Geschichten wie diese, lassen sich nicht leicht erzählen. Denn die Hauptpersonen sind unsympathisch. Sie laden dazu ein, sie zu verabscheuen, zu verachten - und selber eine gehörige Portion Angst zu entwickeln: Angst, vor dem Unaussprechlichen, das in mancher Menschenseele schlummert und plötzlich zum Ausbruch kommt.
"Wir wollen ja nur klar zeigen, dass wir mit der Situation, so wie sie ist, nicht einverstanden sind. Dass wir einfach Ängste haben, Sorgen um unsere Kinder, wir wollen das nicht und ich glaube jeder andere, ob der nach Düsseldorf geht, nach Köln oder sonst wo, wäre das genauso ein Spießrutenlaufen. Ich finde, der hat hier nichts mehr zu suchen, auf der Straße!"
Diese Frau und Mutter lebt seit gut einem Dreivierteljahr fast Tür an Tür mit einem Sexualstraftäter. Karl D. wird er genannt, lebt jetzt bei Aachen. 15 Jahre saß er im Gefängnis, als Strafe dafür, dass er zwei Teenager brutal vergewaltigte, ihnen Todesangst einjagte. Und die Mütter und Väter in diesem kleinen einst beschaulichen Ort haben nun Angst, gehen auf die Barrikaden, demonstrieren täglich vor der Haustür des Verbrechers. Udo Vetter ist Strafverteidiger und auch Sexualverbrecher gehören zu seinen Klienten, weil sie ein Recht auf Verteidigung haben, sagt er mit fester Stimme:
"Natürlich kann man für die Menschen Verständnis haben, die nun wissen, dass ein verurteilter Sexualstraftäter in ihrer Nachbarschaft lebt. Auf der anderen Seite muss man sagen oder die Frage stellen: Wessen Rechte wiegen denn höher? Fakt ist doch, dass der Betroffenen seine Freiheitsstrafe abgesessen hat. Er hat seine Schuld gegenüber der Gesellschaft bezahlt. Er ist ein freier Mann, weil es das Gesetz aus guten Gründen nicht zulässt, dass er zum Beispiel für den Rest seines Lebens weggesperrt wird. Wenn solche Forderungen erhoben werden, dann muss man auch den Anwohnern sagen: Das geht nicht, das widerspricht unserem gesellschaftlichen Grundkonsens so etwas zu machen."
Ein Konsens, der immer weniger wahrgenommen wird. Wie ist doch selbst im Magazin "Der Spiegel" in dieser Woche nachzulesen? "Aber es ist einer dieser Fälle, in denen sich das Recht ziemlich falsch anfühlt, weil das Recht den Umständen nicht gerecht wird." Nur, dass eine hoch emotionale Debatte den Fakten eben auch nicht gerecht wird.
"Sexualstraftaten sind nach der Statistik deutlich rückläufig, das heißt wie haben heute einen Trend, der sich schon weit über 15 Jahre hinstreckt, wonach Sexualstraftaten Jahr für Jahr zurückgehen, insbesondere die Verurteilungen wegen schwerer Sexualstraftaten. Im Gegensatz dazu steht die nachvollziehbare Aufregung über einzelne Taten. Nur einzelne Taten sind kein Gradmesser dafür, wie groß ein gesellschaftliches Problem ist. Und wenn ich den Grundkonsens angesprochen habe, liegt dieser zuerst einmal darin, dass wir im Grundgesetz Grundrechte haben, die für alle Menschen gelten, also auch für Straftäter."
Eine Selbstverständlichkeit - die aber in diesen Tagen nicht gerne gehört wird. Und gibt es nicht auch dieses zweite Gutachten, das Karl D. Gefährlichkeit attestiert? Ja. Doch wie stellte der Bundesgerichtshof in der vergangenen Woche fest: Dieses Gutachten basiert auf alten Fakten, nicht eine neue Erkenntnis ist hinzugekommen. Deshalb kann hier keine nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Damit Recht bleibt, was Recht ist.
"Ob der noch mal rauskommt, ob er so rauskommen kann, dass ihn keiner sieht, dass man ihm begegnet? Ich habe eine Tochter, die wird elf und davor habe ich Angst, dass ihr etwas passiert. Sie darf nicht mehr alleine auf die Straße. Ich bringe sie zum Schulbus. Ich hole sie vom Schulbus ab. Draußen spielen ist nicht mehr! Man weiß ja nicht, ob die Polizei wirklich 24 Stunden da steht und ihn bewacht!"
