In den ersten acht Monaten dieses Jahres sank die Zahl der Pkw-Neuzulassungen hierzulande erneut. Dank eines relativ starken Juli um ein Prozent. Das ist alles andere als ein Grund zum Jubeln. Pessimisten erwarten für das Gesamtjahr sogar einen Rückgang um bis zu 1,6 Prozent auf unter 3,2 Millionen Personenwagen. Und das, obwohl die IAA unter dem Motto "Faszination Auto" steht.
Die Verunsicherung der Konsumenten sitzt tief. Arbeitslosenzahlen auf Rekordniveau, die Angst vor dem eigenen Jobverlust und die bangen Fragen über die tatsächlichen Auswirkungen von Steuer-, Gesundheits- und Rentenreform. Alles keine Anreize für Investitionen. Dabei ist die Stimmung oft schlechter als die Wirtschaftsdaten. Doch auch solche Hinweise der Ökonomen zeigen keine durchgreifende Wirkung. Sparen heißt die Devise. Denn wer weiß, was noch kommt?
So ist es kein Wunder, dass die Automobilhersteller das laufende Jahr in Wahrheit längst abgeschrieben haben. Sie setzen nun auf 2004. Bernhard Mattes, Vorstandsvorsitzender der Kölner Ford-Werke AG, zieht eine erste Zwischenbilanz:
Man braucht, glaube ich, kein Prophet sein, um zu sagen, dass das Autojahr 2003 stückzahlenmäßig, was den Gesamtmarkt angeht, annähernd auf Vorjahresniveau enden wird. Wir werden kein Wachstum erleben. Wir werden aber auch keine gravierenden Einbrüche erleben.
So hängt das Wohl und Wehe der hiesigen Automobilindustrie im vierten Jahr hintereinander am Tropf des Exports. Zum Glück fahren Nordamerikaner, Chinesen, Briten, Polen, Tschechen und Russen auf Autos aus Deutschland ab.
Die Exportquote ist inzwischen auf weit über 70 Prozent gestiegen. Das sorgt für insgesamt steigende Produktions- und Absatzzahlen. Ohne die hohe Auslandsnachfrage würde der Konjunkturmotor Automobilindustrie hierzulande schnell ins Stocken geraten.
Wo sieht Professor Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie VdA, im Ausland noch weitere Wachstumschancen:
Viele erwarten, dass ich jetzt vielleicht zunächst sage China. Ja, China hat 79 Prozent Wachstum derzeit. Das ist auch ein Markt der Zukunft. Aber China hat in diesem Jahr 1,6 und im nächsten Jahr vielleicht zwei Millionen. Unsere großen Märkte sind Westeuropa und Nordamerika. Und wir sind sehr zufrieden, dass es uns gelingt, trotz rückläufiger Märkte unsere Position dort nicht nur zu behaupten, zum Teil sogar auszubauen.
Volkswagen setzt neben den USA ebenfalls auf Fernost. Bezogen auf die Menge, so heißt es in der Wolfsburger Konzernzentrale, werde die Region Asien/Pazifik der Treiber sein - und dort wiederum China. In den kommenden fünf bis sieben Jahren schätzt VW das Weltmarktwachstum auf ein bis zwei Prozent im Jahr.
In China haben die Wolfsburger im ersten Halbjahr 2003 über 320.000 Pkw abgesetzt. Das entspricht einem Plus von 52 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. China ist damit zeitweise der größte Markt für den Konzern. Die Strategie heißt Expansion. Das gilt für alle deutschen Hersteller, die ihren Absatz in China in diesem Jahr bislang in Summe noch einmal um 60 Prozent steigern konnten.
Sogar die Edelmarke BMW nimmt den chinesischen Markt ins Visier und sieht dort gute Chancen für ihre Premium-Mobile von Mini bis 7er. Vertriebsvorstand Dr. Michael Ganal verrät:
Wenn wir uns in Prozentzahlen die Märkte anschauen, dann ist China der attraktivste Markt. Wir haben dort enorme Wachstumsraten und mittlerweile auch eine Größe des Marktes, die es uns erlaubt, jetzt mit einer Vorort-Produktion daran teilzunehmen. China ist ganz schnell in den letzten Jahren ein wichtiger Markt für Premium-Automobile geworden. Und dort wiederum das obere Ende der Produktpalette. Es mag überraschend klingen, aber China ist dieses Jahr für BMW, für seine Zwölfzylinder der wichtigste Markt weltweit.
Auch DaimlerChrysler hat sich entschieden, in China im Rahmen eines Joint Ventures eine eigene Produktion aufzubauen.
Doch im Gegensatz zu Asien dümpelt der deutsche Automarkt – mit wenigen Ausnahmen - nach wie vor in der Flaute. Selbst Luxuskarossen, Jahrzehnte aller konjunkturellen Wirren zum Trotz auf der Überholspur unterwegs, verlieren an Fahrt: BMW minus sechs, DaimlerChrysler minus 5,5 Prozent. Für DaimlerChrysler-Vorstand Dr. Michael Schmidt ist das allerdings kein Grund zur Beunruhigung:
Wir haben als Mercedes-Benz als Luxus-Premiummarke in den letzten Jahren Marktanteile erzielt von 12 Prozent. Das ist nicht natürlich. Das ist nicht normal. Und deswegen würde ich diese leichten Rückgänge zum Vorjahr nicht überdramatisch sehen, sondern er als eine Normalisierung.
Auf dem Heimatmarkt holt die Neuauflage des legendären Mini für die BMW Group inzwischen manches Eisen aus dem Feuer. Ohne den Kleinen würden die Bayern in Deutschland an Tempo verlieren. Vertriebsvorstand Ganal:
Wir können auch dieses Jahr zweistellige Zusatzraten melden. Das ist immer im dritten Jahr für ein Automobil im Kleinwagenmarkt ne atypische Entwicklung, ne erfreuliche Entwicklung. Mini hat weiterhin die Funktion, neue Kunden, junge Kunden an die BMW Group heranzuführen. Diese Aufgabe wird mehr denn je sehr gut erfüllt. Mini ist sehr wertvoll für BMW.
