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Allicin - Geruchsintensiver Keimkiller

Schon eine der ältesten Rezeptsammlungen der Menschheitsgeschichte, der "Codex Ebers", verewigt auf ägyptischem Papyrus aus dem 16. Jahrhundert vor Christus, listet antike Arzneimischungen, die auf den heilenden Kräften von Knoblauch basieren. Allicin heißt der Stoff, der dafür sorgt, dass Knoblauch so stechend riecht und schmeckt.

Von Volker Mrasek | 20.04.2011
    Das Molekül dieser Woche heißt Allicin.

    Gruhlke: "Das ist leicht flüchtig. Wir können's dann auch gut mit der Nase wahrnehmen."

    Die Frage ist bloß: Wollen wir das?

    Gruhlke: "Für mich sehr angenehm."

    Andere dagegen stöhnen:

    Gruhlke: "Der Gestank ist schon sehr stark."

    Kein Wunder, dass sich an Allicin die Geister scheiden. Es ist der Stoff, der dafür sorgt, dass Knoblauch so stechend riecht und schmeckt, wenn man eine Zehe anschneidet. Sobald das pflanzliche Gewebe verletzt wird, entsteht Allicin aus einer Vorläufersubstanz. Beide enthalten Schwefel.

    "Das ist ein handelsüblicher Entsafter, durch den wir den Knoblauchsaft gewinnen und dann das Allicin darin verwenden können."

    Ein Labor im Institut für Pflanzenphysiologie an der RWTH Aachen. Martin Gruhlke ist der, der sagt, für ihn rieche Knoblauch angenehm. Wie praktisch! Denn der Biologe forscht über Allicin.

    Schon auf einem ägyptischen Papyrus aus dem 16. Jahrhundert vor Christus ist Knoblauch verewigt. Der Text listet antike Arzneien auf. Über 20 der Rezepte enthalten das gesunde Lauchgewächs. Was die alten Ägypter damals natürlich noch nicht im Detail wussten:

    "Eine Zehe von Knoblauch wiegt durchschnittlich etwa fünf Gramm. Und, wenn's verletzt ist, produziert etwa zwei Milligramm von Allicin. Und Allicin ist wirksam gegen Mikroben in Mikrogrammmengen. Also, das ist dann schon eigentlich eine sehr hohe antimikrobielle, antibiotische Potenz."

    Ja, ganz richtig gehört! Allicin ist ein Antibiotikum, wie Alan Slusarenko bestätigt.

    Vor etwa 60 Jahren sei die keimabtötende Wirkung des pflanzlichen Fraßschutzmittels erstmals beschrieben worden, erzählt der gebürtige Brite und Professor für Pflanzenphysiologie in Aachen. Für einen Moment schien sogar eine Karriere von Allicin als Antibiotikum in der Medizin möglich. Doch es kam anders:

    "Allicin hat den Nachteil, dass es duftet. Und Penicillin, das zur gleichen Zeit entwickelt wurde, riecht nicht. Man hat schon lange versucht, die Aktivität zu trennen von dem Geruch. Und es ist bisher nicht gelungen."

    Gleichwohl ist der molekulare Stinker noch immer Forschungsgegenstand wie in der Aachener Pflanzenphysiologie, wo ständig mit Knoblauchsaft-Proben hantiert wird:

    "In der ökologischen Landwirtschaft kann man sich vorstellen, dass Allicin eingesetzt werden könnte. Es gibt samenbürtige Krankheiten. Man kann Samen dann behandeln. Eine Samenbeizung mit einem Allicin-Präparat."

    Das Biozid aus der Knoblauchknolle überrascht die Forscher noch immer. So zeigte sich, dass es sogar gegen Bakterien mit mehrfachen Antibiotika-Resistenzen wirkt. Bei anderen Tests trieb Allicin Tumor-Zellen in die Apoptose, in den "programmierten Zelltod".

    Es gibt allerdings noch ein Problem mit der Schwefelverbindung neben ihrem penetranten Geruch. Sie zerfällt sehr schnell ...

    "Wenn man an der Stabilität arbeiten könnte - das wäre sicher für eine kommerzielle Anwendung sehr wichtig."

    Alan Slusarenko empfiehlt übrigens, Knoblauch am besten roh zu essen, etwa in Salaten:

    "Allicin ist nur da eigentlich in großen Mengen in frischen Knoblauch-Präparaten."

    Und schon rümpfen viele erst recht die Nase. Was den Forscher aber nicht verwundert. Es gebe nun mal,

    "die, die Knoblauch lieben. Und die, die Knoblauch hassen. Es gibt keinen Mittelweg."


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