Burkhardt Müller-Ullrich: Die Kaimane sind eine Unterfamilie der Alligatoren innerhalb der Krokodile. Sie werden den Echten Alligatoren gegenüber gestellt. Kaimane kommen ausschließlich in Südamerika vor, mit Ausnahme des Krokodilkaiman, dessen Verbreitungsgebiet bis nach Mittelamerika reicht. "Der Kaiman" heißt ein Film von Gianni Moretti, der soeben in Italien angelaufen ist und eigentlich von Berlusconi handelt. Thomas Migge in Rom: Was für ein Kaiman ist denn der italienische Ministerpräsident?
Thomas Migge: Gianni Moretti hat sich für diese besonders aggressive Form der Alligatoren entschieden, die ein spitzes Maul haben und ein Gebiss, mit dem sie Knochen durchbrechen können, um die Aggressivität der politischen Person zu beschreiben, die er in seinem Film behandelt, wenn er von dem Medienzaren spricht.
Müller-Ullrich: Was ist denn in dem Film nun tatsächlich zu sehen?
Migge: Erzählt werden zwei Geschichten, zum einen die Geschichte eines Produzenten, der in einer tiefen Ehekrise steckt und seit Jahren nichts mehr produziert hat und einen Film über einen Medienzaren drehen will. Und die zweite, der zweite Handlungsstrang des Filmes, ist die Geschichte des Medienzaren, eines Medienzaren - der Name Berlusconi wird nicht genannt - der von einer Regisseurin gedreht wird, die eben das Geld von dem Produzenten bekommt. Die beiden Geschichten verlaufen parallel. Das Problem bei dem Film, den der Produzent finanziert, ist das, dass man keine Darsteller findet. Niemand will den Berlusconi und die anderen Darsteller des Films drehen und überall stoßen er und die Regisseurin auf Desinteresse. Und alle Leute sagen ihm: Schau, das ist eine Geschichte, die jeder kennt, das interessiert doch niemanden. Schließlich kommt es doch zu dem Film. Der Film wird gedreht. Die Ehe geht auseinander, des Produzenten. Und der Film endet mit einer sehr erschreckenden Atmosphäre. Der Medienzar des Films wird verurteilt wegen Korruption, verlässt den Justizpalast, steigt in seine Limousine und beim Wegfahren dreht er sich um und sieht, wie eine aufgebrachte Menge Menschen den Justizpalast stürmen, ihn in Brand stecken und die Richter, die den Medienzaren verurteilt haben, lynchen wollen. Genau das ist auch diese Atmosphäre dieses Films, diese bedrückende Atmosphäre, die Gianni Moretti rüberbringt mit seiner Story.
Müller-Ullrich: Das klingt aber eher nach einer Liebesgeschichte, nach einem, ja ich würde fast sagen, ruhigen, sanften Film und keineswegs nach dem Agitprop, der einen Ministerpräsidenten zu Fall bringen soll.
Migge: Genau, der Vorwurf des Agitprops wird seit Wochen geführt von Berlusconi und seiner Mitte-Rechts-Koalition. Es ist in keiner Weise Agitprop. Es ist ein Film im typischen Stil von Gianni Moretti, still, ruhig, mit einer sehr ruhigen Bildsprache, mit Musik, die ganz gezielt und soft eingesetzt wird. Es ist ein Beziehungsfilm, mit einer politischen Story vermischt, die ein Italien zeigt, wie es eben ist, nach fünf Jahren Berlusconi-Regierung.
Müller-Ullrich: Und es ist also keineswegs ein italienischer Michael Moore, der ja so etwas Ähnliches mit seinem Präsidenten versucht hat, nämlich die totale Demontage.
Migge: Das haben alle erwartet, und genau das ist es nicht geworden und das ist auch gut so. Denn in den letzten Wochen sind verschiedene Filme im Stil des Michael Moore in Italien herausgekommen, in denen das Leben und Wirken von Silvio Berlusconi vorgestellt wird. Mit zum Teil wirklich bedrückendem Bildmaterial, das bisher noch nicht veröffentlicht worden ist wie zum Beispiel mit der Gruft im Stil eines ägyptischen Pharaos, die sich Berlusconi im Garten seiner Villa errichtet hat.
Müller-Ullrich: Lassen sich die Italiener denn von so etwas politisch beeindrucken und nicht nur im Kino für eine oder zwei Stunden unterhalten?
