Die Aussichten für den Einzug ins Kanzleramt scheinen gut, falls der Bundespräsident Neuwahlen zustimmen wird. Wenn man daran glauben will, dass es sich bei derartigen Karrieren nicht um austauschbare Charaktere, sondern um "Persönlichkeiten" handelt, die auch als Person Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen imstande sind, dann ruft ein derartiger Aufstieg zur "Führungspersönlichkeit" natürlich Biografen auf den Plan.
Gerd Langguth ist so einer, der überdies die CDU von innen bestens kennt. Einst RCDS-Vorsitzender, Bundestagsabgeordneter, Bundesvorstandsmitglied, zweimal Mitglied in Grundsatzprogrammkommissionen - um nur einige der wichtigsten Parteiämter zu nennen -, ist er heute Professor für Politikwissenschaften in Bonn. Renate Färber-Husemann über Gerd Langguths Merkel-Biografie:
Es hätte auch schief gehen können: Gerd Langguth, Politologe mit Professur an der Universität Bonn, einst CDU-Bundestagsabgeordneter und als ehemaliges Vorstandsmitglied der Partei Insider, hat eine Biografie über Angela Merkel geschrieben. Doch er ist nicht der Versuchung erlegen, mit seiner Vorsitzenden allzu milde umzugehen. Das Buch, analytisch, meinungsfreudig, sehr sorgfältig und abwägend, ist ein Muss für alle, die sich gründlicher mit dieser vielleicht ersten Kanzlerin Deutschlands beschäftigen wollen.
Am besten ist der Autor, wenn er die Nach-Wende-Politikerin beschreibt. Da steht er auf festem Boden. Was die CDU aus ihr und sie aus der CDU gemacht hat, das kann er beurteilen. Bei den DDR-Kapiteln ist er mal übervorsichtig, mal allzu spekulativ. Eine "Sphynx” hat Langguth die Vorsitzende einmal genannt. Und obwohl er mit 140 Menschen aus Angela Merkels Vergangenheit und Gegenwart gesprochen und ein sehr ausführliches Interview mit ihr geführt hat, ist Ratlosigkeit spürbar, wenn es um die Einschätzung des Menschen Angela Merkel geht:
"Schwierig. Ich glaube, dass Frau Merkel so etwas ist, was ich mal in einer früheren Veröffentlichung als Politoholic bezeichnet habe. Ein Mensch, der völlig aufgeht in der Politik. Gerade weil sie sich in der Politik beweisen will, ordnet sie auch einen Großteil ihres gesamten Privatlebens dem unter, muss das selbstverständlich auch tun. Sie ist nur schwer in der Lage, auch eine menschliche Wärme überzubringen. Und das wird ihr wahrscheinlich auch so schnell nicht gelingen."
Einen großen Teil der Gespräche hat Langguth mit Weggefährten aus den ersten 35 Jahren ihres Lebens in der DDR geführt. Immer wieder hat er von Lehrern, einstigen Freunden und Mitschülern gehört: Sie war begabt, sie war fleißig, sie war ein netter Kumpel, sie war unauffällig, sie wirkte nicht wie eine künftige Führungspersönlichkeit. Eine Erklärung für ihren politischen Ehrgeiz, der in der von ihr ungeliebten DDR brach lag, sucht und findet Langguth in ihrem Elternhaus. Der Vater, ein Pastor, eine einflussreiche, dem SED-Regime nahe stehende Persönlichkeit, ein in der Kirche sehr umstrittener Intellektueller, habe sie extrem gefordert. Ihr rasanter Aufstieg sei, so Langguths kühne Deutung, mit der Emanzipation vom übermächtigen, in das Regime verstrickten Vater zu erklären:
"Das ist schon ein ganz interessantes Ergebnis, das ich hier meine gefunden zu haben. Ansonsten: Was sind ihre Wurzeln? Sie ist Naturwissenschaftlerin, auch das darf man nicht vergessen. Sie betrachtet die Politik ein Stück weit wie die Welt der Moleküle, und von daher agiert sie sicherlich anders, als das vielleicht jemand mit einem gewissen Geschichtsbewusstsein tut. Aber ich glaube, dass sie von ihrem ganzen Herangehen an die Politik eher dem Typus des Wechselwählers entspricht, weil sie eben nicht eine so klassische, in einer Partei verwurzelte Persönlichkeit ist, was sich erst jetzt nach und nach bei ihr so ergibt."
