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Alles fließt

Die Binnenschifffahrt gilt gemeinhin als besonders umweltverträgliche Transportart. Bei schädlichen Emissionen wie etwa Lärm, Schadstoffausstoß und Flächenverbrauch liegt sie noch unter denen der Bahn und natürlich weit unter dem Fernlastverkehr auf den Straßen. Trotzdem gibt es Risiken und Probleme. Begradigte Flüsse ohne Auenwälder begünstigen Hochwässer und gigantische Kanalprojekte haben auch bei uns Landschaften zerstört. Mit ähnlichen Problemen kämpfen die Menschen weltweit. Im Amazonasbecken, am Mekong und am Kongo – es gibt Pläne, all‘ diese ursprünglichen Flüsse für große Frachter schiffbar zu machen. Mit unabsehbaren Folgen für die Anwohner und die Natur. Die Deutsche Hidrovia-Koordination, ein Zusammenschluss verschiedener Nichtregierungs-Organisationen, wie dem World Wild Life Fund oder der Gesellschaft für bedrohte Völker hat deshalb nach Königswinter bei Bonn geladen. Dort wird diskutiert, welche Möglichkeiten es gibt, die schädlichen Einflüsse der Binnenschifffahrt in Grenzen zu halten und die ökologischen Vorteile zu nutzen. Dietrich Sondermann berichtet:

von Dietrich.Sondermann |
    Jane Madgwick: "... we could - perhaps - see waterways in many cases as an environmental preferable kind of transport when your look at the total of the environmental cost."

    Wasserstraßen sind ökologisch betrachtet sicher die besten Transportwege stellte Jane Madgwick, vom WWF in ihrem Grußwort fest. Aber so, wie es bisher gehandhabt wurde, kann es nicht weitergehen.

    Jane Madgwick: "Wenn der Missbrauch und die Zerstörung des Wasserhaushaltes mit seinem Ökosystem nicht gestoppt werden, sind soziale und wirtschaftliche Schäden nicht zu vermeiden."

    Der Grund dafür ist die immer größere Distanz zwischen Erzeuger und Verbraucher. Heute ist es billiger, Kohle aus Südafrika ins Ruhrgebiet zu schiffen, als sie dort abzubauen. Genau so verhält es sich mit Lebensmitteln. Lammfleisch aus Neuseeland ist in deutschen Supermärkten billiger, als vom Bauern oder Schäfer vor Ort. Aber der Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen kann auf Dauer keine Lösung dieses Problems sein. Nach dem Ausbau des Rheins in den Jahren von 1955 bis 1977 sind die Hochwasser enorm angestiegen weiß Emil Dister, der Leiter des WWF-Aueninstitutes in Rastatt:

    Emil Dister: "Hochwässer, auch große Hochwässer, gab es natürlich zu allen Zeiten aber man muss feststellen, dass wir - zumindest am Oberrhein - eine ganz klare Häufung von Hochwässern über einer bestimmten Größenordnung feststellen können. Wir können ungefähr sagen, dass in den letzten siebzehn Jahren so viele große Hochwässer über 4500m_ pro Sekunde am Wormser Pegel eingetroffen sind, wie in den 170 Jahren zuvor."

    Die Mittel, um dies in den Griff zu bekommen, sind bekannt:

    Emil Dister: "Das besteht im wesentlichen darin, dass man an geeigneten Stellen die Deiche zurück verlegt und dem Fluss wiederum mehr Raum gibt. Somit kann das Wasser auslaufen, sich in den ehemaligen Auen verteilen; damit entstehen wiederum Auenlebensgemeinschaften und gleichzeitig wird ein Schutz der Anlieger flussabwärts gewährleistet."

    Aber die Verantwortlichen tun sich schwer mit diesen Maßnahmen. Technisch und wirtschaftlich stehen genug Rückstauflächen zur Verfügung, aber politisch sind sie kaum durchzusetzen.

    Solche Fehler mit tiefen, eng eingedeichten Wasserstraßen drohen weltweit immer wiederholt zu werden. Besonders für das Amazonasbecken sind gewaltige Veränderungen geplant. Vier große Wasserstraßen sollen entstehen. Eine davon würde durch das größte zusammenhängende Feuchtgebiet der Erde, das Pantanal, verlaufen. Edith Wenger, die Umweltjuristin beim WWF-Auen-Institut erklärt, welche umfangreichen Probleme die Wasserstraßen in Südamerika verursachen.

    Edith Wenger: "Diese Region soll mit einer Sojamonokultur oder vielleicht bald Sonnenblumenmonokultur entwickelt werden - entwickelt in Anführungszeichen für uns natürlich - und sie wollen diese Wasserstraße bauen und mindestens 60% der ganzen Fracht nur mit Soja zu transportieren nach Europa."

    Als Folge dieses Kanalbaus würde das Feuchtgebiet trockengelegt und 15 große indigene Gruppen, die als Fischer vom Fluss leben, praktisch ihrer Existenz beraubt, man könnte auch sagen ausgerottet. Auch der WWF sieht die Notwendigkeit, neue landwirtschaftliche Nutzflächen zu erschließen und die Flüsse auch als Wasserstraßen zu nutzen.

    Edith Wenger: "Die Schiffe die müssen natürlich dem Fluss angepasst sein, das heißt, die Größe und die Breite von diesen Schiffen die müssen nicht die Flüsse beeinträchtigen und auch natürlich die Sicherheit von den Anrainern und auch die Umwelt und die Biodiversität."

    Ob diese Ziele in Südamerika erreicht werden können bleibt abzuwarten. Seriöse US-amerikanische Studien haben jedenfalls vor den Kanalprojekten gewarnt. Auch wirtschaftlich seien sie nicht zu vertreten. Wie die Transportprobleme weltweit in Zukunft zu lösen sind, kann sicher niemand sagen.

    Edith Wenger: "Ich habe keine Lösung anzubieten, aber wir wollen nur eine Diskussion eine öffentliche Debatte eröffnen; das ist unser Wunsch. Und wenn die Gedanken von Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit bei der Planung neuer Wasserstraßen – auch hier in Europa – von der Politik gehört und umgesetzt werden, dann hätte diese Tagung ihr Ziel erreicht."