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Alles im Griff

Elektrorollstühle, die an ein vierrädriges Motorrad erinnern oder Einlagen, die über die Stimulierung bestimmter Zonen an den Füßen den Gang beeinflussen: Die Spannbreite der Hilfsmittel und der Technik auf der größten Messe für Orthopädie und Reha-Technik in Leipzig ist groß. Zu den Neuheiten gehören auch Arm- und Handprothesen, die ein fast normales Hantieren ermöglichen.

Von Hartmut Schade |
    Schwimmen. Schwimmen ist das einzige, was Karl-Heinz Ammon mit seiner Arm-Prothese nicht kann. Ansonsten gilt für ihn der bekannte Werbesatz:

    "Also es ist nichts unmöglich. "

    Vor fünf Jahren verlor Karl-Heinz Ammon seinen linken Arm oberhalb des Ellenbogens. Seit kurzem trägt er eine Armprothese der neuesten Generation, einen sogenannten Dynamic Arm.

    "Wir habe in dem System Dynamic Arm 6 verschiedne Funktionen. Als da wären: Ellbogenbeugung, -streckung, Handgelenksdrehung und Hand auf und zu. So hat der Patient die Möglichkeit, simultan steuern. Also das heißt, den Dynamic-Arm beispielsweise zu beugen, das Ellbeugengelenk zu beugen und gleichzeitig die Hand in eine Richtung zu drehen, oder zu öffnen oder zu schließen. Es ist für sehr aktive Patienten gedacht, die dann schneller aktiv sein wollen, schneller arbeiten wollen damit. "

    Sagt Erik Andres von der herstellenden Firma Otto Bock. Zehn Jahre Forschung stecken in dem Hi-Tech-Arm, der seit Jahresbeginn auf dem Markt ist. Gesteuert wird der Dynamic-Arm wahlweise über Zug- oder Druckschalter oder im Normalfall über zwei Elektroden an Bizeps und Trizeps. Werden diese Muskeln schnell und kräftig angespannt, reagiert der Arm auch entsprechend rasch. Bei langsamer Anspannung bewegt auch er sich bedächtiger. Bei der Steuerung des Arms machen sich die Techniker das Phantomgedächtnis des Gehirns zu nutze. Auch wenn ein Arm amputiert ist, seine Bewegungsmuster sind in den grauen Zellen gespeichert.

    "Ich kann von der Hand in den Ellenbogen gehen, ich kann aber auch von der Hand in die Drehbewegung zu gehen. Das schalt ich auch mit den zwei Elektroden um, ich stell mir rein von Kopf her vor, ich würde eine Faust machen. Dann spann ich beide Muskeln an, krieg aber ein Feedback, von der Prothese durch eine Vibration, dann ich in nächsten Modus gewechselt habe. Wenn sie mal hier hin langen, dann spüren sie das."

    Dreimal vibriert es unter der Kunststoffoberfläche der Prothese, so als ob ein Handy sich meldet. Für Karl-Heinz Ammos das Zeichen, das er im Ellenbogenmodus ist. Klingt für einen Außenstehenden furchtbar kompliziert. Doch Ammos winkt ab, nach 10 Tagen Training musste er nicht mehr über die Bewegungen nachdenken, waren sie automatisiert. Seither kann er auch seinen Job als Caterer auf dem Düsseldorfer Flughafen wieder voll ausüben. Das dabei ein Glas runterfällt oder beim Packen der Lunchpakete Eier und Tomaten zerquetscht werden muss sein Arbeitgeber nicht befürchten. Jedenfalls dann nicht, wenn Karl Heinz Ammos auf die Armprothese die Sensorhand "Speed" aufsteckt. Eine Kunsthand der neuesten Generation, so Katharina Maaß vom Hersteller Otto Bock.

    "Also die Sensorhand Speed ist wesentlich schneller als alles, was wir an Elektrohände vorher hatten, ungefähr 3 mal so schnell."

    Tempo, das lebenserleichternd ist. Seit der Leipziger Christian Wenzel, dem seit seiner Geburt die linke Hand fehlt, an ihrer Stelle "Speed" trägt, muss er beim zugreifen oder loslassen nicht erst schauen, ob die Hand wirklich schon geschlossen oder wieder offen ist. Er kann sich auf sie verlassen. Denn sie hat sogar Fingerspitzengefühl.

    " Das ist ja eine Sensorhand, die greift auch automatisch nach. Wenn hier ein leeres Glas hier drin ist und ich würde nicht genug Druck aufbauen, merkt die Hand, wenn etwas ins rutschen kommt, die Sensoren sind hier vorne in de Fingerkuppe vorhanden, und ich würde das Glas jetzt befüllen, dann wird es automatisch schwerer, dann greift diese Hand zu."

    Diese Sensibilität und feinfühlige Steuerbarkeit der Arm- und Handprothesen der nächsten Generation ist ein großer Fortschritt. Die Kombination "Dynamic Arm" und Sensorhand "Speed" unterscheide sich von seiner alten Armprothese, wie VW-Käfer vom Ferrari urteilt Karl Heinz Ammon.

    "Ich bin echt froh drüber, dass es so ´nen Arm gibt, wo ich beide Kinder an die Hand nehme kann und über die Strasse gehen. Und vorher musste ich immer eine nehmen, weil die andre Angst gehabt hat, weil der Arm, die Hand sehr stark war. Ich konnte die nicht sehr fein ansteuern. Jetzt kann ich beide Mädels nehmen, kann schön über die Straße gehen. Bin ich absolut stolz drauf, doch. "