Doch die Polizei überwacht ihn 24 Stunden am Stück, auch den Bruder, dessen Frau und das Kind. Ein Sprecher der Kreispolizeibehörde Heinsberg, Norbert Schröders, erklärt:
"Diese Rund-um-die-Uhr-Überwachung dient zwei Zwecken: Zum einen soll dem Sicherheitsgefühl Rechnung getragen werden, dem Sicherheitsgefühl des Bürgers in Randerath, weil wir schon ein gewisses Unsicherheitsgefühl festgestellt haben, zu Beginn. Und um da einfach den Mitbürgern zu sagen, ihr lebt nach wie vor sicher, ihr braucht keine Panik, keine Angst, keine Hysterie haben. Deswegen sind wir da, überwachen den Mann und lassen den Mann auch nicht mehr aus den Augen. Der andere Zweck, den wir verfolgen, ist aber gleich gewichtig und zwar: Wir möchten auch den Karl D. und seine Familie schützen, mit unserer Präsenz, mit unserer Rund-um-die-Uhr-Überwachung. Das heißt, wir lassen den Karl D. nicht aus den Augen, auch um ihn selbst zu schützen."
Doch, dass Karl D. vor der Öffentlichkeit geschützt werden muss, hat sich die Polizei selber eingebrockt. Der örtliche Polizeichef "warnte" nämlich die Bürger vor Karl D., er wohne jetzt in Randerath - und läutete damit eine Hexenjagd ein. Strafverteidiger Udo Vetter:
"Es gibt hier ja auch im Rahmen von Bewährungsauflagen die Rund-um-die-Uhr-Überwachung halte ich für eine gravierende und eklatante Grundrechtsverletzung, nicht nur des Straftäters, sondern auch der Personen, mit denen er zusammenlebt."
Und das Ende der Geschichte? Es ist nicht in Sicht. Die Anwohner haben weiter Angst. Karl D. liefert sich Verfolgungsjagden mit der Polizei, er und seine Familie kassieren dafür eine Ordnungswidrigkeit nach der Nächsten. Die Anwälte klagen jetzt gegen die Polizeiüberwachung. Irgendwann wird Karl D. wohl umziehen, in eine andere Stadt. Und vielleicht ist der dortige Polizeichef klüger und schweigt über den neuen Bewohner in der Öffentlichkeit, aber verpflichtet Karl D. täglich bei der Polizei vorstellig zu werden. Und vielleicht endet dann die Geschichte von Karl D., so wie die von Thomas O. - dem Quendlinburger Frauenmörder.
Im Jahr 2007 wurde er auch rund um die Uhr überwacht. Erst als Thomas O. umzog, glätteten sich die Wogen, er fand einen Job - war resozialisiert. Und das ist Sinn und Zweck des deutschen Strafrechts. Auch wenn sich Geschichten wie diese nicht leicht erzählen lassen und für manchen "falsch anfühlen".
"Wir wollen ja nur klar zeigen, dass wir mit der Situation, so wie sie ist, nicht einverstanden sind. Dass wir einfach Ängste haben, Sorgen um unsere Kinder, wir wollen das nicht und ich glaube jeder andere, ob der nach Düsseldorf geht, nach Köln oder sonst wo, wäre das genauso ein Spießrutenlaufen. Ich finde, der hat hier nichts mehr zu suchen, auf der Straße!"
Diese Frau und Mutter lebt seit gut einem Dreivierteljahr fast Tür an Tür mit einem Sexualstraftäter. Karl D. wird er genannt, lebt jetzt bei Aachen. 15 Jahre saß er im Gefängnis, als Strafe dafür, dass er zwei Teenager brutal vergewaltigte, ihnen Todesangst einjagte. Und die Mütter und Väter in diesem kleinen einst beschaulichen Ort haben nun Angst, gehen auf die Barrikaden, demonstrieren täglich vor der Haustür des Verbrechers. Udo Vetter ist Strafverteidiger und auch Sexualverbrecher gehören zu seinen Klienten, weil sie ein Recht auf Verteidigung haben, sagt er mit fester Stimme:
"Natürlich kann man für die Menschen Verständnis haben, die nun wissen, dass ein verurteilter Sexualstraftäter in ihrer Nachbarschaft lebt. Auf der anderen Seite muss man sagen oder die Frage stellen: Wessen Rechte wiegen denn höher? Fakt ist doch, dass der Betroffenen seine Freiheitsstrafe abgesessen hat. Er hat seine Schuld gegenüber der Gesellschaft bezahlt. Er ist ein freier Mann, weil es das Gesetz aus guten Gründen nicht zulässt, dass er zum Beispiel für den Rest seines Lebens weggesperrt wird. Wenn solche Forderungen erhoben werden, dann muss man auch den Anwohnern sagen: Das geht nicht, das widerspricht unserem gesellschaftlichen Grundkonsens so etwas zu machen."
Ein Konsens, der immer weniger wahrgenommen wird. Wie ist doch selbst im Magazin "Der Spiegel" in dieser Woche nachzulesen? "Aber es ist einer dieser Fälle, in denen sich das Recht ziemlich falsch anfühlt, weil das Recht den Umständen nicht gerecht wird." Nur, dass eine hoch emotionale Debatte den Fakten eben auch nicht gerecht wird.
