"Alles lecker – von Lieblingsspeisen, Ekelessen, Kuchendüften, Erbsenpupsen, Pausenbroten und anderen Köstlichkeiten". Der fast schon musikalische Titel ist Programm: Das neue Sachbilderbuch von Alexandra Maxeiner und Anke Kuhl will alle Sinne für das Essen wecken: Auge, Ohr und natürlich die Zunge. Und das schon, bevor man es überhaupt aufschlägt. Auf dem Cover sind drei Kinder an einem Tisch zu sehen, das erste isst Spaghetti mit Soße, das zweite verdrückt Kuchen und Muffins, dem dritten wurden Heuschrecken serviert. Alle drei Kinder grinsen breit.
"Das find ich einfach auch ganz spannend, dass man sieht, dass Essen auch immer ne Frage der Gewohnheit ist und auch der Blick darauf, was man für "normal" oder ungewohnt hält, dass das wirklich nur davon abhängt, wo man lebt. ( ... ) Also, Heuschrecken werden an vielen Teilen der Welt gegessen, sollen wohl sehr, sehr nahrhaft sein. Ich hab's noch nicht gemacht, aber ich würde es gerne mal probieren."
Nicht nur die Heuschrecken lösen bei den meisten Kindern Abscheu aus. Auf einer der Zeichnungen im Innenteil sitzen noch ganz andere Tiere – natürlich noch lebend mit Fell und Fühlern – auf Tellern. So wird den Kindern besonders drastisch klar gemacht, welche Lebewesen, von Krabbel- bis zu niedlichen Kuscheltieren in Europa und in anderen Ländern zubereitet werden.
"Also, Froschschenkel sind in Frankreich eine besondere Delikatesse, ( ... ) das Meerschweinchen wird in Ecuador aber auch in Peru gilt das Meerschweinchen - wird wohl gegrillt, und ich muss ehrlich sagen: Wir essen Kaninchen. Aber Hunde oder Katzen zu essen, wäre ein absolutes Tabu in unserer Gesellschaft. Wir essen aber auch Lämmer oder Kälber, die ja ähnlich süß sind wie so ein Hund oder eine Katze, und die essen wir."
Alexandra Maxeiner liefert in "Alles lecker!" die ziemlich trockenen Texte, Anke Kuhl die springlebendigen Zeichnungen. Ohne ausführliche Erklärungen oder Kommentare zeigt der Text auf, was es alles gibt und bleibt dabei meistens völlig wertfrei.
"Wenn Moritz sein Pausenbrot isst, wundert er sich oft darüber, was die andern Kinder so alles auspacken: Bio-Waldfrucht-Smoothie, Reiswaffel mit Amaranth und Joghurt-Schokolade. Energieriegel Power 3000 und Rosen-Lassi, gekochte Wachteleier und Obstspieß."
Besagter Moritz sitzt auf der Zeichnung mit großen Augen zwischen seinen Mitschülern, vor sich eine Kästestulle und eine Flasche Bizzelwasser. Staunen, Ekel, Appetit und Lachen regen sich vor allem beim Betrachten der bunten, comichaften Illustrationen zum Fressen und Gefressen-Werden in der Tierwelt, zum Menschen als Allesfresser, der das Kochen und Einmachen entdeckt hat, zu Tischsitten und -unsitten, Trostessen, Krümelbroten und internationalen Frühstücksvariationen.
"Der Frühstückstisch, wo wir Kinder an den Tisch gesetzt haben aus verschiedenen Ländern und dazu ihre traditionellen Frühstücke aufzeigen, da finde ich wirklich ganz interessant, dass es in Frankreich … da gibt's eigentlich nur ein Croissant und heiße Schokolade, während fast alle anderen Länder, die wir da haben, zum Beispiel England oder Japan, Deutschland, die Türkei oder Jamaika, da sind wirklich sehr viel größere Dinge zur Auswahl, und das find ich immer so spannend, dass es immer eine Form von Gewohnheit ist und auch, was es für Ressourcen gibt in dem Land, wo man lebt - was man so isst."
Der Blick von oben auf einen großen Frühstückstisch mit zehn Kindern aus aller Welt und ihren gut gefüllten Tellern löst beim Betrachter fast zwangsläufig Magenknurren aus. Da gibt es exotische Früchte und Pfannkuchen, getrockneten Fisch, Eier und Käse, heiße Schokolade, Saft, Getreidebrei, Reissuppe und Bratwürstchen – alles mit Namen versehen.