Zu den Neuzulassungssiegern auf dem angespannten deutschen Automobilmarkt zählt Porsche. Die Stuttgarter Sportwagenschmiede fährt im In- und Ausland mit hohem Tempo. Vorstandschef Dr. Wendelin Wiedeking nennt die Gründe:
Ein Haus wie Porsche, das mal eine Krise richtig erlebt hat, wir waren ja kurz am Abgrund, hat in den letzten Jahren seine Hausaufgaben gemacht. Wir haben, was Produkte anbelangt, dem Kunden gut zugehört. Wir haben unsere Produkte qualitätsmäßig auf Vordermann gebracht, wir haben Attraktivität erhöht, wir haben die Ausstattung erhöht. Wir haben insgesamt die Preis-/Wertfunktion verbessert. Ein Großstück unseres Erfolgs liegt auch darin, glaube ich, dass wir immer das liefern, was wir versprechen. Wir versprechen nie zu viel, aber wir halten, was wir versprechen. Und das vermisse ich in der Industrie an viel zu vielen Stellen.
Das Gros der Hersteller ist freilich im Leerlauf unterwegs. Und: Die Auftragseingänge sind so niedrig wie seit vielen Jahren nicht mehr. Trotzdem teilt die Branche die Zuversicht von Bundeskanzler Schröder. Der prophezeite bei der IAA-Eröffnung, dass das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform die Pkw-Nachfrage im nächsten Jahr beflügeln werde. Auch VDA-Präsident Bernd Gottschalk blickt optimistisch in Richtung Autojahr 2004:
Wir haben einen Fahrzeugbestand, der so alt ist wie nie zuvor. Im Schnitt 89 Monate. Das heißt ein Jahr über dem langfristigen Schnitt. Anders gesagt: Drei von zehn Fahrzeuge sind älter als zehn Jahre. Das schreit förmlich nach Erneuerung. Zum Zweiten haben wir eine hohe Sparquote. Zum Dritten kommen jetzt die neuen Fahrzeuge, die gut ankommen im Markt. Das sind die Dinge, die wir als Hausaufgabe zu erledigen hatten. Jetzt geht es darum, die Verunsicherung im Markt abzustellen. Jetzt geht es darum, wieder Vertrauen im Markt zu schaffen. Und das richtet sich ganz eindeutig an die Politik.
Mit einer Fülle attraktiver Neuvorstellungen wollen die Autobauer die Kaufzurückhaltung der Deutschen endgültig brechen. Die Internationale Automobil-Ausstellung, zu der bis zum kommenden Sonntag 850.000 Zuschauer erwartet werden, präsentiert nicht weniger als 60 Weltneuheiten. Die Veranstalter sprechen von einem Feuerwerk der Innovationen. Neben wichtigen neuen Volumenmodellen zählen so automobile Leckerbissen wie der neue 6er von BMW, der Sportwagen SLR von DaimlerChrysler oder das Porsche 911 Turbo Cabrio zu den Premieren.
Mit besonderer Spannung wird der Zweikampf zwischen dem erfolgreichsten Auto der Welt und seinem ewigen Verfolger erwartet: VW Golf gegen Opel Astra. Während die fünfte Golf-Generation im Oktober auf den Markt kommt, legen die Rüsselsheimer im Frühjahr 2004 nach. Sie haben sich vorgenommen, dann mit der dritten Auflage des Astra endgültig am Golf vorbeizuziehen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.
Die entscheidende Frage: Welches Auto trifft den Geschmack der Käufer besser?
VW-Vorstand Detlef Wittig ist sicher, dass der Golf V an den grandiosen Erfolg seiner Vorgänger anschließen wird:
Es gibt ja ganz bekannte und traditionelle Stärken des Golfs über alle seine Generationen hinweg. Aber ich denke, dass wir diesmal in dieser neuen Generation sehr deutlich auf zwei Gebieten einen richtigen Sprung nach vorn gemacht haben, zugelegt haben. Und das eine ist, was man optisch sehr gut sehen kann, ein zwar weiterhin unverwechselbarer Golf, aber doch in seiner Linienführung sehr viel dynamischer. Das Zweite, was man zwar nicht auf den ersten Blick sehen kann, ist, dass wir hier mit einer kompletten Überarbeitung des Fahrzeugs, völlig neu im Fahrgestell, völlig neu in den Achsen, insbesondere im Hinterachsbereich ganz moderne zukunftsrichtende Konstruktionen haben, die eine Fahrdynamik, also ein ganz dynamisches Fahrverhalten bringen, das es in der Klasse bisher noch nicht gegeben hat.
Opel hält selbstverständlich dagegen. Vorstandsvorsitzender Carl-Peter Forster setzt mit dem Astra ebenfalls auf Sieg und das mit sehr ähnlichen Argumenten:
Zu Allererst haben wir uns wirklich ins Zeug gelegt, damit er gefällt. Dass das Design gelungen ist. Und alle Rückmeldungen, die wir bisher bekommen haben, belegen, dass das auch wirklich gut ankommt. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl von technischen Highlights zu bieten, modernste Diesel- und modernste Benzinmotoren mit 80 bis 100 bis 200 PS. Und darüber hinaus technische Highlights wie ein elektronisches Fahrwerk, das ESP, ABS und Dämpferverstellung zusammenführt und für ein ganz hervorragendes Fahrverhalten sorgt sowie eine ganze Reihe von anderen technischen Features, die es teilweise in dieser Klasse noch nicht gibt.
Bliebe noch die Frage des Preises. Beim Astra kennt man ihn noch nicht. Beim Golf ist zumindest die Einstiegsversion nicht teurer geworden.
Neben den Volumenmodellen, die im Laufe der Jahre deutlich an Attraktivität gewonnen haben, stürzen sich die Produzenten mit Vehemenz auf die Nischen: Ob Roadsters, Cabriolets, Cross Overs, also Geländewagen, oder Vans jeder Größe - großen Mut zur Lücke beweisen sie alle. Selbst für die Nobelmarke DaimlerChrysler ist ein Leben ohne Nischen inzwischen nicht mehr vorstellbar. Vertriebsvorstand Dr. Joachim Schmidt sagt:
Also Nischen sind unheimlich wichtig. Wir sind hier sicherlich führend, was die Entdeckung und die professionelle dann letztlich Ausnützung der Nischen anbelangt. Das sind sehr erfolgreiche Geschichten, und die werden wir auch weiter fortsetzen. Wir haben deswegen hier auf der IAA ein Fahrzeug vorgestellt, zunächst als Studie CLS, ein viertüriges Coupe, wo man sich gut vorstellt, das auch das eines Tages eine erfolgreiche Marktnische sein wird.
Für die Vertriebsexperten von VW ist der Trend zur Nische nur logisch: Mit dem Sättigungsgrad und der Tatsache, dass inzwischen 500 von 1000 Bürgern Europas ein Auto besitzen, steige der Wunsch nach Individualisierung stark an.
