Experten stehen bereit, um alle Unklarheiten zu beseitigen: Sie bringen Ordnung ins Leben, Denken und Fühlen - durch Erziehung, Aufklärung, Therapie und Sinnstiftungen. So werden alle normal. "Wenn alle auf der gleichen Straßenseite gehen, muss man die Straßenseite wechseln" - so oder so ähnlich hat es einmal ein kluger Mensch formuliert.
Die philosophischen Zweifler, die Skeptiker, hatten oft ihren Spaß auf der anderen Straßenseite. Sie ließen sich irritieren und irritierten, sie staunten und machten Staunen. Die Skeptiker der Antike hatten das Ziel, sich in der Unsicherheit zu beruhigen, in ihrem Zweifel an Gott und der Welt gelassen und heiter zu werden. Die Zweifler der Moderne leiden lieber: "Die Skepsis, die nicht zur Zerrüttung unserer Gesundheit beiträgt, ist nur ein intellektuelles Exerzitium", schreibt Cioran. Doch trifft man auf der einen Straßenseite heitere, gelassene oder nicht minder zufriedene leidende Menschen, sollte man - vielleicht - doch die Straßenseite wechseln.
"Das Innehalten ist unpopulär immer dann, wenn wir unsicher sind, wenn wir zweifeln. Dann tritt diese Handlungsverzögerung ein, die man mit dem Begriff des Zögerns und Zauderns umschreiben kann. Und dieses Zögern und Zaudern ist eben auch etwas ganz Wichtiges, weil die Qualität menschlicher Handlungen nicht daran gemessen werden kann, wie schnell und spontan und sozusagen im Reflex sie erfolgen, sondern wie viel Reflexionszeit, wie viel Innehalten sie gebraucht haben","
meint der Kulturwissenschaftler Thomas Macho.
Über Thomas Macho Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde 1976 mit einer Dissertation über die "Dialektik des musikalischen Kunstwerks" an der Universität Wien promoviert. Er habilitierte sich 1983 in Klagenfurt für das Fach Philosophie mit einer Schrift "Von den Metaphern des Todes. Eine Phänomenologie der Grenzerfahrung". Macho ist Mitbegründer des "Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik" und war 2006 bis 2008 Dekan der Philosophischen Fakultät III.
Prof. Dr. Thomas Macho - Lehrstuhl für Kulturgeschichte - Kulturwissenschaftliches Seminar Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Thomas Macho - Universität der Künste Berlin
""Der Zweifel ist nicht populär. Von daher scheint es eine legitime oder sogar notwendige Aufgabe von Philosophie zu sein, an den Zweifel zu erinnern, den Zweifel populär zu machen."
Andreas Urs Sommer ist ein skeptischer Philosoph, der ein alltagstaugliches Buch über "Die Kunst des Zweifels" geschrieben hat.
Über Andreas Urs Sommer: Die Kunst des Zweifelns, Anleitung zum skeptischen Denken, 2008 Beck Gedankenreisen - Intelligente Unterhaltung für unterwegs: Die philosophische Skepsis ist eine Form der Lebenskunst, die in unserer auf Gewissheit versessenen Zeit in Vergessenheit geraten ist. Demgegenüber zeigt dieses Buch, dass das skeptische Philosophieren mit seiner Vorliebe für die Vorläufigkeit neue Freiräume des Urteilens und Handelns eröffnet. Der Autor führt in 33 Lektionen zu alltäglichen Themen wie Geld und Reisen, Politik und Religion, Gesundheit und Liebe allgemeinverständlich in die Kunst des Zweifelns ein. Am Ende jeder Lektion wird der Leser eingeladen, in Gedankenexperimenten den Zweifel einzuüben. Ein hochwirksames Gegengift gegen die falschen Sicherheits- und Glücksversprechen, denen wir täglich ausgesetzt sind.
Andreas Urs Sommer - Universität Freiburg
Andreas Urs Sommer - Wikipedia
"Zweifel an der Political Correctness ist in meinem Falle ein fast zu harmloser Begriff. Ich bin schon eher verzweifelt über die Leichtigkeit, in der sich dieses Phänomen gerade in intellektuellen Kreisen ausbreitet. Bei Intellektuellen sollte man ja vermuten, dass sie schon von Berufs wegen derartige Denkmoden hinterfragen und eine gewisse Immunität gegen den Konformismuszwang aufbringen. Aber gerade da erweisen sich die Intellektuellen heute als überhaupt nicht skeptisch, als überhaupt nicht zweifelnd, sondern ganz im Gegenteil, sie sind extrem affirmativ."