"Unser Schwerpunkt ist eigentlich Lebenssituationen, Alltagssituationen des Essens zu erzählen, aber auch Essensgewohnheiten weltweit zu vergleichen. Bei unserem Essensbuch ging es uns darum: die Sinnlichkeit und die Lust des Essens, also das ist unser Schwerpunkt."
"Verdorbene Speisen stinken oft fürchterlich. Damit werden wir davor gewarnt, sie zu essen. Andere Gerüche machen sofort Appetit. Frischgebackene Waffeln zum Beispiel. Manchmal riecht etwas besonders köstlich, weil man Hunger hat. Ein duftender Braten macht richtig Lust. Ist man satt, mag man den fettigen Bratgeruch gar nicht mehr riechen."
Diese reihende, assoziative und - vor allem durch die Bilder - mit viel Witz ausgeführte Methode regt in hohem Maße dazu an, über eigene Vorlieben und den Umgang mit dem Essen nachzudenken und zu sprechen. Das Buch macht auf die Vielfalt des Essens und seiner Facetten auf der Welt und im eigenen Umfeld aufmerksam. Aber es drückt sich, bei allem Humor und aller spielerischer Leichtigkeit, auch nicht um schwierige Seiten des Themas.
"Auch wenn das nicht unsere Schwerpunkte waren, wir können trotzdem solche Themen wie den Hunger nicht aussparen, und auch natürlich die Art und Weise, wie Lebensmittel verarbeitet werden, ist ein Thema, was zum Thema Essen gehört, wenn man heute ein Buch dazu macht. Was essen wir eigentlich? Und wenn wir Tiere essen, dann stellt sich auch die Frage: Wie geht es denn den Tieren, kurz bevor sie zu unserem Essen werden?"
Der Diskrepanz von Hungersnöten auf der einen Seite und der systematischen Entsorgung von Nahrungsmitteln auf der anderen Seite widmen Alexandra Maxeiner und Anke Kuhl eine ganze Doppelseite. Ein anderer Block zeigt und beschriebt, verschiedene Formen von Tierhaltung. Ein didaktischer Kommentar ist unnötig, denn jedes Kind merkt sofort, welche Art von Lebensraum oder Transport ein Schwein oder Kalb bevorzugen würde. Einen Aufruf zum fairen Handel oder zum Kauf von Bio-Essen gibt es nicht. Das widerspräche dem völlig unpädagogischen Konzept der Macherinnen. Das Genre "Sachbuch" bedeutet für sie nicht: Aufklärung und Erziehung, sondern: einen unwiderstehlichen Anreiz zu bieten für genaues Hinsehen.
"Natürlich sind unsere Themen Sachthemen, aber wenn wir darüber sprechen, welche Sitzordnungen Familien an einem Tisch haben, dann würd' ich sagen, ist das wirklich ein Aufgreifen, ein Zitieren, ein Zeigen - also es ist ein assoziatives Netz."
Dieses Konzept ist schon in Vorgängerbuch "Alles Familie" wunderbar aufgegangen. Autorin und Zeichnerin spielen mit einem Thema, ohne es zu verharmlosen. Damit nehmen sie die Kinder ernst. Sie trauen ihnen zu, sich selbst ein Bild zu machen von Familienstrukturen und Verwandtschaftsbeziehungen – und im neuen Buch von den Geschichten, die das Leben durchs Essen erzählt.
"Sie können's erfahren, ja, sie können das entdecken. Wir wollen Lust auf bestimmte Themen oder Geschichten wollen wir aufzeigen, aber es ist jetzt nicht wirklich ein didaktischer Ansatz."
Alexandra Maxeiner, die neben Kinderbüchern auch Drehbücher fürs Fernsehen und Bücher für Erwachsene schreibt, und die Illustratorin Anke Kuhl gehören seit einigen Jahren zur Frankfurter Ateliergemeinschaft Labor. Das lässt hoffen, dass dieses kreative Team noch mehr Sach-Bilderbücher hervorbringt, die der assoziativen Wahrnehmung von jüngeren Kindern gerecht werden und auch ältere Kinder und Erwachsene bestens unterhält und zum Nachdenken bringt.
Linktipp:
Klett Kinderbuch bietet auf seinen Seiten eine Leseprobe als PDF zum Download.