Das maßgeschneiderte Automobil für den jeweiligen Gebrauch oder Lebensabschnitt sei das Thema reifer Märkte. Das erlebe man zur Zeit sehr deutlich.
So habe sich insbesondere der Markt der MPV, der Multi Purpose Vehicles, außerordentlich dynamisch entwickelt. In der Golf-Klasse sei dieses Segment in Europa innerhalb von nur sechs Jahren von 200.000 auf 1,2 Millionen Jahreseinheiten angewachsen. Damit habe es sich versechsfacht. Gerade junge Familien und sportlich aktive Menschen verlangten nach Fahrzeugen mit viel Raum und großen Variationsmöglichkeiten.
Derweil sorgen smart mit dem forfour und Ford mit dem C-Max, einer Großraumlimousine auf Escort-Basis, auf der IAA für viel Beachtung. DaimlerChrysler-Vorstand Schmidt über den neuen smart:
Wir wollen die Marke smart jetzt einfach noch erweitern um ein viersitziges Fahrzeug. Dieses viersitziges Fahrzeug forfour, wie der Name ja deutlich sagt, ist ein Fahrzeug, das die Grundsmartelemente zum Beispiel diese Designsprache der Tridionzelle und die Sicherheitselemente von smart mit überträgt. Und wenn Sie das Fahrzeug dann mal von innen anschauen: Es ist ein richtiger smart. Es ist sehr poppig, es ist sehr witzig und sehr frech.
Mit dem Hang zur Nische entwickeln sich die deutschen Automobilhersteller nach Angaben ihres Verbandes nach und nach zu Full-Range-Anbietern . Wobei ein Ende der Range noch gar nicht abzusehen ist. Pickups zum Beispiel, in den USA besonders beliebt, warten in Europa noch auf ihren Siegeszug. Opel-Chef Forster:
Ich sage dieses Jahrzehnt wird noch sehr stark geprägt werden von sehr viel Konzeptkreativität.
Führt die Nischenstrategie aber nicht zwangsläufig zu hohen Entwicklungs- und Produktionskosten? Bernhard Mattes von Ford hat auf diese Frage eine klare Antwort:
Das muss nicht sein. Wenn sie sich anschauen, dass wir zum Beispiel in Köln eine so flexible Fertigung installiert haben durch unsere Investitionen in das neue Kölner Werk, wo wir absolut dem Kundenbedarf entsprechend vollkommen flexibel Dreitürer- Fiesta, Fünftürer- Fiesta oder aber auch den Fusion als ein neues Fahrzeugkonzept fertigen können. Dann haben wir hier eine optimale bedarfsgerechte Auslastung, die Produktivitätsfortschritte in großem Maße erkennen lassen von Mitte der 70 Prozent zu jetzt 95 Prozent Produktionsauslastung. Das sind Produktivitätsfortschritte, die man damit erzielen kann. Und Gleiches gilt natürlich auch, wenn man Komponenten und Module in verschiedenen Fahrzeugkonzepten zeitgleich und zugleich nutzt. Auch hier muss man die Entwicklungskosten nicht erhöhen, sondern man kann Entwicklungskosten für verschiedene Fahrzeugkonzepte eher dann degressiv nutzen.
Dritter Trumpf im Ärmel der deutschen Automobilindustrie sind die hochmodernen, leistungsstarken und relativ sparsamen Dieselmotoren. Der Anteil an den Neuzulassungen hat die 40-Prozent-Marke fast erreicht. Mit acht und zehn Zylindern ist der Diesel sogar in der Oberklasse salonfähig geworden.
Den Diesel-Boom erklärt Opel-Vorstandsvorsitzender Carl-Peter Forster so:
Die modernen Dieselmotoren, die jetzt angeboten werden, die jetzt von Opel auch angeboten werden, verbinden eigentlich zweierlei Dinge. Nämlich ein Mal Fahrvergnügen. Das sind teilweise Motoren mit hohem Drehmoment. Das heißt, die lassen sich hervorragend fahren. Auf der anderen Seite verbindet sich das mit günstigem Benzinverbrauch. Und ich glaube, gerade die Kombination ist das, was die Kunden so sehr anspricht.
Vertriebsexperten sehen hier durchaus noch weiteres Potenzial und verweisen auf das westeuropäische Ausland. In Österreich liegt der Dieselanteil bei über 70 Prozent, in Belgien und Frankreich nicht weit darunter.
Frei von Kritik ist freilich auch der Diesel nicht.
Während er wegen seines geringen Verbrauchs unbestritten zur deutlichen Reduktion des Kohlendioxidausstoßes beigetragen hat und weiter beiträgt, gerät er wegen seiner Partikelemissionen unter Beschuss. Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland jährlich 14.000 Tote auf Dieselabgase zurückzuführen.
Unverantwortliche Panikmache
, kontert der VDA-Präsident:
Wir haben nur einen Wunsch, dass wie beim Diesel geschehen, nicht mit unverantwortlichen Aktionen ein Aggregat kaputt geredet wird, das zudem noch für die Erfüllung unserer Selbstverpflichtung zum Klimaschutz unentbehrlich ist. Am Diesel hängt zuviel, als dass wir uns ein zweites Dosenpfand leisten könnten.
Beim Dosenpfand hat die deutsche Industrie die Gesetzeslage schlicht ignoriert, beim Diesel unterschätzten die deutschen Hersteller die Kritik von Umweltverbänden oder Verkehrslobbyisten wie dem VCD. Seit Jahren verweisen diese auf französiche Hersteller wie Peugeot. Bereits im Frühjahr des Jahres 2000 führte das Unternehmen mit dem Modell 607 den ersten serienmäßigen Partikelfilter ein. Ein technischer Vorsprung vor den Mitbewerbern. Thomas Schalberger von Peugeot:
Wir haben diese Technik natürlich auch anderen Herstellern angeboten, die dürfen sich da gerne bei uns gegen Geld bedienen. Wir sind die Trendsetter und man sieht: Überall da, wo wir den Filter haben, ist unserer Dieselanteil noch höher als er eh schon bei Peugeot ist. Der Kunde ist dazu bereit mehr zu bezahlen, wenn ihm der Gesetzgeber das per Steuern erleichtert. Und dann zahlt sich das für den Kunden auch noch mal in Heller und Pfennig aus.
