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Allianz gegen Implantat-Infektionen

1,7 Millionen Implantate werden jedes Jahr in Deutschland eingesetzt. Davon eine Millionen allein im Zahnbereich. Hinzu kommen Stents, Gefäßprothesen, Herzschrittmacher oder Hüftgelenke. Das Problem dabei: Implantate können sich infizieren, selbst Jahrzehnte nach der Operation.

Von Michael Engel | 27.03.2012
    Manchmal passiert es nur wenige Tage nach der Implantation. Patienten bekommen hohes Fieber, eine Lungenentzündung, im Extremfall eine lebensbedrohliche Blutvergiftung mit Nierenversagen. Ursache ist eine Bakterienansammlung im direkten Umfeld des Implantates. Für Prof. Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover geht es dann häufig ums Ganze:

    " ... lebensgefährlich, wenn es sich hier um zentrale Implantate im Herzen beispielsweise Herzklappen oder im Bereich der großen Körperschlagader, der Aorta handelt, dann sind das sehr schwierige Operationen, sehr risikoreiche Operationen und auch mit Sterblichkeiten, die zweistellig sind."

    Häufig treten die Probleme viele Jahre, manchmal mitunter sogar Jahrzehnte nach dem Einsetzen des Implantates auf. Statistisch gesehen nimmt das Infektionsrisiko mit der Zeit nicht ab, sondern zu. Mit 0,5 Prozent pro Jahr und Patient. Eine sogenannte "Spätinfektion" – 20 Jahre nach dem Eingriff – ist statistisch gesehen mit zehnprozentiger Wahrscheinlich möglich.

    " ... und die Austauschkosten sind in der Größenordnung von 50.000 / 60.000 Euro. Also es ist auch ebenso wie bei den orthopädischen Protheseninfektionen ein erheblicher Kostenblock für das Gesundheitswesen."

    Eine Milliarde Euro jährlich – so Haverich – verursachen solche Infektionen pro Jahr in Deutschland. Die "Internationale Interdisziplinäre Allianz gegen Implantat-assoziierte Infektionen" will nun mehr über die Dynamik der Infektionen herausfinden. Professorin Meike Stiesch, Direktorin der Klinik für Zahnärztliche Prothetik an der Medizinischen Hochschule Hannover – ist die wissenschaftliche Leiterin der neu gegründeten Organisation.

    "Wir haben eine Biobank BIT gegründet, in der wir Implantate sammeln aus allen medizinischen Disziplinen. Und zwar Implantate, die aufgrund von Infektionen ausgebaut werden mussten. Wir sammeln dort nicht nur die Implantate allein, sondern auch die dazu gehörigen Bakterien und die umgebenden Gewebe, um dann dort analysieren zu können, welche Keime sind verantwortlich für die Infektion, wie war die Gewebereaktion? Und wenn wir diese Ergebnisse haben, dann können wir gezielt Strategien entwickeln, um dort therapeutisch in den verschiedenen Disziplinen anzugreifen."

    Es sind die hochpolierten Oberflächen aus Titan, die eine magische Anziehungskraft auf Bakterien ausüben. Die Erreger bilden einen sogenannten "Biofilm" auf der Titanlegierung, der sie wie ein Panzer vor dem Angriff mit Antibiotika schützt. Prof. Thomas Scheper, Direktor des Instituts für Technische Chemie der Leibniz Universität Hannover, beschäftigt sich mit den Oberflächen solcher Implantate:

    "Es wäre ein Ziel, die Oberflächen so zu machen, dass die körpereigenen Zellen sehr schnell aufwachsen, eine sehr enge Verbindung zum Implantat geben, und diese Lücken nicht entstehen können und sich die Chance ergibt, dass sich Bakterien noch ansiedeln können. Wir können die Oberflächen rau machen, dass die Zellen sehr schön einwachsen können, aber die Bakterien abgestoßen werden oder nicht mehr so schnell da hinkommen können."

    Insgesamt sind 36 Institute und Kliniken an der Allianz für Implantat-assoziierte Infektionen beteiligt – aus dem Laserzentrum, der Universität, der Tierärztlichen und Medizinischen Hochschule Hannover. Auch die Hersteller von Implantaten sind beteiligt. Noch einmal Prof. Axel Haverich:

    " ... also wenn wir um den Faktor zehn besser würden in den nächsten zehn Jahren, hätten wir sehr viel erreicht."