"Alles lecker! – Von Lieblingsspeisen, Ekelessen, Kuchendüften, Erbsenpupsen, Pausenbroten und anderen Köstlichkeiten".
Anke Kuhl (Text)
Alexandra Maxeiner (Bilder)
Klett Kinderbuch, 13,90 Euro - ab 6 Jahre
"Das find ich einfach auch ganz spannend, dass man sieht, dass Essen auch immer ne Frage der Gewohnheit ist und auch der Blick darauf, was man für "normal" oder ungewohnt hält, dass das wirklich nur davon abhängt, wo man lebt. ( ... ) Also, Heuschrecken werden an vielen Teilen der Welt gegessen, sollen wohl sehr, sehr nahrhaft sein. Ich hab's noch nicht gemacht, aber ich würde es gerne mal probieren."
Nicht nur die Heuschrecken lösen bei den meisten Kindern Abscheu aus. Auf einer der Zeichnungen im Innenteil sitzen noch ganz andere Tiere – natürlich noch lebend mit Fell und Fühlern – auf Tellern. So wird den Kindern besonders drastisch klar gemacht, welche Lebewesen, von Krabbel- bis zu niedlichen Kuscheltieren in Europa und in anderen Ländern zubereitet werden.
"Also, Froschschenkel sind in Frankreich eine besondere Delikatesse, ( ... ) das Meerschweinchen wird in Ecuador aber auch in Peru gilt das Meerschweinchen - wird wohl gegrillt, und ich muss ehrlich sagen: Wir essen Kaninchen. Aber Hunde oder Katzen zu essen, wäre ein absolutes Tabu in unserer Gesellschaft. Wir essen aber auch Lämmer oder Kälber, die ja ähnlich süß sind wie so ein Hund oder eine Katze, und die essen wir."
Alexandra Maxeiner liefert in "Alles lecker!" die ziemlich trockenen Texte, Anke Kuhl die springlebendigen Zeichnungen. Ohne ausführliche Erklärungen oder Kommentare zeigt der Text auf, was es alles gibt und bleibt dabei meistens völlig wertfrei.
"Wenn Moritz sein Pausenbrot isst, wundert er sich oft darüber, was die andern Kinder so alles auspacken: Bio-Waldfrucht-Smoothie, Reiswaffel mit Amaranth und Joghurt-Schokolade. Energieriegel Power 3000 und Rosen-Lassi, gekochte Wachteleier und Obstspieß."
Besagter Moritz sitzt auf der Zeichnung mit großen Augen zwischen seinen Mitschülern, vor sich eine Kästestulle und eine Flasche Bizzelwasser. Staunen, Ekel, Appetit und Lachen regen sich vor allem beim Betrachten der bunten, comichaften Illustrationen zum Fressen und Gefressen-Werden in der Tierwelt, zum Menschen als Allesfresser, der das Kochen und Einmachen entdeckt hat, zu Tischsitten und -unsitten, Trostessen, Krümelbroten und internationalen Frühstücksvariationen.
"Der Frühstückstisch, wo wir Kinder an den Tisch gesetzt haben aus verschiedenen Ländern und dazu ihre traditionellen Frühstücke aufzeigen, da finde ich wirklich ganz interessant, dass es in Frankreich … da gibt's eigentlich nur ein Croissant und heiße Schokolade, während fast alle anderen Länder, die wir da haben, zum Beispiel England oder Japan, Deutschland, die Türkei oder Jamaika, da sind wirklich sehr viel größere Dinge zur Auswahl, und das find ich immer so spannend, dass es immer eine Form von Gewohnheit ist und auch, was es für Ressourcen gibt in dem Land, wo man lebt - was man so isst."
Der Blick von oben auf einen großen Frühstückstisch mit zehn Kindern aus aller Welt und ihren gut gefüllten Tellern löst beim Betrachter fast zwangsläufig Magenknurren aus. Da gibt es exotische Früchte und Pfannkuchen, getrockneten Fisch, Eier und Käse, heiße Schokolade, Saft, Getreidebrei, Reissuppe und Bratwürstchen – alles mit Namen versehen.
"Unser Schwerpunkt ist eigentlich Lebenssituationen, Alltagssituationen des Essens zu erzählen, aber auch Essensgewohnheiten weltweit zu vergleichen. Bei unserem Essensbuch ging es uns darum: die Sinnlichkeit und die Lust des Essens, also das ist unser Schwerpunkt."