Inzwischen rücken immer mehr Hersteller dem Restruß mit Partikelfiltern zu Leibe. DaimlerChrysler-Vorstand Joachim Schmidt zur Dieseldiskussion:
Wir haben, jetzt spreche ich nicht für Mercedes, sondern für die deutschen Automobilhersteller, wir haben den Diesel in den letzten Jahren dramatisch verbessert. Dramatisch. Wir haben den Diesel leiser gemacht, wir haben ihn komfortabler gemacht. Wir haben ihn emissionsärmer gemacht. Und wir haben die Dieselpartikel in den letzten Jahren um 80 Prozent reduziert. Und haben uns dann, so wie die EU uns das vorgeschrieben hat, uns vorbereitet, diese Diesel jetzt auch noch EU4-fähig zu machen ab dem Jahr 2005. Insofern glaube ich, haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Allerdings die Diskussion, die in den letzten Monaten hier stattgefunden hat mit Studien, die aus meiner Sicht mehr als zweifelhaft sind, halte ich nicht für seriös. Wir haben uns trotzdem gestellt und werden sukzessive unsere gesamte Flotte mit Dieselpartikelfiltern ausstatten.
Allerdings mit Aufpreis bei Mercedes. Rücksichten auf die Gesundheit der Menschen auf der Straße muss man in Stuttgart offensichtlich nicht nehmen, weil die Kunden mehrheitlich bereit sind, für einen Rußfilter zu bezahlen. Allerdings lehnen 90 Prozent der Befragten einen Tausch: Rußfilter gegen andere Extras, ab. Die Nachfrage im DaimlerChrysler Konzern nach Dieseln ist so stark, dass auf der IAA ein Deal bekannt gemacht wurde, den es in dieser Dimension noch nie gab: Volkswagen beliefert den Konkurrenten bis zum Jahre 2013 mit 120.000 Dieselmotoren jährlich.
Szenenwechsel: Wegen der nach wie vor angespannten Marktsituation werden die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller nach Einschätzung von Branchenkennern auch in nächster Zeit von eher untergeordneter Bedeutung sein. Parallel zu ihrer Modelloffensive werden sie weiterhin versuchen, die Schnäppchen-Gesellschaft mit Sonderangeboten aus der Reserve zu locken und den Abverkauf ihrer Auslaufmodelle zu fördern. Innerhalb eines Jahres, so Marktforscher, hätten sich die Nachlässe verdoppelt. Die Preisschlacht werde sich fortsetzen, weil die Hersteller mit Überkapazitäten in einem dichter werdenden Markt kämpften.
Diese Strategie birgt auf Dauer freilich auch Risiken. Dazu Frank Brustmann, Vertriebschef von SkodaAuto Deutschland:
Ich glaube, dass die Glaubwürdigkeit beim Verbraucher eigentlich leiden müsste, wenn man davon ausgeht, dass ein Preis in der Preisliste definiert ist, diese Preise durch Eroberungsprämien beziehungsweise Eroberungsgeld in Frage gestellt werden. Ich denke da an einige Wettbewerber, die bis zu 2/3000 Euro Begrüßungsgeld zahlen, Und dann muss man sich als Verbraucher wirklich die Frage stellen, inwieweit der in der Preisliste definierte Wert wirklich seriös ist oder inwieweit man ihn Ernst nehmen muss.
Opel-Chef Forster beurteilt insbesondere die Strategie der Tageszulassungen durch den Markenhandel kritisch. Sie werden gern genutzt, um Marktanteile künstlich zu erhöhen:
Diese Tageszulassungen bedeuten erhebliche Nachlässe, die insbesondere, und das trifft der Kunden dann ganz besonders, die Gebrauchtwagenpreise in den Keller schicken. Das heißt, der Kunde hat dann sehr große Probleme, im Wiederverkauf des Fahrzeugs einen angemessenen Preis zu realisieren. Wir glauben, das ist die falsche Strategie.
Die Hoffnungen, die die Automobilindustrie mit der IAA und dem neuen Autojahr 2004 verbindet, sind mit vielen "Wenn's" verbunden: Wenn sich die Konjunktur wieder belebt. Wenn es wieder mehr Beschäftigung gibt. Wenn auf weitere Abgabenbelastungen verzichtet wird.
Auf welch dünnem Eis die Hoffnungen auf den Aufschwung ruhen, zeigen die harschen Reaktionen der Industrie auf die Kritik am Diesel und die Sommerthemen Dieselsteuer, Pkw-Maut und Entfernungspauschale. Die Nerven liegen blank. Zu groß ist die Sorge, dass die Verbraucher auf Grund neuer Irritationen in ihrer Starre verharren könnten.
Ford-Chef Mattes zeigt Verständnis für das Verhalten der Kunden und appelliert an die Politik:
Das Automobil und die Anschaffung eines Automobils ist ja eine der größten Anschaffungen, die ein Haushalt macht. Und hierzu braucht er gewisse Sicherheiten hinsichtlich der Verwendung seines verfügbaren Einkommens. Und derzeit ist diese Sicherheit hinsichtlich der Zukunft für viele nicht gegeben beziehungsweise nicht kalkulierbar. Der eine oder andere sagt sich, was muss ich zusätzlich aus meinem Haushaltsnettoeinkommen, für die Zukunft, für meine Rente aufbringen? Was muss ich für Gesundheit mehr aufbringen, und was kann ich mir für Mobilität, für das Automobil noch leisten? Da diese Fragen nicht alle geklärt sind, für viele nicht geklärt sind, ist es notwendig, dass wir verlässliche Rahmenbedingungen kriegen, damit auch hier die Konjunktur im Automobilsektor wieder anspringen kann. Ich bin der Auffassung, dass wir die richtigen Ansätze innerhalb der Politik haben, auch die richtigen Ansätze diskutiert werden. Was nun folgen muss, sind Entscheidungen, die dann tatkräftig umgesetzt werden.
VDA-Präsident Bernd Gottschalk ergänzt:
Wir sind eine Schlüsselbranche. Wir haben eine solche Stellung. 771.600 Beschäftigte sind noch einmal ein Zuwachs in diesem Jahr. Und eigentlich muss man sagen, die Politik wäre gut beraten, vielleicht die Steuern auf die Mobilität eher zu senken. Dann wäre das das beste Mobilitäts-, aber auch das beste Konjunkturprogramm.