Prof. Nobert Bolz will mit seinen provokanten Büchern für Zweifel und Widerspruch sorgen und wird als Reaktionär attackiert, auch deshalb, weil er als, wie er sagt, "religiös Unmusikalischer" der heutigen Gesellschaft "Religion" empfiehlt.
Norbert Bolz ist ein deutscher Medien- und Kommunikationstheoretiker sowie Designwissenschaftler. Er lehrt als Professor an der TU Berlin.
Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau, 2009 Fink (Wilhelm) Die Linke hat wieder Konjunktur. Sie spricht nicht mehr von Klassengesellschaft, sondern von der Neuen Ungleichheit und verweist auf die Pornographie des exzessiven Reichtums zwischen Beverly Hills und Moskau einerseits, die stillen Leiden der Kinderarbeit und der Hartz IV-Existenz andererseits. Mehr Gleichheit durch Umverteilung scheint deshalb die selbstverständlichste politische Forderung zu sein. Und in der Tat hat sich die moderne Gesellschaft durch die Mächte der guten Gleichheit entfaltet: Wissenschaft und Technik, gleiches Recht und Bildung für alle, städtisches Leben und staatliche Organisation.
Nüchtern betrachtet, kann Gleichheit unter modernen Lebensbedingungen aber nur heißen: Inklusion, die Möglichkeit der Teilnahme an den sozialen Systemen. Und wer alle integrieren will, muss auf die Gleichheit aller verzichten. Egalitarismus ist eine Anleitung zum Unglücklichsein. Wir können das gute Leben, das uns die moderne Gesellschaft ermöglicht, nicht leben, solange wir noch an Rousseau glauben. Die größte Gefahr für die moderne Welt geht nicht von denen aus, die asozial sind, sondern von denen, die zu sozial sind. Es gibt keine gerechte Gesellschaft.
Norbert Bolz - Wikipedia
"Ja, das ist eine der schwierigsten Fragen der Philosophiegeschichte. Ich halte sie für - offen gestanden, ich habe mich Jahrzehnte damit herum geschlagen - für die schwierigste Frage der Philosophie, die dann auch nur Paradoxien zugänglich ist, die Logik des A gleich A, die ist im Falle von Nichts nicht anwendbar. Es treibt einen um und eindeutige Antworten gibt es nicht. Nichts - das einzige, was man darüber sagen kann, ist nichts. Aber: Wenn Nichts nichts ist, dann ist es nicht - oder? Also da ist man, äh, von Anfang an in Paradoxien, die in der Philosophiegeschichte dann dazu geführt haben, den Nichtsbegriff insgesamt zu verwerfen."
Prof. Ludger Lütkehaus ist Philosoph und Literaturwissenschaftler und ausgewiesener Nichts-Experte.
"Alles fühlt sich so an wie vorher. Und wenn die Simulation perfekt ist, schmeckt das Steak so wie es schmecken sollte, nämlich gut. Beunruhigend wird die Sache, wenn wir uns fragen, ob wir mit anderen Menschen in Kontakt stehen. Man könnte - als Opfer der Computersimulation - alleine sein. Es könnte ja sein, dass alle anderen menschlichen Körper bloß simuliert sind und dass sie nicht mit einem Geist verknüpft sind und nicht mit einer Seele verknüpft sind. Dann wären wir ganz alleine im Universum und das wäre schon sehr beunruhigend, insbesondere dann, wenn man sich gerade verliebt hat."
Ob den Philosophieprofessor Olaf L. Müller eine Verliebtheit beunruhigt hat - auch Philosophieprofessoren können sich verlieben und so etwas kann sich bekanntlich bei allen Menschen sehr produktiv auswirken - das haben wir ihn nicht gefragt, aber einiges andere.
Olaf Müller beschäftigt sich an der Humboldt-Universität Berlin jedenfalls damit, womit sich Sciencefiction-Filme wie "Matrix" - Teil eins bis drei - herumschlugen, nämlich mit der uralten philosophischen Frage, ob nicht alle unsere Erlebnisse und Eindrücke der Welt vorgetäuscht, simuliert, gefakt sind, und zwar nicht von einem teuflischen Dämon, sondern von einem nicht minder teuflischen Computer.
Auszug aus dem Manuskript:
Der Surrealist André Breton schrieb diese "Ode an Charles Fourier", einem Abweichler des frühen 19. Jahrhunderts, der unter dem Label "Frühsozialist" mit den "Spätsozialisten Marx, Engels, Lenin in der historischen Versenkung verschwand. Charles Fourier erhob zu seinem Prinzip:
"Die absolute Abweichung, der absolute Zweifel, der absolute Riss."
