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Alles synchron

Microsoft hat diese Woche eine neue Online-Plattform namens "Live Mesh" vorgestellt. Über den neuen, internetbasierten Dienst können Nutzer ihre Daten auf verschiedenen Geräten wie PC, Notebook und Mobiltelefon miteinander abgleichen und synchronisieren.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Markus Schuler |
    Manfred Kloiber: Für die Öffentlichkeit ist Live Mesh wohl ab Herbst verfügbar. Marcus Schuler, Microsoft setzt anscheinend stärker wieder aufs Internet, ist das eine Abkehr von bisherigen Strategien?

    Markus Schuler: Ich glaube das ist so. Live Mesh ist für Microsoft ein fast schon als revolutionär zu beschreibender Schritt. Denn das Software-Unternehmen setzt damit nicht mehr auf den PC und sein Betriebssystem als Kern und Mittelpunkt, sondern - man höre und staune – auf das Internet. In einem internen Schreiben, aus dem die New York Times diese Woche zitiert, erklärt Ray Ozzie, das ist der oberste Software-Entwickler bei Microsoft, sinngemäß das Internet zum Dreh- und Angelpunkt. Noch vor einem Jahr hatte Microsoft-Mitbegründer Bill Gates in einem Interview bei CNN genau das Gegenteil gesagt und den PC als Mittelpunkt allen Schaffens bezeichnet.

    Kloiber: Was genau ist denn Live Mesh, was kann es?

    Schuler: Live Mesh ist Cloud Computing in klassischem Sinne. Heißt, Datenspeicher und Anwendungen werden ins Internet verlagert, auf eine oder mehrere Serverfarmen, die irgendwo auf der Welt stehen. Hunderttausende Nutzer teilen sich damit Rechnerkapazität und Speicherplatz. Live Mesh soll, so die Vorstellung von Microsoft, in der ersten Phase eine Austauschplattform sein. Heißt: Via Live Mesh lassen sich Datenbestände auf verschiedenen Geräten wie Mobiltelefon, Notebook, Desktop-PC bis hin zur X-Box oder dem Zune-Player automatisch zusammenbringen und abgleichen. Anfangs spendiert Microsoft fünf Gigabyte kostenlosen Speicherplatz. Und das Ganze wird übers Internet gesteuert. Live Mesh soll aber noch mehr können. Microsoft-Entwicklungschef Ray Ozzie:

    "Es ermöglicht die zentrale Überwachung aller Geräte und liefert Statusberichte. Einstellungen an allen angeschlossenen Geräten können beliebig repliziert werden. Daten zwischen den Geräten werden fortwährend ausgetauscht, sogar RSS-Feeds werden abgeglichen. Anwendungen können nicht nur konfiguriert werden, sondern es lassen sich auch deren Lizenzen zwischen den Geräten übertragen."

    Kloiber: Stichwort Cloud Computing. Amazon, Salesforce aber vor allem Google sind auf diesem Gebiet sehr aktiv und unterhalten riesige Datencenter. Microsoft will diesen Firmen offenbar das Feld nicht alleine überlassen.

    Schuler: Genau das ist der Fall. Man kann es vielleicht noch mehr verallgemeinern: Bei den Betriebssystemen gibt es Unix, Windows und Apple. Daran wird sich in den nächsten Jahren auch nicht viel ändern. Bei der Suche im Internet gibt es Google. Dann - mit Abstand - Yahoo und Microsoft. Dank zunehmender Bandbreiten im Internet sowohl in Europa, Teilen von Asien und in den USA wird die zentrale Speicherung von Daten und die Nutzung zentraler Rechnerkapazitäten immer einfacher und ein zunehmend interessantes Geschäftsfeld. Google ist hier die Nummer eins. Es tut alles, um mit seinen Anwendungen die Nutzer an sich zu binden, in dem es online abgespeckte Textverarbeitung, Tabellen-Kalkulation oder andere Dienste wie Online-Speicher kostenfrei zur Verfügung stellt. Dadurch wird natürlich das Geschäftsmodell von Microsoft, das bislang auf die lokale Datenverarbeitung fokussiert war, infrage gestellt. Und deshalb setzt Microsoft nun auch auf das Cloud Computing.

    Kloiber: Microsoft geht jetzt genau Weg aus der umgekehrten Richtung, die Menschen sollen an Windows gebunden werden, damit sie nicht bei Google landen?

    Schuler: Ganz genau. Wenn die Nutzer schon verstärkt Dienste Online in Anspruch nehmen wollen, dann binde ich sie doch direkt an mich, sagt sich Microsoft. Heißt: Live Mesh muss so attraktiv werden, damit die Leute gar nicht mehr zu Google abwandern wollen. Microsoft baut damit eine eigene Insel, wie sie Google bereits mit all seinen Diensten längst erfolgreich geschaffen hat.

    Kloiber: Aber wohl nur für diejenigen, die ein Microsoft-Betriebssystem oder Microsoft Hardware wie die Spielekonsole X-Box oder den MP3-Player Zune besitzen.

    Schuler: In der Anfangsphase soll das so sein. Microsoft will Live Mesh aber – auch das ist für das Redmonder Unternehmen eine Besonderheit – nicht nur für Apple öffnen, sondern auch für mobile Endgeräte mit anderen Betriebssystemen.

    Kloiber: Auch die Frage nach den Kosten des neuen Dienstes dürfte sich vermutlich erübrigen.

    Schuler: Wenn Microsoft mit Google mithalten will, dann müssen große Teile von Live Mesh natürlich kostenlos sein. Anders wäre der neue Dienst nicht zu vermitteln, denn die User haben ja schon für die Microsoft-Software bezahlt.

    Kloiber: Der Vorsprung von Google scheint auf diesem Feld dennoch uneinholbar?

    Schuler: Das mag schon sein. Aber andererseits: Die Mehrzahl der Personal-Computer läuft mit einem Microsoft-Betriebssystem. Wenn es Microsoft gelingt, die Nutzer dort direkt abzuholen, wäre die Vormachtstellung von Google beim Cloud Computing vielleicht zunächst gebremst. Es sei denn, Google bringt ein eigenes, einfaches, vermutlich Linux-basiertes Betriebssystem auf den Markt. Das wäre, so glaube ich, die logische Konsequenz.