Der deutsche Automobilmarkt wird sich erst 2004 nachhaltig beleben. Insider rechnen mit einem Wachstum von rund 3,4 Prozent auf dann 3,36 Mio. Neuzulassungen. Alles neu macht der Herbst? Wir werden schon bald erfahren, ob die IAA und ihre vielen Modellpremieren tatsächlich die erhofften Impulse bringen.
Die Verunsicherung der Konsumenten sitzt tief. Arbeitslosenzahlen auf Rekordniveau, die Angst vor dem eigenen Jobverlust und die bangen Fragen über die tatsächlichen Auswirkungen von Steuer-, Gesundheits- und Rentenreform. Alles keine Anreize für Investitionen. Dabei ist die Stimmung oft schlechter als die Wirtschaftsdaten. Doch auch solche Hinweise der Ökonomen zeigen keine durchgreifende Wirkung. Sparen heißt die Devise. Denn wer weiß, was noch kommt?
So ist es kein Wunder, dass die Automobilhersteller das laufende Jahr in Wahrheit längst abgeschrieben haben. Sie setzen nun auf 2004. Bernhard Mattes, Vorstandsvorsitzender der Kölner Ford-Werke AG, zieht eine erste Zwischenbilanz:
Man braucht, glaube ich, kein Prophet sein, um zu sagen, dass das Autojahr 2003 stückzahlenmäßig, was den Gesamtmarkt angeht, annähernd auf Vorjahresniveau enden wird. Wir werden kein Wachstum erleben. Wir werden aber auch keine gravierenden Einbrüche erleben.
So hängt das Wohl und Wehe der hiesigen Automobilindustrie im vierten Jahr hintereinander am Tropf des Exports. Zum Glück fahren Nordamerikaner, Chinesen, Briten, Polen, Tschechen und Russen auf Autos aus Deutschland ab.
Die Exportquote ist inzwischen auf weit über 70 Prozent gestiegen. Das sorgt für insgesamt steigende Produktions- und Absatzzahlen. Ohne die hohe Auslandsnachfrage würde der Konjunkturmotor Automobilindustrie hierzulande schnell ins Stocken geraten.
Wo sieht Professor Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie VdA, im Ausland noch weitere Wachstumschancen:
Viele erwarten, dass ich jetzt vielleicht zunächst sage China. Ja, China hat 79 Prozent Wachstum derzeit. Das ist auch ein Markt der Zukunft. Aber China hat in diesem Jahr 1,6 und im nächsten Jahr vielleicht zwei Millionen. Unsere großen Märkte sind Westeuropa und Nordamerika. Und wir sind sehr zufrieden, dass es uns gelingt, trotz rückläufiger Märkte unsere Position dort nicht nur zu behaupten, zum Teil sogar auszubauen.
Volkswagen setzt neben den USA ebenfalls auf Fernost. Bezogen auf die Menge, so heißt es in der Wolfsburger Konzernzentrale, werde die Region Asien/Pazifik der Treiber sein - und dort wiederum China. In den kommenden fünf bis sieben Jahren schätzt VW das Weltmarktwachstum auf ein bis zwei Prozent im Jahr.
In China haben die Wolfsburger im ersten Halbjahr 2003 über 320.000 Pkw abgesetzt. Das entspricht einem Plus von 52 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. China ist damit zeitweise der größte Markt für den Konzern. Die Strategie heißt Expansion. Das gilt für alle deutschen Hersteller, die ihren Absatz in China in diesem Jahr bislang in Summe noch einmal um 60 Prozent steigern konnten.
Sogar die Edelmarke BMW nimmt den chinesischen Markt ins Visier und sieht dort gute Chancen für ihre Premium-Mobile von Mini bis 7er. Vertriebsvorstand Dr. Michael Ganal verrät:
Wenn wir uns in Prozentzahlen die Märkte anschauen, dann ist China der attraktivste Markt. Wir haben dort enorme Wachstumsraten und mittlerweile auch eine Größe des Marktes, die es uns erlaubt, jetzt mit einer Vorort-Produktion daran teilzunehmen. China ist ganz schnell in den letzten Jahren ein wichtiger Markt für Premium-Automobile geworden. Und dort wiederum das obere Ende der Produktpalette. Es mag überraschend klingen, aber China ist dieses Jahr für BMW, für seine Zwölfzylinder der wichtigste Markt weltweit.
Auch DaimlerChrysler hat sich entschieden, in China im Rahmen eines Joint Ventures eine eigene Produktion aufzubauen.
Doch im Gegensatz zu Asien dümpelt der deutsche Automarkt – mit wenigen Ausnahmen - nach wie vor in der Flaute. Selbst Luxuskarossen, Jahrzehnte aller konjunkturellen Wirren zum Trotz auf der Überholspur unterwegs, verlieren an Fahrt: BMW minus sechs, DaimlerChrysler minus 5,5 Prozent. Für DaimlerChrysler-Vorstand Dr. Michael Schmidt ist das allerdings kein Grund zur Beunruhigung:
Wir haben als Mercedes-Benz als Luxus-Premiummarke in den letzten Jahren Marktanteile erzielt von 12 Prozent. Das ist nicht natürlich. Das ist nicht normal. Und deswegen würde ich diese leichten Rückgänge zum Vorjahr nicht überdramatisch sehen, sondern er als eine Normalisierung.
Auf dem Heimatmarkt holt die Neuauflage des legendären Mini für die BMW Group inzwischen manches Eisen aus dem Feuer. Ohne den Kleinen würden die Bayern in Deutschland an Tempo verlieren. Vertriebsvorstand Ganal:
Wir können auch dieses Jahr zweistellige Zusatzraten melden. Das ist immer im dritten Jahr für ein Automobil im Kleinwagenmarkt ne atypische Entwicklung, ne erfreuliche Entwicklung. Mini hat weiterhin die Funktion, neue Kunden, junge Kunden an die BMW Group heranzuführen. Diese Aufgabe wird mehr denn je sehr gut erfüllt. Mini ist sehr wertvoll für BMW.
Zu den Neuzulassungssiegern auf dem angespannten deutschen Automobilmarkt zählt Porsche. Die Stuttgarter Sportwagenschmiede fährt im In- und Ausland mit hohem Tempo. Vorstandschef Dr. Wendelin Wiedeking nennt die Gründe:
Ein Haus wie Porsche, das mal eine Krise richtig erlebt hat, wir waren ja kurz am Abgrund, hat in den letzten Jahren seine Hausaufgaben gemacht. Wir haben, was Produkte anbelangt, dem Kunden gut zugehört. Wir haben unsere Produkte qualitätsmäßig auf Vordermann gebracht, wir haben Attraktivität erhöht, wir haben die Ausstattung erhöht. Wir haben insgesamt die Preis-/Wertfunktion verbessert. Ein Großstück unseres Erfolgs liegt auch darin, glaube ich, dass wir immer das liefern, was wir versprechen. Wir versprechen nie zu viel, aber wir halten, was wir versprechen. Und das vermisse ich in der Industrie an viel zu vielen Stellen.
