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Alles in Frage gestellt

Am Freitag hatte die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) in einer parteiisch anmutenden Pressemitteilung mitgeteilt, dass die Methode der UV-Blutbestrahlung wie vom Erfurter Arzt Andreas Franke praktiziert, keinen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vor dem 1. Januar 2011 darstellt. Zu dieser Auffassung kam das Deutsche Sportschiedsgericht DIS.

Von Robert Kempe | 04.11.2012
    Der Ulmer Sportmediziner Professor Jürgen Steinacker ist Mitglied im Wissenschaftsgremium der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Er meint, das Urteil stehe im vollen Gegensatz zu allen ihm vorliegenden Stellungnahmen internationaler Experten.

    "Ich war ziemlich erstaunt über das, was ich da gelesen habe. Man konnte ja denken, da ist jetzt große Erleichterung im Spiel. Diese Erleichterung ist auch ambivalent. Denn wir stellen fest, dass ein Einzelrichter offenkundig, die gesamten Anti-Doping-Regelungen der gesamten Welt in Frage stellt. Es wäre ganz arg wichtig, dass wir auch das Urteil kennen. Und dazu sollte auch die NADA alle Dokumente, die vorliegen veröffentlichen. Insbesondere auch das Gutachten von Prof. Striegel, das jetzt über lange Zeit schon durch die Gegend geistert. Aber er selbst darf nichts sagen und niemand sagt den Inhalt dieses Gutachtens."

    Als Richter fungierte in dem Verfahren Stephan Wilske, Rechtsanwalt bei der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz. Im Sportrecht ist diese Kanzlei bisher wenig in Erscheinung getreten. Eine Veröffentlichung der Urteilsbegründung – wie bei Entscheidungen des Internationalen Sportschiedsgericht CAS üblich – ist indes vom DIS nicht zu erwarten.

    Laut NADA-Vorstandsmitglied Lars Mortsiefer habe man durch das Urteil nun Rechtsklarheit und werde das weitere Vorgehen der NADA daran ausrichten. Der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes Clemens Prokop, zeigt sich von solchen Einschätzungen irritiert.

    Das Urteil, so Prokop,...

    "steht auf jeden Fall im Widerspruch zur rechtlichen Bewertung, die die Staatsanwaltschaft Erfurt vorgenommen hat. Es steht aber auch im Widerspruch zu einem Rechtsgutachten, das die NADA selbst eingeholt hat – hier von Prof. Striegel. Deshalb meine ich, dass nach dieser Entscheidung eher die Rechtsunklarheit größer geworden ist, als das Rechtsklarheit bestehen würde. Und deshalb denke ich, bedürfte eigentlich diese Entscheidung insgesamt jetzt wirklich der Herbeiführung einer Rechtsklarheit und das würde bedeuten, dass man hier das CAS anruft, um eine endgültige Entscheidung herbeizuführen."

    Die Staatsanwaltschaft Erfurt kam im Juli noch zu der Einschätzung, dass es sich im Fall der UV-Blutbestrahlung um einen objektiven Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen handle.

    Die NADA teilte nun auf Deutschlandfunk-Anfrage mit, dass man die 50seitige Urteilsbegründung prüfen werde. Außerdem werde man den Schiedsspruch der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zur Bewertung schicken. WADA-Generaldirektor David Howman erklärte unlängst, dass man sämtliche Urteile, die vom DIS gefällt werden, genau prüfen werde. Sowohl NADA als auch WADA können den Schiedsspruch vor dem CAS anfechten.