Dr. Martin Burckhardt: "Auf meiner Seite, absolute Begeisterung, weil es wirklich in der Geschichte der Utopie kaum jemanden gibt, der mit dieser Gradlinigkeit und Unbeirrtheit vertrauten Boden verlässt. Es ist wirklich wie ein Amerikafahrer des Kopfes, der sagt, ich gehe auf ein neues Meer, ich verlasse bestimmte Fundamente - zum Beispiel das Fundament der Familie und verbiete mir alles, was bekannt ist, zu akzeptieren."
Der Kulturtheoretiker Martin Burckhardt gab einige Texte von Fourier neu heraus.
Dr. Martin Burckhardt: "Fourier bezweifelt alle gesellschaftlichen Institutionen. Er sieht sie als eine Art von Blendwerk, die das Eigentliche, das, worauf es ankommt, überkleistert, zusammenschmiert. Und das, worauf es ankommt - und das ist eine sehr bizarre Geschichte - ist der Orgasmus der Frau, das Begehren, die Lust."
Martin Burckhardt: Eine kleine Geschichte der großen Gedanken. Wie die Philosophie unsere Welt erfand. 2008 DuMont Buchverlag Wenn wir an einem Schulhaus oder einem Gerichtsgebäude vorbeigehen, einem Polizisten begegnen oder auf die Uhr schauen, finden wir das völlig selbstverständlich. Doch wie sind diese Dinge eigentlich in unsere Welt gekommen? Sie waren einmal nichts anderes als Ideen. Martin Burckhardt erzählt uns die Geschichten hinter all jenen Wirklichkeit gewordenen Gedanken. Und so erfährt man, dass der Polizist nur deshalb so heißt, weil die alten Griechen einen Stadtstaat (zum Beispiel Athen) Polis nannten, dass die Vorläufer unseres Münzgelds Fleischspieße waren und was die Demokratie mit dem Alphabet zu tun hat. Verständlich und amüsant zeigt der Autor, wie die Philosophie unseren Alltag bestimmt
Über Dr. Martin Burckhardt: Martin Burckhardt, ist freier Autor, Audiokünstler und Kulturtheoretiker. Er lebt in Berlin und ist als Dozent an der Humboldt-Universität und an der FU Berlin tätig. Er verfasste zahlreiche Hörstücke und Essays.
Homepage - Martin Burckhardt
Die philosophischen Zweifler, die Skeptiker, hatten oft ihren Spaß auf der anderen Straßenseite. Sie ließen sich irritieren und irritierten, sie staunten und machten Staunen. Die Skeptiker der Antike hatten das Ziel, sich in der Unsicherheit zu beruhigen, in ihrem Zweifel an Gott und der Welt gelassen und heiter zu werden. Die Zweifler der Moderne leiden lieber: "Die Skepsis, die nicht zur Zerrüttung unserer Gesundheit beiträgt, ist nur ein intellektuelles Exerzitium", schreibt Cioran. Doch trifft man auf der einen Straßenseite heitere, gelassene oder nicht minder zufriedene leidende Menschen, sollte man - vielleicht - doch die Straßenseite wechseln.
"Das Innehalten ist unpopulär immer dann, wenn wir unsicher sind, wenn wir zweifeln. Dann tritt diese Handlungsverzögerung ein, die man mit dem Begriff des Zögerns und Zauderns umschreiben kann. Und dieses Zögern und Zaudern ist eben auch etwas ganz Wichtiges, weil die Qualität menschlicher Handlungen nicht daran gemessen werden kann, wie schnell und spontan und sozusagen im Reflex sie erfolgen, sondern wie viel Reflexionszeit, wie viel Innehalten sie gebraucht haben","
meint der Kulturwissenschaftler Thomas Macho.
Über Thomas Macho Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde 1976 mit einer Dissertation über die "Dialektik des musikalischen Kunstwerks" an der Universität Wien promoviert. Er habilitierte sich 1983 in Klagenfurt für das Fach Philosophie mit einer Schrift "Von den Metaphern des Todes. Eine Phänomenologie der Grenzerfahrung". Macho ist Mitbegründer des "Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik" und war 2006 bis 2008 Dekan der Philosophischen Fakultät III.
Prof. Dr. Thomas Macho - Lehrstuhl für Kulturgeschichte - Kulturwissenschaftliches Seminar Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Thomas Macho - Universität der Künste Berlin
""Der Zweifel ist nicht populär. Von daher scheint es eine legitime oder sogar notwendige Aufgabe von Philosophie zu sein, an den Zweifel zu erinnern, den Zweifel populär zu machen."
