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Allgegenwärtige Potenzbremsen

Endokrinologie. – Es gibt immer mehr Warnungen, dass bestimmte Chemikalien im Körper wie Hormone wirken und unerwünschte Regelkreise in Gang setzen, durch die etwa die Fruchtbarkeit der Männer beeinträchtigt wird. Das Problem ist nur, dass die zugrundeliegenden Studien sich nur mit Tieren beschäftigt haben. Auf einem Workshop in Berlin legte eine US-Medizinerin jetzt eine Studie an Menschen vor.

    "Wir bei über 160 Männern aus einer Klinik in Boston die Phthalatgehalte im Blut gemessen. Die Männer mit den höchsten Rückständen hatten auch die höchsten Raten an Erbgutschäden in den Samenzellen", erläutert Susan Duty, Assistenzprofessorin am Simmons College für Gesundheitsstudien. Phthalate sind in unserer Umwelt nahezu allgegenwärtig, denn sie werden für Parfums oder Shampoos, in Kunststoffen oder Farben eingesetzt. Von einer akuten Gefährdung von Mensch und Tier durch die Stoffklasse ist bislang nichts bekannt, doch haben schon Tierstudien Erb- und Embryonenschäden ergeben. In Dutys Studie zeigte ein Phthalat die stärkste Wirkung, das als Konservierungsstoff in Kosmetika eingesetzt wird.

    Die Studie der Bostoner Mediziner konnte darüber hinaus einen prinzipiellen Zusammenhang zwischen der Höhe des Phthalatspiegels im Blut und der Zahl der Spermien zeigen. Allerdings rät Susan Duty zur Vorsicht bei der Interpretation: "So weit wir wissen, ist es die erste Studie zu direkten Fruchtbarkeitsstörungen durch Phthalate beim Mann. Wir wollen unsere Untersuchung auf rund 1000 Männer ausweiten, in der Hoffnung, dass sich unsere derzeitigen Resultate bestätigen lassen." Allerdings deuten auch andere Studien in die Richtung. Fred vom Saal von der Universität von Missouri in Columbia: "Männer aus dem mittleren Westen der USA haben nur halb so viele Spermien wie Bewohner der Ost- oder Westküste. In dieser Agrarregion ist die Belastung durch Pflanzenschutzmittel wie Atrazin hoch. Und von Atrazin wissen wir, dass es wie ein Hormon wirken kann."

    [Quelle: Volker Mrasek]