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Alles über eine Leitung

Nahezu jeder Internet-Anbieter setzt auf Internet-Telefonie und auch die Telekom-Unternehmen schalten um auf den neuen Trend. Doch bislang war VoIP vor allem für innovationsfreudige und sparsame Privatleute interessant. Jetzt entdecken auch zunehmend Firmen die Technologie für sich.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Ralf Koenzen (LANCOM) |
    Ralf Koenzen: "Ich glaube, dass insbesondere nach dem Bewusstsein, das im Markt entstanden ist durch Einführung im Konsumentenbereich, ganz klar eine deutliche Nachfrage zu sehen sein wird und dass sich Unternehmen aller Größenordnungen jetzt mit diesem Thema auseinandersetzen, weil auch klar geworden ist, dass Voice-over-IP inzwischen eine ernstzunehmende Technologie ist und auch ausgereift ist und in der Tat von der Qualität und von den Funktionen her mit der normalen Telefonie durchaus vergleichbar geworden ist."

    Kloiber: Gibt es eine Akzeptanz, das auszuprobieren und dabei auch Probleme in Kauf zunehmen?

    Koenzen: "Ich glaube, dass die Entwicklung nicht so explosiv und so rasant erfolgen wird, wie wir das im Konsumentenbereich gesehen haben, weil für Unternehmen die Telefonqualität und die Verfügbarkeit eine deutlich größere Rolle spielt. Aber insgesamt sehen wir, dass hier in verschiedenen Schritten langsam migriert wird. Unternehmen werden nicht gleich ihre vorhandenen ISDN-Anschlüsse aufgeben, sondern sie werden über geeignete Geräte VoIP über das Internet zusätzlich nutzen. Diese Geräte sind heute in der Lage, zu entscheiden, ob das Internet die nötige Qualität aktuell liefert. Wenn das nicht der Fall ist, wird dann über die herkömmlichen ISDN-Anschlüsse weiter telefoniert. Als Anwender merke ich davon nichts, das läuft automatisch."

    Kloiber: Sie gehen also von einer langsamen Migration in den Unternehmen hin zu der Internet-Telefonie aus. Gibt es denn auch Produkte, die das unterstützen, oder lautet die Philosophie, dass man sich neue Hardware zulegen muss?

    Koenzen: "Der Migrationsgedanke ist sehr wichtig und die wenigsten Unternehmen werden bereit sein, sich jetzt neue Telefonanlagen oder neue Hardware zu kaufen. Das heißt ganz klar, es ist ein sehr großer Markt entstanden für solche Migrationsprodukte, die den schrittweisen Umstieg ermöglichen und dabei die Vorteile der herkömmlichen Technologie und Internet-Telefonie gleichzeitig zu nutzen."

    Kloiber: Nun sind da viele Köche am Brei, die alle ihr eigenes Ding machen. Gibt es denn etwas Verlässliches, worauf man zählen kann, dass es sozusagen dann auch wirklich in der Telefonwelt spielen wird? Denn bislang war ja die Telefonwelt zumindest ziemlich einheitlich und funktionierte immer.

    Koenzen: "Wir werden hier insbesondere für den Unternehmenssektor ganz andere Produkte sehen als es im Konsumentenbereich ist. Aber generell muss man sagen, die Technologie, die Internetinfrastrukturen sind heute ausreichend gerüstet, können die Qualität liefern und gemeinsam mit entsprechend geeigneten Produkten, die eben für ein Unternehmen den Umstieg oder die Migration oder die gleichzeitige Nutzung von VoIP anbieten, wird eine Qualität erreichbar sein, die sinnvoll ist. Aber die Produkte werden anders aussehen."

    Kloiber: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der SIP-Standard?

    Koenzen: "Der SIP-Standard ist natürlich zu einem großen Teil verantwortlich dafür, dass jetzt hier ein Durchbruch dieser Technologie am Markt wirklich da ist. Wir sehen inzwischen eine große Zahl von Endgeräten, Telefonen, beispielsweise von Software für PCs, die eigentlich schrittweise immer mehr miteinander kompatibel werden. Der SIP-Standard hat so seine Geburtswehen gehabt, muss man sagen. Inzwischen kann man davon ausgehen, dass wie wenn man ein ISDN-Telefon an einen ISDN-Anschluss anschließt, dass das genau mit der gleichen Qualität heute auch funktioniert mit einem Internettelefon, was man eben an einem entsprechenden Internetanschluss anschließt."

    Kloiber: Betrachtet man sich den SIP-Standard, dann ist ja Telefonie eigentlich nur ein kleiner Teil davon. Der Standard ist ja viel umfassender. Welche neuen Dienste werden denn da schleichend mit in die Unternehmen reinkommen, von denen die Firmen heute vielleicht noch gar nichts wissen?

    Koenzen: "Im Unternehmensbereich ist man doch insgesamt sehr konservativ. Das heißt also, primär wird er im Unternehmensbereich für die Telefonie benutzt werden. Es wird immer wieder diskutiert, ob zum Beispiel die Videotelefonie noch einmal einen Aufschwung erreichen könnte. Ich bin da eher ein bisschen skeptisch. Ich glaube, Ansätze was Videotelefonie anging, gab es früher auch, auch über ISDN. Letzten Endes ist es eine Art, wie organisiere ich meine Arbeit und wie arbeite ich, und nicht, welche Technologien stehen mir zur Verfügung. Ich glaube, primär wird telefoniert werden und Unternehmen werden vor allem diese neue Technologie nutzen, um etwa ihre Standorte miteinander zu koppeln, um im gemeinsamen Betrieb Gesprächsgebühren zu sparen, um Ressourcen zu nutzen, die sie eh schon haben, zum Beispiel Datenleitungen, die dann auch Voice übertragen. Am Ende ist es aber die Telefonie, die da drüber geht."