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Alpen- und Klimaschutz

"Gletscher im Treibhaus" ist eine Wanderausstellung mit Fotos, die deutlich zeigen, was es für die Bergwelt bedeutet, wenn dem Klimawandel nicht Einhalt geboten wird. Vor fünfzig oder einhundert Jahren mächtige Gletscher sind sichtbar geschrumpft. Statt Eis wird das Bild der Neuzeit von Fels und Geröll geprägt. Bei einigen Fotos reichte schon eine Zeitspanne von 15 Jahren, um diese Veränderung zu dokumentieren. Wie es um die Zukunft der Gletscher steht, dazu veranstaltete der Deutsche Alpenverein gestern Abend sein "Bergforum 2004", eine Diskussionsrunde zum Thema Alpen- und Klimaschutz.

Von Wolfgang Nitschke |
    Einzig in Neuseeland und Norwegen gibt es heute noch Gletscher, die wachsen. Alle anderen Gletscher - ob der Kilimanjaro in Afrika, im Himalaja in asiatischen Hochland oder in den Alpen - gehen zurück und manche Gletscher haben in den letzten 15 Jahren bereits soviel Schmelzwasser abgegeben, wie die Stadt München pro Jahr verbraucht. Der Gletscher auf der Zugspitze beispielsweise wird in 20 Jahren wohl nicht mehr vorhanden sein. Zwar ist bekannt, dass Vergleiche hinken, aber Ludwig Braun von der Kommission für Glaziologie der bayerischen Akademie der Wissenschaften hatte einen treffenden Vergleich parat: Der Schnee, der fällt ist so etwas wie das Girokonto der Natur - mal kommt Kapital rein, mal fließt Kapital ab. Die Gletscher hingegen seien das Sparkonto, wo immer Kapital in Form von Eis liegen müsste. Und dieses Sparkonto schmilzt seit Jahrzehnten - der Mensch lebe also nicht mehr vom Verdienst, sondern von der Substanz. Die Gründe sind zahlreich, aber am meisten verantwortlich ist der Klimawandel.

    Es sind die Anzahl warmer Tage im Sommer und vor allem, wenn wir im Sommer mal Niederschläge haben und der Niederschlag als Regen fällt, nicht als Neuschnee, dann wird auch die Schmelze nicht gestoppt. Früher war es eben, wenn ein kühler Sommertag war, feucht - hat es weit hinunter geschneit und dann hatte das dunkle Eis wieder eine weiße Weste bekommen, so eine weiße Schneedecke. Es wurde dann die Schmelze halt wieder stark, drastisch gestoppt, weil dann wird wieder 90 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert. Dann braucht es wieder vier bis fünf Tage, bis überhaupt die Schmelze wieder in Gang kommt. Das bedeutet, es sind vor allem die Sommermonate, die wärmer geworden sind.

    Weil die Schneefallgrenze steigt und schon gestiegen ist. Professor Wolfgang Seiler, vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch-Partenkirchen.

    Man rechnet so etwa, das ist so eine Daumenpeilung, damit, dass pro Grad Celsius Temperaturzunahme die null Grad Grenze und damit natürlich auch die Schneefallgrenze im Durchschnitt um etwa 150 Meter ansteigt. Das heißt: wenn wir mit einer Temperaturzunahme in den nächsten 30 bis 40 Jahren um drei Grad Celsius rechnen, dann sind das so etwa zwischen 400 und 500 Meter.

    Die meisten Wintersportorte werden dann nur noch mit Schneekanonen weiße Bänder in grüne Landschaften legen können. Viel schlimmer aber ist, dass die Niederschläge, die ja bleiben werden, als Regen fallen und sofort aus dem Gebirge abfließen, weshalb mit einer gewaltigen Zunahme von Hochwasserkatastrophen zu rechnen ist. Und weil das Eis der Gletscher für viele Berge eine Art Fundament ist, wird die Schmelze zusätzlich auch zu vermehrten Felsstürzen und Muren führen. Noch einmal Ludwig Braun von der Kommission für Glaziologie der bayerischen Akademie der Wissenschaften.

    Unser Versuchsgletscher, den wir täglich auch genau untersuchen, da machen wir auch täglich Fotos, um zu sehen. Wenn Sie hier diese Fotos aneinander reihen, dann bemerken Sie hier plötzlich: Da ist innerhalb von ein paar Tage ein ganzer Kamm abgefahren und liegt jetzt da unten auf dem Eis. Oder, wir haben im letzten Jahr wahnsinnige Geschichten gehört. Matterhorn – dass ganze Partien abgefahren sind und Bergsteiger in Not gekommen sind. Dieser Art von Nachrichten werden sich sicher häufen.

    Die Prognosen für den Patienten Alpen sind also durchaus besorgniserregend und die Ökosysteme wohl nur durch ein Bündel von verschiedenen Maßnahmen zu retten. Der Bergwald muss beispielsweise in viel stärkerem Masse wieder aufgeforstet und umgebaut werden, als dies heute der Fall ist, um Muren zu stoppen und einen Teil des Wassers aufnehmen zu können.

    Am wichtigsten wäre es aber wohl die CO2-Emissionen massiv zu verringern. Das Gegenteil wird aber wohl der Fall sein - Experten rechnen in den kommenden 30 Jahren mit einer Zunahme der Emissionen, obwohl die Politiker im Kyoto-Protokoll eine Reduzierung beschlossen haben.