Langguth notiert irgendwann: "Ihre Sammlung von Skalps kann sich sehen lassen.” Und das schockiert nicht nur ihre männlichen Opfer, die solches Verhalten zwar von ihresgleichen erwarten, aber nicht von einer Frau. Bald nach der Wende hat Angela Merkel ihren ersten politischen Ziehvater Lothar de Maizière beerbt, nachdem Helmut Kohl ihn als stellvertretenden CDU-Vorsitzenden fallengelassen hatte. Sie hat schweigend den tiefen Sturz des vielleicht begabtesten DDR-Politikers im Kabinett, Günter Krause, beobachtet – der ihr Förderer war. Sie wurde seine Nachfolgerin als Landesvorsitzende der CDU in Mecklenburg-Vorpommern. Damit hatte sie endlich die Hausmacht, die sie für den Aufstieg brauchte. Ihre Ziehväter Kohl und Schäuble erledigte sie "nahezu mit einem Doppelschlag”, wieLangguth fast ehrfürchtig schreibt. Ihr nächstes Opfer war Friedrich Merz, dem sie den Fraktionsvorsitz entriss, was er ihr bis heute nicht verziehen hat. Auch Horst Seehofer, ein hartnäckiger Kämpfer gegen die Kopfpauschale, die nach Merkels Willen die Krankenversicherung ersetzen soll, ist heute ein Mann von gestern. Langguth spekuliert, Angela Merkel habe in der DDR "das Täuschen und Tarnen gelernt” - und das habe ihr später geholfen:
"Dass sie schneller war als andere Ostdeutsche, dass sie, als sie noch stellvertretende Regierungssprecherin war, schon in den letzten Wochen ihrer Tätigkeit für die untergehende DDR daran gedacht hat,wie sie eigentlich ihr Leben nach der DDR gestaltet, das hat sie eben auch von anderen unterschieden. Und sie war immer unterschätzt worden. Was sicherlich auch das Geheimnis ihres Erfolges war und ist, dass man ihr nicht zugetraut hat, dass sie schon den nächsten Schritt überlegt hatte, als manche Leute noch mit ganz anderen Themen beschäftigt waren."
Immer wieder kommt er darauf zurück: Die frühen Erfahrungen in einer politischen Umwelt, in der sie sich fremd fühlte, in der sie zum Misstrauen gezwungen war, haben sie nachhaltig geprägt:
"Also, ich glaube persönlich, dass sie sich, auch wenn man ihr Leben in der DDR anschaut, eigentlich nicht geändert hat, es haben sich nur die Rahmenbedingungen geändert."
Angela Merkel versteht genau, wie Macht funktioniert, das hat sie in den letzten Jahren bewiesen. Viel wird sie von Helmut Kohl gelernt haben, aber bei ihr kommt noch hinzu, dass sie mit hohem Risiko spielt, einen – so Langguth - "gefährlichen Mut zur Wahrheit hat”. Das Machtspiel der CDU-Generalsekretärin während der Spendenaffäre war kühn. In einem Artikel in der FAZ, von dem nicht einmal der damalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble wusste, forderte sie ihre Partei auf, sich von Helmut Kohl zu emanzipieren: "Sie muss sich wie jemand in der Pubertät von zu Hause lösen, eigene Wege gehen.” "Kohls Mädchen” hat sich vom Ziehvater rigoros abgenabelt, nachdem sie von ihm alles gelernt hatte, was für den Weg nach oben zu lernen war. Und sie wurde seine Meisterin.
"Jemand, der Bundeskanzler werden will oder Bundeskanzlerin, der muss ein Verständnis von Macht haben,sonst wird er, sollte er die Macht mal haben, nicht überleben können."
Was weniger klar ist, das ist die Frage, wofür sie Macht haben will, was sie inhaltlich treibt, welche Werte sie vertritt, welchem Gesellschaftsentwurf sie anhängt. "Im Zweifel für die Freiheit” könnte ihr Motto sein, vermutet ihr Biograf Gerd Langguth, der darin eine Reaktion auf den überfürsorglichen, jede Initiative erstickenden Staat DDR sieht. Das heißt für ihn aber nicht, dass die Vorsitzende in der westlich, männlich, katholisch und sozialpolitisch geprägten CDU wirklich angekommen ist. Und umgekehrt wird sie in der Partei eher gebraucht als geliebt. Sie gehe, so Langguth, von der Notwendigkeit des effizienten Funktionierens einer Gesellschaft aus und unterschätze die Bedeutung lang tradierter Erfahrungen. Und doch traut er ihr alles zu. Sie habe sich auf ihrem Lebensweg stets für den hohen Einsatz entschieden, schreibt er und wörtlich: ” Sie kann alles gewinnen oder alles verlieren. Bisher hat sie alles gewonnen.”