Das Gros der Hersteller ist freilich im Leerlauf unterwegs. Und: Die Auftragseingänge sind so niedrig wie seit vielen Jahren nicht mehr. Trotzdem teilt die Branche die Zuversicht von Bundeskanzler Schröder. Der prophezeite bei der IAA-Eröffnung, dass das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform die Pkw-Nachfrage im nächsten Jahr beflügeln werde. Auch VDA-Präsident Bernd Gottschalk blickt optimistisch in Richtung Autojahr 2004:
Wir haben einen Fahrzeugbestand, der so alt ist wie nie zuvor. Im Schnitt 89 Monate. Das heißt ein Jahr über dem langfristigen Schnitt. Anders gesagt: Drei von zehn Fahrzeuge sind älter als zehn Jahre. Das schreit förmlich nach Erneuerung. Zum Zweiten haben wir eine hohe Sparquote. Zum Dritten kommen jetzt die neuen Fahrzeuge, die gut ankommen im Markt. Das sind die Dinge, die wir als Hausaufgabe zu erledigen hatten. Jetzt geht es darum, die Verunsicherung im Markt abzustellen. Jetzt geht es darum, wieder Vertrauen im Markt zu schaffen. Und das richtet sich ganz eindeutig an die Politik.
Mit einer Fülle attraktiver Neuvorstellungen wollen die Autobauer die Kaufzurückhaltung der Deutschen endgültig brechen. Die Internationale Automobil-Ausstellung, zu der bis zum kommenden Sonntag 850.000 Zuschauer erwartet werden, präsentiert nicht weniger als 60 Weltneuheiten. Die Veranstalter sprechen von einem Feuerwerk der Innovationen. Neben wichtigen neuen Volumenmodellen zählen so automobile Leckerbissen wie der neue 6er von BMW, der Sportwagen SLR von DaimlerChrysler oder das Porsche 911 Turbo Cabrio zu den Premieren.
Mit besonderer Spannung wird der Zweikampf zwischen dem erfolgreichsten Auto der Welt und seinem ewigen Verfolger erwartet: VW Golf gegen Opel Astra. Während die fünfte Golf-Generation im Oktober auf den Markt kommt, legen die Rüsselsheimer im Frühjahr 2004 nach. Sie haben sich vorgenommen, dann mit der dritten Auflage des Astra endgültig am Golf vorbeizuziehen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.
Die entscheidende Frage: Welches Auto trifft den Geschmack der Käufer besser?
VW-Vorstand Detlef Wittig ist sicher, dass der Golf V an den grandiosen Erfolg seiner Vorgänger anschließen wird:
Es gibt ja ganz bekannte und traditionelle Stärken des Golfs über alle seine Generationen hinweg. Aber ich denke, dass wir diesmal in dieser neuen Generation sehr deutlich auf zwei Gebieten einen richtigen Sprung nach vorn gemacht haben, zugelegt haben. Und das eine ist, was man optisch sehr gut sehen kann, ein zwar weiterhin unverwechselbarer Golf, aber doch in seiner Linienführung sehr viel dynamischer. Das Zweite, was man zwar nicht auf den ersten Blick sehen kann, ist, dass wir hier mit einer kompletten Überarbeitung des Fahrzeugs, völlig neu im Fahrgestell, völlig neu in den Achsen, insbesondere im Hinterachsbereich ganz moderne zukunftsrichtende Konstruktionen haben, die eine Fahrdynamik, also ein ganz dynamisches Fahrverhalten bringen, das es in der Klasse bisher noch nicht gegeben hat.
Opel hält selbstverständlich dagegen. Vorstandsvorsitzender Carl-Peter Forster setzt mit dem Astra ebenfalls auf Sieg und das mit sehr ähnlichen Argumenten:
Zu Allererst haben wir uns wirklich ins Zeug gelegt, damit er gefällt. Dass das Design gelungen ist. Und alle Rückmeldungen, die wir bisher bekommen haben, belegen, dass das auch wirklich gut ankommt. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl von technischen Highlights zu bieten, modernste Diesel- und modernste Benzinmotoren mit 80 bis 100 bis 200 PS. Und darüber hinaus technische Highlights wie ein elektronisches Fahrwerk, das ESP, ABS und Dämpferverstellung zusammenführt und für ein ganz hervorragendes Fahrverhalten sorgt sowie eine ganze Reihe von anderen technischen Features, die es teilweise in dieser Klasse noch nicht gibt.
Bliebe noch die Frage des Preises. Beim Astra kennt man ihn noch nicht. Beim Golf ist zumindest die Einstiegsversion nicht teurer geworden.
Neben den Volumenmodellen, die im Laufe der Jahre deutlich an Attraktivität gewonnen haben, stürzen sich die Produzenten mit Vehemenz auf die Nischen: Ob Roadsters, Cabriolets, Cross Overs, also Geländewagen, oder Vans jeder Größe - großen Mut zur Lücke beweisen sie alle. Selbst für die Nobelmarke DaimlerChrysler ist ein Leben ohne Nischen inzwischen nicht mehr vorstellbar. Vertriebsvorstand Dr. Joachim Schmidt sagt:
Also Nischen sind unheimlich wichtig. Wir sind hier sicherlich führend, was die Entdeckung und die professionelle dann letztlich Ausnützung der Nischen anbelangt. Das sind sehr erfolgreiche Geschichten, und die werden wir auch weiter fortsetzen. Wir haben deswegen hier auf der IAA ein Fahrzeug vorgestellt, zunächst als Studie CLS, ein viertüriges Coupe, wo man sich gut vorstellt, das auch das eines Tages eine erfolgreiche Marktnische sein wird.
Für die Vertriebsexperten von VW ist der Trend zur Nische nur logisch: Mit dem Sättigungsgrad und der Tatsache, dass inzwischen 500 von 1000 Bürgern Europas ein Auto besitzen, steige der Wunsch nach Individualisierung stark an.
Das maßgeschneiderte Automobil für den jeweiligen Gebrauch oder Lebensabschnitt sei das Thema reifer Märkte. Das erlebe man zur Zeit sehr deutlich.