"Sexualstraftaten sind nach der Statistik deutlich rückläufig, das heißt wie haben heute einen Trend, der sich schon weit über 15 Jahre hinstreckt, wonach Sexualstraftaten Jahr für Jahr zurückgehen, insbesondere die Verurteilungen wegen schwerer Sexualstraftaten. Im Gegensatz dazu steht die nachvollziehbare Aufregung über einzelne Taten. Nur einzelne Taten sind kein Gradmesser dafür, wie groß ein gesellschaftliches Problem ist. Und wenn ich den Grundkonsens angesprochen habe, liegt dieser zuerst einmal darin, dass wir im Grundgesetz Grundrechte haben, die für alle Menschen gelten, also auch für Straftäter."
Eine Selbstverständlichkeit - die aber in diesen Tagen nicht gerne gehört wird. Und gibt es nicht auch dieses zweite Gutachten, das Karl D. Gefährlichkeit attestiert? Ja. Doch wie stellte der Bundesgerichtshof in der vergangenen Woche fest: Dieses Gutachten basiert auf alten Fakten, nicht eine neue Erkenntnis ist hinzugekommen. Deshalb kann hier keine nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Damit Recht bleibt, was Recht ist.
"Ob der noch mal rauskommt, ob er so rauskommen kann, dass ihn keiner sieht, dass man ihm begegnet? Ich habe eine Tochter, die wird elf und davor habe ich Angst, dass ihr etwas passiert. Sie darf nicht mehr alleine auf die Straße. Ich bringe sie zum Schulbus. Ich hole sie vom Schulbus ab. Draußen spielen ist nicht mehr! Man weiß ja nicht, ob die Polizei wirklich 24 Stunden da steht und ihn bewacht!"
Doch die Polizei überwacht ihn 24 Stunden am Stück, auch den Bruder, dessen Frau und das Kind. Ein Sprecher der Kreispolizeibehörde Heinsberg, Norbert Schröders, erklärt:
"Diese Rund-um-die-Uhr-Überwachung dient zwei Zwecken: Zum einen soll dem Sicherheitsgefühl Rechnung getragen werden, dem Sicherheitsgefühl des Bürgers in Randerath, weil wir schon ein gewisses Unsicherheitsgefühl festgestellt haben, zu Beginn. Und um da einfach den Mitbürgern zu sagen, ihr lebt nach wie vor sicher, ihr braucht keine Panik, keine Angst, keine Hysterie haben. Deswegen sind wir da, überwachen den Mann und lassen den Mann auch nicht mehr aus den Augen. Der andere Zweck, den wir verfolgen, ist aber gleich gewichtig und zwar: Wir möchten auch den Karl D. und seine Familie schützen, mit unserer Präsenz, mit unserer Rund-um-die-Uhr-Überwachung. Das heißt, wir lassen den Karl D. nicht aus den Augen, auch um ihn selbst zu schützen."
Doch, dass Karl D. vor der Öffentlichkeit geschützt werden muss, hat sich die Polizei selber eingebrockt. Der örtliche Polizeichef "warnte" nämlich die Bürger vor Karl D., er wohne jetzt in Randerath - und läutete damit eine Hexenjagd ein. Strafverteidiger Udo Vetter:
"Es gibt hier ja auch im Rahmen von Bewährungsauflagen die Rund-um-die-Uhr-Überwachung halte ich für eine gravierende und eklatante Grundrechtsverletzung, nicht nur des Straftäters, sondern auch der Personen, mit denen er zusammenlebt."
Und das Ende der Geschichte? Es ist nicht in Sicht. Die Anwohner haben weiter Angst. Karl D. liefert sich Verfolgungsjagden mit der Polizei, er und seine Familie kassieren dafür eine Ordnungswidrigkeit nach der Nächsten. Die Anwälte klagen jetzt gegen die Polizeiüberwachung. Irgendwann wird Karl D. wohl umziehen, in eine andere Stadt. Und vielleicht ist der dortige Polizeichef klüger und schweigt über den neuen Bewohner in der Öffentlichkeit, aber verpflichtet Karl D. täglich bei der Polizei vorstellig zu werden. Und vielleicht endet dann die Geschichte von Karl D., so wie die von Thomas O. - dem Quendlinburger Frauenmörder.
Im Jahr 2007 wurde er auch rund um die Uhr überwacht. Erst als Thomas O. umzog, glätteten sich die Wogen, er fand einen Job - war resozialisiert. Und das ist Sinn und Zweck des deutschen Strafrechts. Auch wenn sich Geschichten wie diese nicht leicht erzählen lassen und für manchen "falsch anfühlen".