"Verdorbene Speisen stinken oft fürchterlich. Damit werden wir davor gewarnt, sie zu essen. Andere Gerüche machen sofort Appetit. Frischgebackene Waffeln zum Beispiel. Manchmal riecht etwas besonders köstlich, weil man Hunger hat. Ein duftender Braten macht richtig Lust. Ist man satt, mag man den fettigen Bratgeruch gar nicht mehr riechen."
Diese reihende, assoziative und - vor allem durch die Bilder - mit viel Witz ausgeführte Methode regt in hohem Maße dazu an, über eigene Vorlieben und den Umgang mit dem Essen nachzudenken und zu sprechen. Das Buch macht auf die Vielfalt des Essens und seiner Facetten auf der Welt und im eigenen Umfeld aufmerksam. Aber es drückt sich, bei allem Humor und aller spielerischer Leichtigkeit, auch nicht um schwierige Seiten des Themas.
"Auch wenn das nicht unsere Schwerpunkte waren, wir können trotzdem solche Themen wie den Hunger nicht aussparen, und auch natürlich die Art und Weise, wie Lebensmittel verarbeitet werden, ist ein Thema, was zum Thema Essen gehört, wenn man heute ein Buch dazu macht. Was essen wir eigentlich? Und wenn wir Tiere essen, dann stellt sich auch die Frage: Wie geht es denn den Tieren, kurz bevor sie zu unserem Essen werden?"
Der Diskrepanz von Hungersnöten auf der einen Seite und der systematischen Entsorgung von Nahrungsmitteln auf der anderen Seite widmen Alexandra Maxeiner und Anke Kuhl eine ganze Doppelseite. Ein anderer Block zeigt und beschriebt, verschiedene Formen von Tierhaltung. Ein didaktischer Kommentar ist unnötig, denn jedes Kind merkt sofort, welche Art von Lebensraum oder Transport ein Schwein oder Kalb bevorzugen würde. Einen Aufruf zum fairen Handel oder zum Kauf von Bio-Essen gibt es nicht. Das widerspräche dem völlig unpädagogischen Konzept der Macherinnen. Das Genre "Sachbuch" bedeutet für sie nicht: Aufklärung und Erziehung, sondern: einen unwiderstehlichen Anreiz zu bieten für genaues Hinsehen.
"Natürlich sind unsere Themen Sachthemen, aber wenn wir darüber sprechen, welche Sitzordnungen Familien an einem Tisch haben, dann würd' ich sagen, ist das wirklich ein Aufgreifen, ein Zitieren, ein Zeigen - also es ist ein assoziatives Netz."
Dieses Konzept ist schon in Vorgängerbuch "Alles Familie" wunderbar aufgegangen. Autorin und Zeichnerin spielen mit einem Thema, ohne es zu verharmlosen. Damit nehmen sie die Kinder ernst. Sie trauen ihnen zu, sich selbst ein Bild zu machen von Familienstrukturen und Verwandtschaftsbeziehungen – und im neuen Buch von den Geschichten, die das Leben durchs Essen erzählt.
"Sie können's erfahren, ja, sie können das entdecken. Wir wollen Lust auf bestimmte Themen oder Geschichten wollen wir aufzeigen, aber es ist jetzt nicht wirklich ein didaktischer Ansatz."
Alexandra Maxeiner, die neben Kinderbüchern auch Drehbücher fürs Fernsehen und Bücher für Erwachsene schreibt, und die Illustratorin Anke Kuhl gehören seit einigen Jahren zur Frankfurter Ateliergemeinschaft Labor. Das lässt hoffen, dass dieses kreative Team noch mehr Sach-Bilderbücher hervorbringt, die der assoziativen Wahrnehmung von jüngeren Kindern gerecht werden und auch ältere Kinder und Erwachsene bestens unterhält und zum Nachdenken bringt.
Linktipp:
Klett Kinderbuch bietet auf seinen Seiten eine Leseprobe als PDF zum Download.
"Alles lecker! – Von Lieblingsspeisen, Ekelessen, Kuchendüften, Erbsenpupsen, Pausenbroten und anderen Köstlichkeiten".
Anke Kuhl (Text)
Alexandra Maxeiner (Bilder)
Klett Kinderbuch, 13,90 Euro - ab 6 Jahre