Renate Färber-Husemann war das über Gerd Langguths: Angela Merkel, erschienen im Deutschen Taschenbuchverlag. Es hat 400 Seiten für 14.50 Euro.
Gerd Langguth ist so einer, der überdies die CDU von innen bestens kennt. Einst RCDS-Vorsitzender, Bundestagsabgeordneter, Bundesvorstandsmitglied, zweimal Mitglied in Grundsatzprogrammkommissionen - um nur einige der wichtigsten Parteiämter zu nennen -, ist er heute Professor für Politikwissenschaften in Bonn. Renate Färber-Husemann über Gerd Langguths Merkel-Biografie:
Es hätte auch schief gehen können: Gerd Langguth, Politologe mit Professur an der Universität Bonn, einst CDU-Bundestagsabgeordneter und als ehemaliges Vorstandsmitglied der Partei Insider, hat eine Biografie über Angela Merkel geschrieben. Doch er ist nicht der Versuchung erlegen, mit seiner Vorsitzenden allzu milde umzugehen. Das Buch, analytisch, meinungsfreudig, sehr sorgfältig und abwägend, ist ein Muss für alle, die sich gründlicher mit dieser vielleicht ersten Kanzlerin Deutschlands beschäftigen wollen.
Am besten ist der Autor, wenn er die Nach-Wende-Politikerin beschreibt. Da steht er auf festem Boden. Was die CDU aus ihr und sie aus der CDU gemacht hat, das kann er beurteilen. Bei den DDR-Kapiteln ist er mal übervorsichtig, mal allzu spekulativ. Eine "Sphynx” hat Langguth die Vorsitzende einmal genannt. Und obwohl er mit 140 Menschen aus Angela Merkels Vergangenheit und Gegenwart gesprochen und ein sehr ausführliches Interview mit ihr geführt hat, ist Ratlosigkeit spürbar, wenn es um die Einschätzung des Menschen Angela Merkel geht:
"Schwierig. Ich glaube, dass Frau Merkel so etwas ist, was ich mal in einer früheren Veröffentlichung als Politoholic bezeichnet habe. Ein Mensch, der völlig aufgeht in der Politik. Gerade weil sie sich in der Politik beweisen will, ordnet sie auch einen Großteil ihres gesamten Privatlebens dem unter, muss das selbstverständlich auch tun. Sie ist nur schwer in der Lage, auch eine menschliche Wärme überzubringen. Und das wird ihr wahrscheinlich auch so schnell nicht gelingen."
Einen großen Teil der Gespräche hat Langguth mit Weggefährten aus den ersten 35 Jahren ihres Lebens in der DDR geführt. Immer wieder hat er von Lehrern, einstigen Freunden und Mitschülern gehört: Sie war begabt, sie war fleißig, sie war ein netter Kumpel, sie war unauffällig, sie wirkte nicht wie eine künftige Führungspersönlichkeit. Eine Erklärung für ihren politischen Ehrgeiz, der in der von ihr ungeliebten DDR brach lag, sucht und findet Langguth in ihrem Elternhaus. Der Vater, ein Pastor, eine einflussreiche, dem SED-Regime nahe stehende Persönlichkeit, ein in der Kirche sehr umstrittener Intellektueller, habe sie extrem gefordert. Ihr rasanter Aufstieg sei, so Langguths kühne Deutung, mit der Emanzipation vom übermächtigen, in das Regime verstrickten Vater zu erklären:
"Das ist schon ein ganz interessantes Ergebnis, das ich hier meine gefunden zu haben. Ansonsten: Was sind ihre Wurzeln? Sie ist Naturwissenschaftlerin, auch das darf man nicht vergessen. Sie betrachtet die Politik ein Stück weit wie die Welt der Moleküle, und von daher agiert sie sicherlich anders, als das vielleicht jemand mit einem gewissen Geschichtsbewusstsein tut. Aber ich glaube, dass sie von ihrem ganzen Herangehen an die Politik eher dem Typus des Wechselwählers entspricht, weil sie eben nicht eine so klassische, in einer Partei verwurzelte Persönlichkeit ist, was sich erst jetzt nach und nach bei ihr so ergibt."