So habe sich insbesondere der Markt der MPV, der Multi Purpose Vehicles, außerordentlich dynamisch entwickelt. In der Golf-Klasse sei dieses Segment in Europa innerhalb von nur sechs Jahren von 200.000 auf 1,2 Millionen Jahreseinheiten angewachsen. Damit habe es sich versechsfacht. Gerade junge Familien und sportlich aktive Menschen verlangten nach Fahrzeugen mit viel Raum und großen Variationsmöglichkeiten.
Derweil sorgen smart mit dem forfour und Ford mit dem C-Max, einer Großraumlimousine auf Escort-Basis, auf der IAA für viel Beachtung. DaimlerChrysler-Vorstand Schmidt über den neuen smart:
Wir wollen die Marke smart jetzt einfach noch erweitern um ein viersitziges Fahrzeug. Dieses viersitziges Fahrzeug forfour, wie der Name ja deutlich sagt, ist ein Fahrzeug, das die Grundsmartelemente zum Beispiel diese Designsprache der Tridionzelle und die Sicherheitselemente von smart mit überträgt. Und wenn Sie das Fahrzeug dann mal von innen anschauen: Es ist ein richtiger smart. Es ist sehr poppig, es ist sehr witzig und sehr frech.
Mit dem Hang zur Nische entwickeln sich die deutschen Automobilhersteller nach Angaben ihres Verbandes nach und nach zu Full-Range-Anbietern . Wobei ein Ende der Range noch gar nicht abzusehen ist. Pickups zum Beispiel, in den USA besonders beliebt, warten in Europa noch auf ihren Siegeszug. Opel-Chef Forster:
Ich sage dieses Jahrzehnt wird noch sehr stark geprägt werden von sehr viel Konzeptkreativität.
Führt die Nischenstrategie aber nicht zwangsläufig zu hohen Entwicklungs- und Produktionskosten? Bernhard Mattes von Ford hat auf diese Frage eine klare Antwort:
Das muss nicht sein. Wenn sie sich anschauen, dass wir zum Beispiel in Köln eine so flexible Fertigung installiert haben durch unsere Investitionen in das neue Kölner Werk, wo wir absolut dem Kundenbedarf entsprechend vollkommen flexibel Dreitürer- Fiesta, Fünftürer- Fiesta oder aber auch den Fusion als ein neues Fahrzeugkonzept fertigen können. Dann haben wir hier eine optimale bedarfsgerechte Auslastung, die Produktivitätsfortschritte in großem Maße erkennen lassen von Mitte der 70 Prozent zu jetzt 95 Prozent Produktionsauslastung. Das sind Produktivitätsfortschritte, die man damit erzielen kann. Und Gleiches gilt natürlich auch, wenn man Komponenten und Module in verschiedenen Fahrzeugkonzepten zeitgleich und zugleich nutzt. Auch hier muss man die Entwicklungskosten nicht erhöhen, sondern man kann Entwicklungskosten für verschiedene Fahrzeugkonzepte eher dann degressiv nutzen.
Dritter Trumpf im Ärmel der deutschen Automobilindustrie sind die hochmodernen, leistungsstarken und relativ sparsamen Dieselmotoren. Der Anteil an den Neuzulassungen hat die 40-Prozent-Marke fast erreicht. Mit acht und zehn Zylindern ist der Diesel sogar in der Oberklasse salonfähig geworden.
Den Diesel-Boom erklärt Opel-Vorstandsvorsitzender Carl-Peter Forster so:
Die modernen Dieselmotoren, die jetzt angeboten werden, die jetzt von Opel auch angeboten werden, verbinden eigentlich zweierlei Dinge. Nämlich ein Mal Fahrvergnügen. Das sind teilweise Motoren mit hohem Drehmoment. Das heißt, die lassen sich hervorragend fahren. Auf der anderen Seite verbindet sich das mit günstigem Benzinverbrauch. Und ich glaube, gerade die Kombination ist das, was die Kunden so sehr anspricht.
Vertriebsexperten sehen hier durchaus noch weiteres Potenzial und verweisen auf das westeuropäische Ausland. In Österreich liegt der Dieselanteil bei über 70 Prozent, in Belgien und Frankreich nicht weit darunter.
Frei von Kritik ist freilich auch der Diesel nicht.
Während er wegen seines geringen Verbrauchs unbestritten zur deutlichen Reduktion des Kohlendioxidausstoßes beigetragen hat und weiter beiträgt, gerät er wegen seiner Partikelemissionen unter Beschuss. Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland jährlich 14.000 Tote auf Dieselabgase zurückzuführen.
Unverantwortliche Panikmache
, kontert der VDA-Präsident:
Wir haben nur einen Wunsch, dass wie beim Diesel geschehen, nicht mit unverantwortlichen Aktionen ein Aggregat kaputt geredet wird, das zudem noch für die Erfüllung unserer Selbstverpflichtung zum Klimaschutz unentbehrlich ist. Am Diesel hängt zuviel, als dass wir uns ein zweites Dosenpfand leisten könnten.
Beim Dosenpfand hat die deutsche Industrie die Gesetzeslage schlicht ignoriert, beim Diesel unterschätzten die deutschen Hersteller die Kritik von Umweltverbänden oder Verkehrslobbyisten wie dem VCD. Seit Jahren verweisen diese auf französiche Hersteller wie Peugeot. Bereits im Frühjahr des Jahres 2000 führte das Unternehmen mit dem Modell 607 den ersten serienmäßigen Partikelfilter ein. Ein technischer Vorsprung vor den Mitbewerbern. Thomas Schalberger von Peugeot:
Wir haben diese Technik natürlich auch anderen Herstellern angeboten, die dürfen sich da gerne bei uns gegen Geld bedienen. Wir sind die Trendsetter und man sieht: Überall da, wo wir den Filter haben, ist unserer Dieselanteil noch höher als er eh schon bei Peugeot ist. Der Kunde ist dazu bereit mehr zu bezahlen, wenn ihm der Gesetzgeber das per Steuern erleichtert. Und dann zahlt sich das für den Kunden auch noch mal in Heller und Pfennig aus.
