Freitag, 19. April 2024

Archiv


Allzeithoch bei Weizenpreisen

Die äthiopische Regierung hat für das Jahr 2011 um internationale Nahrungsmittelhilfe für rund drei Millionen Menschen gebeten. Die Regierung setzt schon seit Jahren auf cash-crops. Riesige Landflächen werden an ausländische Unternehmen verpachtet. Mit fatalen Folgen für die äthiopische Bevölkerung.

Von Jutta Schwengsbier | 19.02.2011
    Savannen. Immergrüne Feuchtwälder. Alpines Klima. Durch die vielfältigen klimatischen Zonen hat Äthiopien eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt und ist eines von acht Zentren mit der größter Artenvielfalt der Erde. Mit seinen idealen Anbaubedingungen gilt Äthiopien als Ursprungsland des Kaffees und verschiedener Getreidearten. Die Hungerkrise in Äthiopien sei hausgemacht, kritisiert deshalb Ulrich Delius. Der Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker beobachtet seit Jahren, wie immer mehr Land an ausländische Unternehmen aus Indien, China oder Deutschland verpachtet wird.


    #'"Auf diesen Plantagen wird angebaut, alles was man sich vorstellen kann. Natürlich Ölpalmen für den Palmöl Export. Aber auch Ölsaaten, Kautschuk, sogar Zuckerrohr will man anbauen. Eine Pflanze, die man ansonsten in Äthiopien nicht normalerweise wirtschaftlich nutzt. 443 Und das eben letztendlich alles auf Kosten der äthiopischen Landbevölkerung. Weil diese Pflanzen und ihre Produkte werden exportiert werden zu 100 Prozent. Da wird nichts in Äthiopien bleiben. Obwohl dieses Land eben dringend selber auf Nahrungsmittel angewiesen ist.""

    Die äthiopischen Kleinbauern werden für die Großplantagen ausländischer Firmen von ihrem Land vertrieben. Immer mehr indigene Volksgruppen verlieren dabei ihre Lebensgrundlage und müssen seit Jahren durch internationale Nothilfe versorgt werden.

    "Der Ausverkauf von Land in Äthiopien hat immer dramatischere Ausmaße angenommen. Vor wenigen Tagen erreichte uns die Nachricht, dass Äthiopien nun eine Fläche von 54000 Quadratkilometern, das ist größer als die Niederlande, an ausländische und inländische Unternehmen verpachten will. Das sind meist Pachtverträge, die über 70 Jahre lang laufen und die für die Unternehmen sehr günstig sind. Es sind vor allen Dinge indische Unternehmen, die dies nutzen. Es wurden schon mehr als 300.000 Hektar Land indischen Unternehmen so zur Verfügung gestellt."

    Falsche Politikvorgaben, aber auch Klimaveränderungen und stark wachsenden Bevölkerungszahlen tragen zur Nahrungsmittelknappheit bei. Nicht nur in Äthiopien, sondern auch weltweit. Zum Jahresbeginn 2011 haben die Weizenpreise ein Allzeithoch erreicht. Bevölkerungsreiche Länder wie Indien und China versuchen inzwischen vorab große Mengen der kommenden Getreideernte aufzukaufen, sagt Lester Brown. Nach Ansicht des Direktors des Earth Policy Institute erfordere die bevorstehende Krise eine Mobilisierung aller Kräfte wie zu Kriegszeiten. Sonst drohe eine Katastrophe bislang unbekannten Ausmaßes.

    "China leidet unter Wassermangel, weil sich seine Grundwasserspeicher leeren. Zudem gehen viele seiner Anbauflächen verloren für Straßen, Parkplätze und Fabriken. Dadurch nimmt der Druck auf die Weltgetreidereserven stetig zu. Auch Russland, die Ukraine und Kazakhstan exportieren kein Getreide mehr. Das ist für viele ein Schock. Deshalb beobachten wir seit zwei, drei Jahren diesen enormen Run auf Landflächen. Wohlhabende importierende Länder versuchen Agrarflächen in anderen Staaten zu kaufen, um Nahrungsmittel für sich selbst zu produzieren."

    Damit nicht genug. Für Lester Brown steht ein weiterer Verursacher der Rekord-Weizenpreise fest: Die Ethanol-Produktion. In die Biotreibstoffe investieren vor allem die USA. Sie haben als weltweit größtes Anbauland im Jahr 2009 rund 420 Millionen Tonnen Weizen geerntet. Davon wurden 120 Millionen Tonnen in Ethanol Destillerien zu Autotreibstoff umgewandelt. Die Menge hätte gereicht, um 350 Millionen Menschen für ein Jahr zu ernähren. Aus diesem Grund müsse die Subventionierung von Biotreibstoffen sofort gestoppt werden, fordert Lester Brown. In den USA aber auch in Europa. Und um die drohenden Preissprünge bei Nahrungsmitteln abzufedern, müsse die internationale Gemeinschaft die Spekulation damit unterbinden. Seit Nahrungsmittel knapp werden haben sich die Kurse von Weizen oder Mais bei Warentermingeschäften an den Börsen vervielfacht.""

    "Wenn wir gemeinsam eine Weltgetreidereserve aufbauen, wäre die Spekulation mit Getreide und anderen Nahrungsmitteln beendet. Wir könnten dabei einen Stützpreis für Getreide einführen. Wenn der Marktpreis darunter fällt, könnte diese Institution Getreide aufkaufen und solange lagern, bis der Preis wieder ein bestimmtes Niveau übersteigt. Dann würde das Getreide wieder am Markt verkauft und so eine gewisse Preisstabilität sichern."

    Inzwischen ist die Hälfte der Weltbevölkerung von akutem Wassernotstand bedroht, weil die Grundwasserspiegel sinken. Deshalb sind bald Ernteausfälle und noch höhere Preise für Nahrungsmittel zu erwarten. Doch Europa und andere Länder sollten nicht nur über Versorgungssicherheit reden, sagt Anne Itto. Die Landwirtschaftsministerin des Südsudan fordert eine gleichberechtigte Zusammenarbeit, keinen Ausverkauf von Ressourcen wie zu Kolonialzeiten.

    "Wir haben 640 Tausend Quadratkilometer wundervolles Land. Nur vier Prozent davon werden bislang benutzt. Im Südsudan können sie produzieren. Wir werden das Land aber niemandem geben, damit er es für sich verwendet. Was wir wollen sind Technologien. Wissen. Marktzugang. Kapital. China wird im Südsudan kein zweites Äthiopien finden. Niemand wird das. Nehmen sie den Südsudan in die Landkarte für Nahrungsmittelsicherheit auf. Aber nicht als gefährdetes Land sondern als Staat, der viel anzubieten hat, wenn die richtigen Investitionen gemacht werden."

    Was Afrika vor allem fehle, sei Infrastruktur, Lagerhallen, hochwertiges Saatgut und Technologien, sagt Anne Itto. Angesichts der weltweit drohenden Hungerkrise sollten die wohlhabenden Staaten lieber afrikanische Länder dabei unterstützen, Nahrungsmittel anzubauen statt selbst in Afrika Großplantagen für die Biosprit Produktion aufzubauen.