Andreas Urs Sommer ist ein skeptischer Philosoph, der ein alltagstaugliches Buch über "Die Kunst des Zweifels" geschrieben hat.
Über Andreas Urs Sommer: Die Kunst des Zweifelns, Anleitung zum skeptischen Denken, 2008 Beck Gedankenreisen - Intelligente Unterhaltung für unterwegs: Die philosophische Skepsis ist eine Form der Lebenskunst, die in unserer auf Gewissheit versessenen Zeit in Vergessenheit geraten ist. Demgegenüber zeigt dieses Buch, dass das skeptische Philosophieren mit seiner Vorliebe für die Vorläufigkeit neue Freiräume des Urteilens und Handelns eröffnet. Der Autor führt in 33 Lektionen zu alltäglichen Themen wie Geld und Reisen, Politik und Religion, Gesundheit und Liebe allgemeinverständlich in die Kunst des Zweifelns ein. Am Ende jeder Lektion wird der Leser eingeladen, in Gedankenexperimenten den Zweifel einzuüben. Ein hochwirksames Gegengift gegen die falschen Sicherheits- und Glücksversprechen, denen wir täglich ausgesetzt sind.
Andreas Urs Sommer - Universität Freiburg
Andreas Urs Sommer - Wikipedia
"Zweifel an der Political Correctness ist in meinem Falle ein fast zu harmloser Begriff. Ich bin schon eher verzweifelt über die Leichtigkeit, in der sich dieses Phänomen gerade in intellektuellen Kreisen ausbreitet. Bei Intellektuellen sollte man ja vermuten, dass sie schon von Berufs wegen derartige Denkmoden hinterfragen und eine gewisse Immunität gegen den Konformismuszwang aufbringen. Aber gerade da erweisen sich die Intellektuellen heute als überhaupt nicht skeptisch, als überhaupt nicht zweifelnd, sondern ganz im Gegenteil, sie sind extrem affirmativ."
Prof. Nobert Bolz will mit seinen provokanten Büchern für Zweifel und Widerspruch sorgen und wird als Reaktionär attackiert, auch deshalb, weil er als, wie er sagt, "religiös Unmusikalischer" der heutigen Gesellschaft "Religion" empfiehlt.
Norbert Bolz ist ein deutscher Medien- und Kommunikationstheoretiker sowie Designwissenschaftler. Er lehrt als Professor an der TU Berlin.
Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau, 2009 Fink (Wilhelm) Die Linke hat wieder Konjunktur. Sie spricht nicht mehr von Klassengesellschaft, sondern von der Neuen Ungleichheit und verweist auf die Pornographie des exzessiven Reichtums zwischen Beverly Hills und Moskau einerseits, die stillen Leiden der Kinderarbeit und der Hartz IV-Existenz andererseits. Mehr Gleichheit durch Umverteilung scheint deshalb die selbstverständlichste politische Forderung zu sein. Und in der Tat hat sich die moderne Gesellschaft durch die Mächte der guten Gleichheit entfaltet: Wissenschaft und Technik, gleiches Recht und Bildung für alle, städtisches Leben und staatliche Organisation.
Nüchtern betrachtet, kann Gleichheit unter modernen Lebensbedingungen aber nur heißen: Inklusion, die Möglichkeit der Teilnahme an den sozialen Systemen. Und wer alle integrieren will, muss auf die Gleichheit aller verzichten. Egalitarismus ist eine Anleitung zum Unglücklichsein. Wir können das gute Leben, das uns die moderne Gesellschaft ermöglicht, nicht leben, solange wir noch an Rousseau glauben. Die größte Gefahr für die moderne Welt geht nicht von denen aus, die asozial sind, sondern von denen, die zu sozial sind. Es gibt keine gerechte Gesellschaft.
Norbert Bolz - Wikipedia
"Ja, das ist eine der schwierigsten Fragen der Philosophiegeschichte. Ich halte sie für - offen gestanden, ich habe mich Jahrzehnte damit herum geschlagen - für die schwierigste Frage der Philosophie, die dann auch nur Paradoxien zugänglich ist, die Logik des A gleich A, die ist im Falle von Nichts nicht anwendbar. Es treibt einen um und eindeutige Antworten gibt es nicht. Nichts - das einzige, was man darüber sagen kann, ist nichts. Aber: Wenn Nichts nichts ist, dann ist es nicht - oder? Also da ist man, äh, von Anfang an in Paradoxien, die in der Philosophiegeschichte dann dazu geführt haben, den Nichtsbegriff insgesamt zu verwerfen."