Inzwischen rücken immer mehr Hersteller dem Restruß mit Partikelfiltern zu Leibe. DaimlerChrysler-Vorstand Joachim Schmidt zur Dieseldiskussion:
Wir haben, jetzt spreche ich nicht für Mercedes, sondern für die deutschen Automobilhersteller, wir haben den Diesel in den letzten Jahren dramatisch verbessert. Dramatisch. Wir haben den Diesel leiser gemacht, wir haben ihn komfortabler gemacht. Wir haben ihn emissionsärmer gemacht. Und wir haben die Dieselpartikel in den letzten Jahren um 80 Prozent reduziert. Und haben uns dann, so wie die EU uns das vorgeschrieben hat, uns vorbereitet, diese Diesel jetzt auch noch EU4-fähig zu machen ab dem Jahr 2005. Insofern glaube ich, haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Allerdings die Diskussion, die in den letzten Monaten hier stattgefunden hat mit Studien, die aus meiner Sicht mehr als zweifelhaft sind, halte ich nicht für seriös. Wir haben uns trotzdem gestellt und werden sukzessive unsere gesamte Flotte mit Dieselpartikelfiltern ausstatten.
Allerdings mit Aufpreis bei Mercedes. Rücksichten auf die Gesundheit der Menschen auf der Straße muss man in Stuttgart offensichtlich nicht nehmen, weil die Kunden mehrheitlich bereit sind, für einen Rußfilter zu bezahlen. Allerdings lehnen 90 Prozent der Befragten einen Tausch: Rußfilter gegen andere Extras, ab. Die Nachfrage im DaimlerChrysler Konzern nach Dieseln ist so stark, dass auf der IAA ein Deal bekannt gemacht wurde, den es in dieser Dimension noch nie gab: Volkswagen beliefert den Konkurrenten bis zum Jahre 2013 mit 120.000 Dieselmotoren jährlich.
Szenenwechsel: Wegen der nach wie vor angespannten Marktsituation werden die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller nach Einschätzung von Branchenkennern auch in nächster Zeit von eher untergeordneter Bedeutung sein. Parallel zu ihrer Modelloffensive werden sie weiterhin versuchen, die Schnäppchen-Gesellschaft mit Sonderangeboten aus der Reserve zu locken und den Abverkauf ihrer Auslaufmodelle zu fördern. Innerhalb eines Jahres, so Marktforscher, hätten sich die Nachlässe verdoppelt. Die Preisschlacht werde sich fortsetzen, weil die Hersteller mit Überkapazitäten in einem dichter werdenden Markt kämpften.
Diese Strategie birgt auf Dauer freilich auch Risiken. Dazu Frank Brustmann, Vertriebschef von SkodaAuto Deutschland:
Ich glaube, dass die Glaubwürdigkeit beim Verbraucher eigentlich leiden müsste, wenn man davon ausgeht, dass ein Preis in der Preisliste definiert ist, diese Preise durch Eroberungsprämien beziehungsweise Eroberungsgeld in Frage gestellt werden. Ich denke da an einige Wettbewerber, die bis zu 2/3000 Euro Begrüßungsgeld zahlen, Und dann muss man sich als Verbraucher wirklich die Frage stellen, inwieweit der in der Preisliste definierte Wert wirklich seriös ist oder inwieweit man ihn Ernst nehmen muss.
Opel-Chef Forster beurteilt insbesondere die Strategie der Tageszulassungen durch den Markenhandel kritisch. Sie werden gern genutzt, um Marktanteile künstlich zu erhöhen:
Diese Tageszulassungen bedeuten erhebliche Nachlässe, die insbesondere, und das trifft der Kunden dann ganz besonders, die Gebrauchtwagenpreise in den Keller schicken. Das heißt, der Kunde hat dann sehr große Probleme, im Wiederverkauf des Fahrzeugs einen angemessenen Preis zu realisieren. Wir glauben, das ist die falsche Strategie.
Die Hoffnungen, die die Automobilindustrie mit der IAA und dem neuen Autojahr 2004 verbindet, sind mit vielen "Wenn's" verbunden: Wenn sich die Konjunktur wieder belebt. Wenn es wieder mehr Beschäftigung gibt. Wenn auf weitere Abgabenbelastungen verzichtet wird.
Auf welch dünnem Eis die Hoffnungen auf den Aufschwung ruhen, zeigen die harschen Reaktionen der Industrie auf die Kritik am Diesel und die Sommerthemen Dieselsteuer, Pkw-Maut und Entfernungspauschale. Die Nerven liegen blank. Zu groß ist die Sorge, dass die Verbraucher auf Grund neuer Irritationen in ihrer Starre verharren könnten.
Ford-Chef Mattes zeigt Verständnis für das Verhalten der Kunden und appelliert an die Politik:
Das Automobil und die Anschaffung eines Automobils ist ja eine der größten Anschaffungen, die ein Haushalt macht. Und hierzu braucht er gewisse Sicherheiten hinsichtlich der Verwendung seines verfügbaren Einkommens. Und derzeit ist diese Sicherheit hinsichtlich der Zukunft für viele nicht gegeben beziehungsweise nicht kalkulierbar. Der eine oder andere sagt sich, was muss ich zusätzlich aus meinem Haushaltsnettoeinkommen, für die Zukunft, für meine Rente aufbringen? Was muss ich für Gesundheit mehr aufbringen, und was kann ich mir für Mobilität, für das Automobil noch leisten? Da diese Fragen nicht alle geklärt sind, für viele nicht geklärt sind, ist es notwendig, dass wir verlässliche Rahmenbedingungen kriegen, damit auch hier die Konjunktur im Automobilsektor wieder anspringen kann. Ich bin der Auffassung, dass wir die richtigen Ansätze innerhalb der Politik haben, auch die richtigen Ansätze diskutiert werden. Was nun folgen muss, sind Entscheidungen, die dann tatkräftig umgesetzt werden.
VDA-Präsident Bernd Gottschalk ergänzt:
Wir sind eine Schlüsselbranche. Wir haben eine solche Stellung. 771.600 Beschäftigte sind noch einmal ein Zuwachs in diesem Jahr. Und eigentlich muss man sagen, die Politik wäre gut beraten, vielleicht die Steuern auf die Mobilität eher zu senken. Dann wäre das das beste Mobilitäts-, aber auch das beste Konjunkturprogramm.
Der deutsche Automobilmarkt wird sich erst 2004 nachhaltig beleben. Insider rechnen mit einem Wachstum von rund 3,4 Prozent auf dann 3,36 Mio. Neuzulassungen. Alles neu macht der Herbst? Wir werden schon bald erfahren, ob die IAA und ihre vielen Modellpremieren tatsächlich die erhofften Impulse bringen.