Archiv


Allgegenwärtiger und doch unbekannter Feind

Medizin. - Dass unsere Nahrung von Natur aus und durch traditionelle Behandlungen voller Giftstoffe steckt, ist vielen erst durch die Diskussion um das Acrylamid bewusst geworden. Sobald Stärke erhitzt wird, entsteht das potentiell krebserregende Gift. Allerdings befinden sich außerdem viele weitere Gifte in unserer Nahrung. Zum Beispiel Pilzgifte. Am bekanntesten ist das Aflatoxin, dass in hohen Konzentrationen vor allem in Nüssen gefunden wird. Seit Jahren warnen deutsche Behörden immer wieder zum Beispiel vor Erdnüssen aus Südostasien. Ein anderes Pilzgift bleibt meist unerwähnt, gerade weil es fast überall vorkommt. Das Ochratoxin

    Von Michael Lange

    Wie alle Menschen haben auch die Europäer am meisten Angst vor den Gefahren, die von außen kommen, meint der australische Pilzexperte John Pitt. Er arbeitet am staatlichen australischen Institut für Gesundheitsforschung.

    Seit vielen Jahren regen sich die Europäer über Aflatoxin in der Nahrung auf. Sie akzeptieren nicht die kleinsten Mengen in Produkten von anderen Kontinenten. Ochratoxin hingegen entsteht vor allem in Europa, und das haben die Europäer 20 Jahre lang verschwiegen.

    Der wichtigste Produzent von Ochratoxin ist der Schimmelpilz Penicillium verrucosum. Er ist vor allem in Mittel- und Osteuropa weit verbreitet. Der Pilz lebt in verschieden Samen. Vor allem in Getreidekörnern fühlt er sich wohl.

    Ochratoxin A kommt in in vielen europäischen Getreideprodukten vor. Es führt nicht zu Leberkrebs – wie Aflatoxin. Wie Tierversuche zeigen, kann es aber zu schweren Nierenschäden führen. Man glaubte lange Zeit, dass die Häufung von Nierenkrankheiten gerade in ländlichen Regionen Europas mit Aflatoxinen zusammenhängt. Viel wahrscheinlicher ist aber ein Zusammenhang mit Ochratoxin. In Europa werden immer wieder Ochratoxin-Konzentrationen gemessen, die als bedenklich gelten.

    Mittlerweile steht fest: Falls alle Nahrungsmittel in Europa enthalten Ochratoxine: Insbesondere Ochratoxin A. 35 Nanogramm davon nimmt der deutsche Durchschnittsbürger pro Tag zu sich. Ein Drittel davon, etwa zwölf Nanogramm über Brot und Brötchen. Die nächsten Plätze belegen Kaffee mit fünf Nanogramm und Bier mit drei Nanogramm. 0,5 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht nimmt ein deutscher Verbraucher im Durchschnitt täglich auf. Diese Menge führt nicht direkt zu Krankheiten und gilt als unbedenklich. Der Lebensmittelausschuss der Europäischen Union hat festgelegt, dass ein Wert von 5 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht nicht überschritten werden sollte. Also: die zehnfache Menge des deutschen Durchschnittswertes. Möglicherweise aber richten Ochratoxine auch in kleiner Dosis viel Unheil an, vermutet der Australier John Pitt:

    Sie schwächen ganz allgemein das menschliche Immunsystem. Das bedeutet: Man wird empfindlicher gegenüber vielen bakteriellen oder viralen Infektionen. Der Körper erkrankt leichter an Grippe, Erkältungen oder Lebensmittelvergiftungen. Wer über lange Zeit viele Pilzgifte zu sich nimmt, hat irgendwann ein schwaches Immunsystem und bekommt die verschiedensten Krankheiten.

    Deshalb sollte etwas getan werden gegen Ochratoxin, sagt John Pitt. Zur Zeit läuft ein Ochratoxin-Forschungsprojekt der Europäischen Union. Dabei wurde auch die Entstehung der Pilzgifte untersucht. Marianne Boysen von der dänischen Ernährungsbehörde.

    Es ist ein Problem der Lagerung. Wenn Getreide nach der Ernte feucht ist, wachsen die Schimmelpilze im Getreide und produzieren Gifte. Deshalb ist es wichtig, dass das Getreide nach der Ernte schnell getrocknet wird.

    Nach der Trocknung sollte das Getreide kühl gelagert werden. So wird den Pilzen das Leben schwer gemacht und die Ochratoxinwerte sinken drastisch. Erste Erfolge haben die Wissenschaftler auch mit Milchsäurebakterien erzielt. Als Konkurrenten der Schimmelpilze verbreiten sie sich im feuchten Getreide und verhindern die Entstehung von Ochratoxin. Damit diese Gegenmaßnahmen aber flächendeckend bei Landwirten, Landhändlern, Bierbrauern und in Getreidemühlen umgesetzt werden, muss das Problem zunächst bewusst gemacht werden, und natürlich sind auch Kontrollen notwendig, bei denen die Konzentration des Pilzgiftes gemessen wird.