Migge: Das ist jetzt die Frage, die Mitte-Rechts-Opposition behauptet genau dies, dass Moretti das wolle. Wahlforscher gehen davon aus, dass dieser Film bestimmte Stimmen von rechts nach links bewegen könnte, aber ich denke mir, dazu wird es nicht kommen. Denn die Fronten, pro oder contra Berlusconi, sind ziemlich aufgeteilt, ziemlich klein in Italien. Da wird ein Film, so ein Film, sicherlich nichts bewirken.
Müller-Ullrich: Und gleichwohl will er etwas bewirken. Das ist doch sicher anzunehmen bei Gianni Moretti, dass er Berlusconi nicht mag, so wie ja, wenn man überhaupt mit Künstlern und Intellektuellen spricht, Berlusconi der gehassteste Ministerpräsident seit je ist. So wie Bush in Amerika. Komischerweise wählen ihn die Leute.
Migge: Komischerweise wählen ihn die Leute. Und sicherlich ist er der meistgehassteste Ministerpräsident, und Moretti hasst ihn, und das hat er auch zum Ausdruck gebracht, weil er vor zwei Jahren eine politische Gruppe von Linksintellektuellen angeführt hat und auf die Straße gegangen ist, gegen Berlusconi und seine Medien und seine Medienpräsenz zu demonstrieren.
Müller-Ullrich: Ja und warum gibt es dann in Italien überhaupt noch Wähler für Berlusconi, wenn das nach außen hin immer so eindeutig scheint?
Migge: Es gibt sicherlich noch Wähler, weil Berlusconi etwas repräsentiert, was viele Linksintellektuelle nicht verstehen: dass er Erwartungen weckt, gerade bei den unteren Schichten, dass jemand es schaffen kann, dass jemand von unten kommen kann, es mit seinem eigenen Willen schafft, reich und mächtig zu werden. Was er dabei für Mittel benutzt, das ist vollkommen egal. In Italien ist jemand furbo, gerissen, das ist nichts Negatives, das ist sehr positiv besetzt. Und Berlusconi ist wirklich sehr furbo, sehr gerissen. Und deshalb ist auch nicht ausgeschlossen, dass Berlusconi unter Umständen noch einmal die Wahlen gewinnen könnte. Und das Problem der Linken ist, dass sie dieses, diese Faszination der Figur Berlusconis auf die Massen noch nicht begriffen haben.
Müller-Ullrich: Thomas Migge über ein kinematografisches Wahlkampf-Nebenschlachtfeld in Italien, den Film "Il Caimano" von Gianni Moretti.
Thomas Migge: Gianni Moretti hat sich für diese besonders aggressive Form der Alligatoren entschieden, die ein spitzes Maul haben und ein Gebiss, mit dem sie Knochen durchbrechen können, um die Aggressivität der politischen Person zu beschreiben, die er in seinem Film behandelt, wenn er von dem Medienzaren spricht.
Müller-Ullrich: Was ist denn in dem Film nun tatsächlich zu sehen?
Migge: Erzählt werden zwei Geschichten, zum einen die Geschichte eines Produzenten, der in einer tiefen Ehekrise steckt und seit Jahren nichts mehr produziert hat und einen Film über einen Medienzaren drehen will. Und die zweite, der zweite Handlungsstrang des Filmes, ist die Geschichte des Medienzaren, eines Medienzaren - der Name Berlusconi wird nicht genannt - der von einer Regisseurin gedreht wird, die eben das Geld von dem Produzenten bekommt. Die beiden Geschichten verlaufen parallel. Das Problem bei dem Film, den der Produzent finanziert, ist das, dass man keine Darsteller findet. Niemand will den Berlusconi und die anderen Darsteller des Films drehen und überall stoßen er und die Regisseurin auf Desinteresse. Und alle Leute sagen ihm: Schau, das ist eine Geschichte, die jeder kennt, das interessiert doch niemanden. Schließlich kommt es doch zu dem Film. Der Film wird gedreht. Die Ehe geht auseinander, des Produzenten. Und der Film endet mit einer sehr erschreckenden Atmosphäre. Der Medienzar des Films wird verurteilt wegen Korruption, verlässt den Justizpalast, steigt in seine Limousine und beim Wegfahren dreht er sich um und sieht, wie eine aufgebrachte Menge Menschen den Justizpalast stürmen, ihn in Brand stecken und die Richter, die den Medienzaren verurteilt haben, lynchen wollen. Genau das ist auch diese Atmosphäre dieses Films, diese bedrückende Atmosphäre, die Gianni Moretti rüberbringt mit seiner Story.