Prof. Ludger Lütkehaus ist Philosoph und Literaturwissenschaftler und ausgewiesener Nichts-Experte.
"Alles fühlt sich so an wie vorher. Und wenn die Simulation perfekt ist, schmeckt das Steak so wie es schmecken sollte, nämlich gut. Beunruhigend wird die Sache, wenn wir uns fragen, ob wir mit anderen Menschen in Kontakt stehen. Man könnte - als Opfer der Computersimulation - alleine sein. Es könnte ja sein, dass alle anderen menschlichen Körper bloß simuliert sind und dass sie nicht mit einem Geist verknüpft sind und nicht mit einer Seele verknüpft sind. Dann wären wir ganz alleine im Universum und das wäre schon sehr beunruhigend, insbesondere dann, wenn man sich gerade verliebt hat."
Ob den Philosophieprofessor Olaf L. Müller eine Verliebtheit beunruhigt hat - auch Philosophieprofessoren können sich verlieben und so etwas kann sich bekanntlich bei allen Menschen sehr produktiv auswirken - das haben wir ihn nicht gefragt, aber einiges andere.
Olaf Müller beschäftigt sich an der Humboldt-Universität Berlin jedenfalls damit, womit sich Sciencefiction-Filme wie "Matrix" - Teil eins bis drei - herumschlugen, nämlich mit der uralten philosophischen Frage, ob nicht alle unsere Erlebnisse und Eindrücke der Welt vorgetäuscht, simuliert, gefakt sind, und zwar nicht von einem teuflischen Dämon, sondern von einem nicht minder teuflischen Computer.
Auszug aus dem Manuskript:
Der Surrealist André Breton schrieb diese "Ode an Charles Fourier", einem Abweichler des frühen 19. Jahrhunderts, der unter dem Label "Frühsozialist" mit den "Spätsozialisten Marx, Engels, Lenin in der historischen Versenkung verschwand. Charles Fourier erhob zu seinem Prinzip:
"Die absolute Abweichung, der absolute Zweifel, der absolute Riss."
Dr. Martin Burckhardt: "Auf meiner Seite, absolute Begeisterung, weil es wirklich in der Geschichte der Utopie kaum jemanden gibt, der mit dieser Gradlinigkeit und Unbeirrtheit vertrauten Boden verlässt. Es ist wirklich wie ein Amerikafahrer des Kopfes, der sagt, ich gehe auf ein neues Meer, ich verlasse bestimmte Fundamente - zum Beispiel das Fundament der Familie und verbiete mir alles, was bekannt ist, zu akzeptieren."
Der Kulturtheoretiker Martin Burckhardt gab einige Texte von Fourier neu heraus.
Dr. Martin Burckhardt: "Fourier bezweifelt alle gesellschaftlichen Institutionen. Er sieht sie als eine Art von Blendwerk, die das Eigentliche, das, worauf es ankommt, überkleistert, zusammenschmiert. Und das, worauf es ankommt - und das ist eine sehr bizarre Geschichte - ist der Orgasmus der Frau, das Begehren, die Lust."
Martin Burckhardt: Eine kleine Geschichte der großen Gedanken. Wie die Philosophie unsere Welt erfand. 2008 DuMont Buchverlag Wenn wir an einem Schulhaus oder einem Gerichtsgebäude vorbeigehen, einem Polizisten begegnen oder auf die Uhr schauen, finden wir das völlig selbstverständlich. Doch wie sind diese Dinge eigentlich in unsere Welt gekommen? Sie waren einmal nichts anderes als Ideen. Martin Burckhardt erzählt uns die Geschichten hinter all jenen Wirklichkeit gewordenen Gedanken. Und so erfährt man, dass der Polizist nur deshalb so heißt, weil die alten Griechen einen Stadtstaat (zum Beispiel Athen) Polis nannten, dass die Vorläufer unseres Münzgelds Fleischspieße waren und was die Demokratie mit dem Alphabet zu tun hat. Verständlich und amüsant zeigt der Autor, wie die Philosophie unseren Alltag bestimmt
Über Dr. Martin Burckhardt: Martin Burckhardt, ist freier Autor, Audiokünstler und Kulturtheoretiker. Er lebt in Berlin und ist als Dozent an der Humboldt-Universität und an der FU Berlin tätig. Er verfasste zahlreiche Hörstücke und Essays.
Homepage - Martin Burckhardt