Langguth notiert irgendwann: "Ihre Sammlung von Skalps kann sich sehen lassen.” Und das schockiert nicht nur ihre männlichen Opfer, die solches Verhalten zwar von ihresgleichen erwarten, aber nicht von einer Frau. Bald nach der Wende hat Angela Merkel ihren ersten politischen Ziehvater Lothar de Maizière beerbt, nachdem Helmut Kohl ihn als stellvertretenden CDU-Vorsitzenden fallengelassen hatte. Sie hat schweigend den tiefen Sturz des vielleicht begabtesten DDR-Politikers im Kabinett, Günter Krause, beobachtet – der ihr Förderer war. Sie wurde seine Nachfolgerin als Landesvorsitzende der CDU in Mecklenburg-Vorpommern. Damit hatte sie endlich die Hausmacht, die sie für den Aufstieg brauchte. Ihre Ziehväter Kohl und Schäuble erledigte sie "nahezu mit einem Doppelschlag”, wieLangguth fast ehrfürchtig schreibt. Ihr nächstes Opfer war Friedrich Merz, dem sie den Fraktionsvorsitz entriss, was er ihr bis heute nicht verziehen hat. Auch Horst Seehofer, ein hartnäckiger Kämpfer gegen die Kopfpauschale, die nach Merkels Willen die Krankenversicherung ersetzen soll, ist heute ein Mann von gestern. Langguth spekuliert, Angela Merkel habe in der DDR "das Täuschen und Tarnen gelernt” - und das habe ihr später geholfen:
"Dass sie schneller war als andere Ostdeutsche, dass sie, als sie noch stellvertretende Regierungssprecherin war, schon in den letzten Wochen ihrer Tätigkeit für die untergehende DDR daran gedacht hat,wie sie eigentlich ihr Leben nach der DDR gestaltet, das hat sie eben auch von anderen unterschieden. Und sie war immer unterschätzt worden. Was sicherlich auch das Geheimnis ihres Erfolges war und ist, dass man ihr nicht zugetraut hat, dass sie schon den nächsten Schritt überlegt hatte, als manche Leute noch mit ganz anderen Themen beschäftigt waren."
Immer wieder kommt er darauf zurück: Die frühen Erfahrungen in einer politischen Umwelt, in der sie sich fremd fühlte, in der sie zum Misstrauen gezwungen war, haben sie nachhaltig geprägt:
"Also, ich glaube persönlich, dass sie sich, auch wenn man ihr Leben in der DDR anschaut, eigentlich nicht geändert hat, es haben sich nur die Rahmenbedingungen geändert."
Angela Merkel versteht genau, wie Macht funktioniert, das hat sie in den letzten Jahren bewiesen. Viel wird sie von Helmut Kohl gelernt haben, aber bei ihr kommt noch hinzu, dass sie mit hohem Risiko spielt, einen – so Langguth - "gefährlichen Mut zur Wahrheit hat”. Das Machtspiel der CDU-Generalsekretärin während der Spendenaffäre war kühn. In einem Artikel in der FAZ, von dem nicht einmal der damalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble wusste, forderte sie ihre Partei auf, sich von Helmut Kohl zu emanzipieren: "Sie muss sich wie jemand in der Pubertät von zu Hause lösen, eigene Wege gehen.” "Kohls Mädchen” hat sich vom Ziehvater rigoros abgenabelt, nachdem sie von ihm alles gelernt hatte, was für den Weg nach oben zu lernen war. Und sie wurde seine Meisterin.
"Jemand, der Bundeskanzler werden will oder Bundeskanzlerin, der muss ein Verständnis von Macht haben,sonst wird er, sollte er die Macht mal haben, nicht überleben können."
Was weniger klar ist, das ist die Frage, wofür sie Macht haben will, was sie inhaltlich treibt, welche Werte sie vertritt, welchem Gesellschaftsentwurf sie anhängt. "Im Zweifel für die Freiheit” könnte ihr Motto sein, vermutet ihr Biograf Gerd Langguth, der darin eine Reaktion auf den überfürsorglichen, jede Initiative erstickenden Staat DDR sieht. Das heißt für ihn aber nicht, dass die Vorsitzende in der westlich, männlich, katholisch und sozialpolitisch geprägten CDU wirklich angekommen ist. Und umgekehrt wird sie in der Partei eher gebraucht als geliebt. Sie gehe, so Langguth, von der Notwendigkeit des effizienten Funktionierens einer Gesellschaft aus und unterschätze die Bedeutung lang tradierter Erfahrungen. Und doch traut er ihr alles zu. Sie habe sich auf ihrem Lebensweg stets für den hohen Einsatz entschieden, schreibt er und wörtlich: ” Sie kann alles gewinnen oder alles verlieren. Bisher hat sie alles gewonnen.”
Renate Färber-Husemann war das über Gerd Langguths: Angela Merkel, erschienen im Deutschen Taschenbuchverlag. Es hat 400 Seiten für 14.50 Euro.