Müller-Ullrich: Das klingt aber eher nach einer Liebesgeschichte, nach einem, ja ich würde fast sagen, ruhigen, sanften Film und keineswegs nach dem Agitprop, der einen Ministerpräsidenten zu Fall bringen soll.
Migge: Genau, der Vorwurf des Agitprops wird seit Wochen geführt von Berlusconi und seiner Mitte-Rechts-Koalition. Es ist in keiner Weise Agitprop. Es ist ein Film im typischen Stil von Gianni Moretti, still, ruhig, mit einer sehr ruhigen Bildsprache, mit Musik, die ganz gezielt und soft eingesetzt wird. Es ist ein Beziehungsfilm, mit einer politischen Story vermischt, die ein Italien zeigt, wie es eben ist, nach fünf Jahren Berlusconi-Regierung.
Müller-Ullrich: Und es ist also keineswegs ein italienischer Michael Moore, der ja so etwas Ähnliches mit seinem Präsidenten versucht hat, nämlich die totale Demontage.
Migge: Das haben alle erwartet, und genau das ist es nicht geworden und das ist auch gut so. Denn in den letzten Wochen sind verschiedene Filme im Stil des Michael Moore in Italien herausgekommen, in denen das Leben und Wirken von Silvio Berlusconi vorgestellt wird. Mit zum Teil wirklich bedrückendem Bildmaterial, das bisher noch nicht veröffentlicht worden ist wie zum Beispiel mit der Gruft im Stil eines ägyptischen Pharaos, die sich Berlusconi im Garten seiner Villa errichtet hat.
Müller-Ullrich: Lassen sich die Italiener denn von so etwas politisch beeindrucken und nicht nur im Kino für eine oder zwei Stunden unterhalten?
Migge: Das ist jetzt die Frage, die Mitte-Rechts-Opposition behauptet genau dies, dass Moretti das wolle. Wahlforscher gehen davon aus, dass dieser Film bestimmte Stimmen von rechts nach links bewegen könnte, aber ich denke mir, dazu wird es nicht kommen. Denn die Fronten, pro oder contra Berlusconi, sind ziemlich aufgeteilt, ziemlich klein in Italien. Da wird ein Film, so ein Film, sicherlich nichts bewirken.
Müller-Ullrich: Und gleichwohl will er etwas bewirken. Das ist doch sicher anzunehmen bei Gianni Moretti, dass er Berlusconi nicht mag, so wie ja, wenn man überhaupt mit Künstlern und Intellektuellen spricht, Berlusconi der gehassteste Ministerpräsident seit je ist. So wie Bush in Amerika. Komischerweise wählen ihn die Leute.
Migge: Komischerweise wählen ihn die Leute. Und sicherlich ist er der meistgehassteste Ministerpräsident, und Moretti hasst ihn, und das hat er auch zum Ausdruck gebracht, weil er vor zwei Jahren eine politische Gruppe von Linksintellektuellen angeführt hat und auf die Straße gegangen ist, gegen Berlusconi und seine Medien und seine Medienpräsenz zu demonstrieren.
Müller-Ullrich: Ja und warum gibt es dann in Italien überhaupt noch Wähler für Berlusconi, wenn das nach außen hin immer so eindeutig scheint?
Migge: Es gibt sicherlich noch Wähler, weil Berlusconi etwas repräsentiert, was viele Linksintellektuelle nicht verstehen: dass er Erwartungen weckt, gerade bei den unteren Schichten, dass jemand es schaffen kann, dass jemand von unten kommen kann, es mit seinem eigenen Willen schafft, reich und mächtig zu werden. Was er dabei für Mittel benutzt, das ist vollkommen egal. In Italien ist jemand furbo, gerissen, das ist nichts Negatives, das ist sehr positiv besetzt. Und Berlusconi ist wirklich sehr furbo, sehr gerissen. Und deshalb ist auch nicht ausgeschlossen, dass Berlusconi unter Umständen noch einmal die Wahlen gewinnen könnte. Und das Problem der Linken ist, dass sie dieses, diese Faszination der Figur Berlusconis auf die Massen noch nicht begriffen haben.
Müller-Ullrich: Thomas Migge über ein kinematografisches Wahlkampf-Nebenschlachtfeld in Italien, den Film "Il Caimano" von Gianni Moretti.