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Alles schaut auf Syrien

Eigentlich sollte sich der G8-Gipfel um Wirtschaftsthemen drehen. Doch nach der Entscheidung von US-Präsident Barack Obama, in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen und die Rebellen bewaffnen zu wollen, hat das Ministertreffen einen neuen, konfliktträchtigen Schwerpunkt.

Von Jochen Spengler |
    Während des heutigen Abendessens werden die acht Staats- und Regierungschefs ganz unter sich sein, um über Syrien zu beraten. Der britische Gastgeber David Cameron dringt auf eine Friedenskonferenz und eine Übergangsregierung.

    "In der Welt heute gibt es einen brutalen Diktator, der vor unseren Augen Chemiewaffen einsetzt in einem Konflikt, in dem schon fast 100.000 Menschen ums Leben kamen. Deswegen ist es wichtig, dass wir mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um alles zu tun, dem ein Ende zu machen."

    Doch dafür hat niemand eine Patentlösung. Deutschland warnt davor, die Rebellen mit Waffen zu versorgen, die leicht in falsche Hände fallen könnten. Premierminister Cameron begrüßt zwar die Ankündigung des US-Präsidenten, müsste aber die Bewaffnung der syrischen Opposition vom eigenen, skeptischen Parlament absegnen lassen. Und Russlands Präsident Wladimir Putin steht an der Seite des von ihm aufgerüsteten Assad-Regimes und hält die Giftgasbeweise, die ihm präsentiert werden sollen, bislang nicht für stichhaltig.

    Auch ohne das Thema Syrien ist die Tagesordnung des Treffens in der weiträumig abgeschirmten nordirischen Provinz ehrgeizig; bindende Beschlüsse sind allerdings nicht zu erwarten.

    "Als G8-Vorsitz hat man die Chance, wichtige Dinge anzuschieben und globales Handel zu bündeln. Wir haben da schon Erfolge erreicht, aber ich hoffe auf weitere Fortschritte auf dem Gipfel selbst."

    So will Cameron in Eniskillen die Pläne für das geplante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen vorantreiben.

    Im Mittelpunkt morgen steht der Kampf gegen Steueroasen, Steuervermeidung und -hinterziehung. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt den britischen Ansatz ohne Abstriche:

    "Auf jeden Fall; David Cameron als Gastgeber hat das auf die Tagesordnung gesetzt. Es gibt sehr gute Vorbereitungen und vor allen Dingen hat die OECD uns neue Regeln vorgestellt; wenn wir die einhalten, dann können wir es schaffen, dass diese Briefkastenfirmen nicht mehr attraktiv sind für Steuerflucht."

    Geplant sind neue Regeln, um die Gewinnverlagerungen internationaler Unternehmen zu erschweren; außerdem sollen sich die Staaten automatisch informieren über Bankkunden, Anlagen und Zinsen; als hoffnungsvolles Zeichen wird gewertet, dass es Cameron vorgestern gelungen ist, britische Steuerparadiese zu Zugeständnissen zu bewegen.

    "Es ist wichtig, Ordnung im eigenen Haus zu schaffen. Was Kronbesitztümer wie Jersey oder die Isle of Man oder Überseegebiete wie die Cayman-Inseln unterzeichnet haben, das sind die neuen Standards für den steuerlichen Informationsaustausch. Das ist entscheidend und ein großer Schritt vorwärts."

    Cameron plädiert außerdem für neue nationale Register, aus denen hervorgeht, wem ein Unternehmen wirklich gehört. So sollen Briefkastenfirmen enttarnt werden, was notwendig ist, um Korruption, Gewinnverschleierung und Geldwäsche zu unterbinden.

    Mehr Transparenz liegt nicht nur im Interesse der reichen G8, sondern vor allem der Entwicklungsländer. Ihnen entgeht durch Steuerhinterziehung dreimal mehr Geld, als sie insgesamt an Entwicklungshilfe bekommen.

    Die G8 wollen auch darauf dringen, dass offengelegt wird, wer in den Entwicklungsländern Land aufkauft und an der Ausbeutung von Rohstoffen wie viel verdient.

    Zu guter Letzt dient ein Gipfeltreffen wie G8 immer auch dem Gastgeber als Gelegenheit, die Aufmerksamkeit der Welt auf das eigene Land zu lenken. Cameron erinnerte an die Vergangenheit der Unruheprovinz:

    "Offen gesagt: vor 10 oder gar 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, einen G8 Gipfel in Nordirland abzuhalten. Und ich bin wirklich stolz, diesen außergewöhnlichen Teil unseres Landes zu präsentieren. Wir wollen der Welt zeigen: Dies ist ein moderner, dynamischer Teil des Vereinigten Königreichs – offen für Geschäfte, für Investitionen und ein großartiger Ort für Besuche."