Archiv


Alles fürs Kind - und die Eltern

23 Hochschulen bundesweit dürfen von sich behaupten, familiengerecht zu sein. Ihnen hat die gemeinnützige Hertie-Stiftung nach der Prüfung von Qualitätsmerkmalen - einem so genannten Audit - dieses Markenzeichen verliehen. In wenigen Wochen darf auch die Hochschule Bremen die Auszeichnung entgegennehmen.

Von Lutz Weihe |
    Ohne "Flummi", die flexible Kinderbetreuungsstelle der Hochschule Bremen, wäre die Fachbereichsangestellte Sonja Baran heute vermutlich ausschließlich Hausfrau und Mutter:

    " Ich hätte zu Hause bleiben müssen und warten müssen, bis Moritz drei Jahre alt ist und einen Kindergartenplatz bekommt - hoffentlich."

    Bei ihrem erst eineinhalbjährigen Sohn griffen die staatlichen Betreuungsangebote noch nicht, und dabei wollte die Teilzeitbeschäftigte Moritz noch nicht einmal die ganze Woche in einem Kinderhort unterbringen:

    " Es war nicht möglich. Entweder waren die Plätze besetzt oder es hieß: Vollzeit, nur fünf Tage die Woche, und das kam für uns nicht in Frage."

    Bei "Flummi" kann Baran ihren Sohn vorbeibringen, wann immer es ihr Dienstplan erfordert. Zwei Erzieherinnen versorgen dort - je nach täglichem Bedarf - 15 bis 20 Kinder von Studentinnen oder Hochschulangestellten.

    Für Mütter, deren Kleinkinder die ganze Woche über betreut werden müssen, unterstützt die Hochschule zudem die Krabbelgruppe Socke. Studierende Eltern, die - etwa wegen eines obligatorischen Auslandspraktikums - in eine finanzielle Notlage geraten, können auf bis zu 1500 Euro aus einem Solidaritätsfond hoffen, erklärt die Frauenbeauftragte Anna Müller:

    " Damit die dann ins Ausland fahren können, zum Beispiel für die Flugtickets, oder damit sie sozusagen die erhöhten Kosten, die sich ergeben durch ein zusätzliches Kinderappartement am Anfang wenigstens bezuschusst haben. Wir haben auch schon Familienheimreisen bezuschusst, also wenn man ein Kleinkind oder ein Baby hat und der Vater wollte einfach auch regelmäßig dieses Baby sehen und er hat auch glaubhaft gemacht, dass da eine finanzielle Notlage da ist und dass es dafür keine anderen finanziellen Zuschüsse gibt."

    Wegen dieser und anderer Angebote darf die Hochschule künftig mit dem Markenzeichen "Familiengerechte Hochschule" der gemeinnützigen Hertie-Stiftung werben. Im Gegenzug muss die Hochschule - in einem so genannten Auditierungsverfahren - in den kommenden drei Jahren allerdings weitere familienfreundliche Maßnahmen verwirklichen, sonst verliert sie das Markenzeichen wieder. Kanzler Peter Henckel:

    " Das ist wie die Mohrrübe, die dem Esel an der Angel vor die Schnauze gehalten wird, damit er sich bewegt. Ohne dieses Ziel, das Zertifikat erhalten zu wollen, würde die Bewegung möglicherweise sehr schnell zum Stillstand kommen. "

    Sitzungen von Gremien sollen beispielsweise künftig - so steht es in einer Zielvereinbarung - nicht mehr spät abends stattfinden, sondern nur noch vormittags und immer an einem bestimmten Wochentag. Und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen mit Kindern sollen wenn nötig ihre Arbeit auch zu Hause erledigen können, sagt Frauenbeauftragte Müller:

    " Obwohl die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen nach Tarifvertrag Anwesenheitspflicht haben. Und dass wir da Regelungen schaffen, dass dieses dezentrale Arbeiten besser möglich wird, und zwar nicht nur so ein Gemauschel zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiterin, sondern einfach eine offizielle Regelung daraus wird, so dass auch da die Flexibilität ermöglicht wird."

    Professoren, die solche Regelungen aktiv unterstützen, können mit Pluspunkten bei der Leistungsbesoldung rechnen.

    Kopfzerbrechen bereitet der Hochschule auch das Thema familiengerechter Studienplan, denn hier liegt noch vieles im Argen. Besserung könnte die fortschreitende Modularisierung der Studiengänge bringen, hofft Müller:

    " Das heißt konkret, wenn man jetzt in Sozialwesen das Modul interkulturelles Training in diesem Semester nicht belegen kann, weil der Studienplan sonst zu voll wäre, man sagen kann: Okay, das Modul wird aber im nächsten Semester im Studiengang "International Studies of Global Management" angeboten, da kann ich diese Modul belegen und bekomme dadurch ein bisschen mehr Luft und Freiräume."

    Koordiniert werden alle familienfreundlichen Maßnahmen in einer Arbeitsgruppe, die direkt dem Rektor unterstellt ist. Das verdeutlicht: Die Hochschule ist bereit etwas zu tun. Und das muss sie auch, merkt die Frauenbeauftragte an:

    " Im übrigen stehen wir im internationalen Vergleich eh schlecht da. Und wenn wir im Wettbewerb bestehen wollen und zum Beispiel auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Ländern an unsere Hochschulen kriegen wollen, die wollen auch mit ihren Familien nach Deutschland kommen, denen müssen wir auch eine Möglichkeit bieten vor Ort."