So und nicht anders ist und denkt und arbeitet er eben, der bekennende Sozialdemokrat Jürgen Flimm, der an eine mähliche Besserung der menschlichen Verhältnisse glauben und glauben machen möchte und die Schrecken einer Endzeit und der Menschheitserlösung durch Vernichtung nicht an sich und seine Bühne heranlässt. Da nun aber auf denkwürdige Weise der Komponist Richard Wagner eben nach dem großen Bühnendesaster, das den Hoffnungsträgerin Siegfried und Brünnhilde widerfährt, eine wenigstens tröstliche Des-Dur-Melodie à la Bellinis und damit erhebliche Beschönigung eintreten lässt, liegen Wonder und Flimm ja an diesem Final-Punkt nicht ganz daneben.
Anfechtbar bleib nun am Ende zu allermeist die große Verkleinbürgerlichung, die Jürgen Flimm mit heiter-realistischer Rekonkretisierungen dem "Rheingold" und der "Walküre" angedeihen ließ. Doch indem der Regisseur und sein Team den Regierungssitz der niederrheinischen Gibichungen in der Architektur eines neuen Terminals des Flughafens Köln/Bonn anboten, trafen sie den Geschmack der grünsozialdemokratischen Landes- und Bundesregierungen ziemlich genau. Und nicht zufällig erinnert Yvonne Wiedstruck als Heldengattin Gutrune an die gegenwärtig noch aktuelle Politiker-Gattin Doris Schröder-Köpf. Akzeptiert man, dass "Die Götterdämmerung" insgesamt dergestalt geschröder-köpft wird, dann erscheint insbesondere der zweite Aufzug überzeugend – die schauspielerisch so genau gezeigte Intrige, die gegen und mit Brünnhilde vom Niederrheinischen Hof angezettelt wird. Und Evelyn Herlitzius, die sich einige Kraft-Reserven für den zweiten Teil des dritten Aufzugs aufsparte, erscheint als moderne Medien-Frau, die Klage darüber führt, wie übel ihr mitgespielt wurde: das erscheint stimmig.
Jürgen Flimm hat angesichts der gewissen Irritationen, die Christoph Schlingenstiefs "Parsifal"-Bebilderung auslöste, in der Publikumsgunst aufgeholt. Nie mutet er seinem Publikum zu viel zu – und schon gar nicht zu schreckliche Einsichten in Wirklichkeiten. Das mag erklären, warum dies karnevalistisch grundgestimmte Naturell von Salzburg bis zur RuhrTriennale derzeit so gefragt und gut verkäuflich ist. Seine Heiterkeit wirkt in der Krise wie ein Husten-Mittel.