen müssen. Und im Prinzip haben wir heute eine Situation, wo die Betriebe, die auf Gentechnik verzichten wollen, ja im Prinzip sich schützen müssten. Sie müssten – ich sag mal ganz absurd – sie müssten ab sofort dafür sorgen, dass sie in bienensicheren Gewächshäusern oder sonst wie, damit da keine Übertragung stattfindet...

    Genau diese Übertragung hatten die EU-Agrarminster zu vermeiden versucht, und den großflächigen Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen jahrelang verboten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil keine Langzeitstudien vorliegen. Ergebnisse solcher Studien sind aber jetzt und in den nächsten Jahren zu erwarten. So wurde im Rahmen einer britischen Untersuchung vor zwei Wochen festgestellt, dass die Artenvielfalt bestimmter Tiere auf Feldern, die mit gentechnisch verändertem Raps bepflanzt waren, drastisch zurück ging. Ab Beginn des nächsten Jahres dürfen solche sogenannten transgenen Pflanzen aber auch auf dem Gebiet der Europäischen Union in großem Stil angebaut werden. Auch gentechnisch veränderte Lebensmittel aus Ländern außerhalb der Europäischen Union dürfen zukünftig eingeführt werden. Die EU-Agrarminister kamen damit nicht zuletzt dem Druck der USA nach, die vor der Welthandelsorganisation gegen den ihrer Ansicht nach "diskriminierenden Handelsprotektionismus der EU" geklagt hatten. Mary Chambiss, zuständig für internationale Handelsfragen beim amerikanischen Landwirtschaftsministerium:

    Wissen Sie ich bin Amerikanerin und wir alle glauben an Technologie. Ich glaube es gibt keinerlei wissenschaftliche Basis dagegen. Und jeder hat die Wahl, was er anbaut, was er isst, das ist eine ganz persönliche Entscheidung. Wir sind deshalb zur WTO gegangen und haben gegen solche Handelsbeschränkungen Klage eingereicht.

    Für die Verbraucher hierzulande hat diese Klage weitreichende Folgen. Sie müssen nun damit rechnen, dass im Zuge des großflächigen Anbaus von Gen-Pflanzen es dann auch kontinuierlich zur Vermischung und Kontaminationen in konventionellen und Bio-Lebensmitteln kommt. Einige Konzerne wollen nun durch eine Kennzeichnung, die noch über die Anforderungen der EU-Richtlinie hinausgeht, das Vertrauen der Verbraucher gewinnen. Doch Ernährungswissenschaftlerin Britta Klein vom Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ist angesichts der für die Branche doch recht ungewöhnlichen Form der Transparenz skeptisch.

    Es geht jetzt durch die Lebensmittelwirtschaft ganz aktuell ein Riss. Da ist ein Konzern, der ist vorgeprescht und will eine so umfänglich wie mögliche Information und versucht jetzt auch andere Konzerne auf seine Seite zu ziehen. Und die wollen zukünftig nicht nur kennzeichnen was oberhalb der 0,9-Prozent-Grenze liegt, sondern sie wollen auch kennzeichnen, was darunter liegt. Da sind natürlich jetzt die Stimmen geteilter Meinung zu. Es gibt Kritiker, die sagen, das ist so eine Art Großversuch an den Verbrauchern, dass der Konzern versuche, die Sensibilität der Konsumenten herabzusetzen, weil er dem Verbraucher jetzt eine möglichst umfassende Information vermittelt.
    Es gibt da ganz interessante Studien aus Norwegen, die finden die Ablehner der Gentechnik also im gehobenen Milieu, im intellektuell gebildeten Milieu genauso wie im christlich-konservativen Milieu. Es sind nur wenige Schichten, die Gentechnik voll und ganz akzeptieren.


    Wie Britta Klein befürchtet auch Felix Prinz zu Löwenstein, vom Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft vielmehr, dass Verbraucher in Zukunft immer weniger die Wahl haben und schließlich kaum mehr auf Produkte zurückgreifen können, die weitgehend frei von gentechnischen Verunreinigungen sind. Ja, dass die in Kraft getretenen Grenzwerte immer weiter nach oben angepasst werden müssen: Eben weil es auf dem Acker zu vermehrten Auskreuzungen kommt. Das könnte dann sogar das Aus für den Bio-Landbau bedeuten. Felix Prinz zu Löwenstein.

    Und zwar aus folgendem Grund: Es gibt einen Markt, und zwar einen großen Markt, und der vergrößert sich witzigerweise auch dort, nämlich in Amerika, wo Gentechnik schon richtig sich etabliert hat. Ein Markt für gentechnisch freie Produkte. Den können die Amerikaner, den können die Kanadier, den können die Argentinier nicht mehr beliefern. Wir können's noch. Und ich kann nicht verstehen, warum wir mit aller Macht dafür kämpfen und warum man hierzulande mit aller Macht dafür kämpft, dass wir den Anschluss an die Amerikaner und die Kanadier in Gentechnik finden und damit die Möglichkeit aufgibt, einen Markt zu bedienen, den die nicht mehr bedienen können.

    Aufgrund dieser Bedenken hat die EU-Kommission deshalb die Mitgliedsstaaten aufgefordert, solche gentechnikfreien Zonen zu schaffen- sozusagen als Sicherheitsabstand. Wie groß diese Entfernungen zwischen den Feldern sein müssen, liegt aber allein in der Hand der jeweiligen Länder.
    Felix Prinz zu Löwenstein:

    Lassen Sie uns klar darüber sein: Wenn wir in einer Pflanzenart GVO-Anbau hier haben, ist es mit einer Gentechnik-Freiheit im Sinne von Null-GVO vorbei. Dann geht es nur noch darum, wie kann man es organisieren, dass man unter einem möglichst niedrig liegenden Grenzwert an Kontamination bleibt. Die Diskussion um die bei uns möglicherweise Einzug haltende Gentechnik ist die zentrale Diskussion, die wir im Moment führen müssen. Und wir führen sie nicht als Öko-Bauern. Es geht nicht darum, einer kleinen Nische jetzt ihre Marotte Gentechnik-Freiheit zu ermöglichen, sondern es geht darum, dass, was wir hier in Europa mehrheitlich wollen, uns zu erhalten.