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Als Azubi an der Uni

Wer seine Karriere an einer der deutschen Universitäten beginnt, der tut das in der Regel als Student. In der Regel. Die Hochschule als Ausbildungsbetrieb haben dagegen viele gar nicht auf dem Schirm.

Von Conny Raupold | 24.09.2012
    Morgens um 8 Uhr: Tausende junge Menschen strömen auf das Universitätsgelände oberhalb der Wuppertaler Innenstadt. Unter ihnen ist Nicole Uhrig. Auch sie lernt hier. Nur ist ihr Abschluss kein Bachelor oder Master. In dreieinhalb Jahren ist sie staatlich geprüfte technische Produktdesignerin. An die Uni ist sie eher zufällig gekommen:

    ""Da hat mir die ARGE geholfen. Ich hab mir Ausbildungsplätze über die ARGE gesucht und die haben mir gezeigt, dass die Uni auch ausbildet und dass die nicht nur Studenten haben. Ich hab das bis vorletztes Jahr gar nicht gewusst, dass hier überhaupt ausgebildet wird, sondern hab gedacht, hier wird nur studiert.”"

    Nicole gehört zu den zwölf neuen Azubis, die die Bergische Uni dieses Jahr eingestellt hat. Sie sitzt in einem Büro mitten im Studierendenalltag. Nebenan läuft gerade ein Mathematik-Seminar. Zusammen mit einem weiteren Azubi, der hier ausgebildet wird, arbeitet sie an technischen Zeichnungen. Die beiden entwerfen in ihrem Job z.B. Werkzeuge, Schrauben oder auch Autoteile am PC.

    Ein paar Stockwerke drunter hat auch Marius Matzat seine Lehre angefangen. In einer übergroßen Werkstatt arbeitet er gerade an Rohren für Lüftungsanlagen. Sein Job: Anlagenmechaniker. Auch ihm hatte die Arbeitsagentur die Ausbildung hier empfohlen. Für ihn ist es noch ungewohnt, dass er jetzt in einem solchen Großunternehmen lernt. So ganz anders als der Sanitär-Fachbetrieb, in dem er vorher ein Praktikum gemacht hatte:


    " "Gewöhnungsbedürftig - sind viele Räume hier. Im Außendienst fährt man halt zu Kunden hin, spricht mit ihnen, macht seine Arbeit. Und hier gibt´s einfach mega-viele Räume, da muss man sich erstmal zurechtfinden.”"

    Wenn eine Leitung defekt ist, irgendwo der Wasserhahn tropft oder die Klospülung nicht funktioniert - Marius gehört zu denen, die es richten. Insgesamt 34 Azubis in 13 Berufen hat die Bergische Universität. Deutschlandweit bilden Unis aus - in welchem Umfang ist sehr unterschiedlich. Große Hochschulen wie Köln oder Berlin haben entsprechend mehr Lehrlinge: mehr als doppelt so viele wie die Wuppertaler Uni. Sie alle können die Infrastruktur vor Ort nutzen - gehen mit den Studierenden in der Mensa essen oder besuchen Vorlesungen. Die angehende Produktdesignerin Nicole Uhrig weiß das zu schätzen:

    ""Weil ich möchte nach meiner Ausbildung Maschinenbau studieren und das könnte ich direkt an der Uni hier weiterhin machen und kann jetzt schon in Lesungen reingehen, Übungen mitmachen und das ist halt so ein Vorteil gegenüber denen, die im Betrieb arbeiten.”"

    Was Nicole dagegen gar nicht schätzt ist, dass sie ständig ihren Ausbildungsbetrieb erklären muss. Wenn sie sagt, sie ist jetzt an der Uni, führt das regelmäßig zu Missverständnissen:

    ""Die haben das alle erst nicht verstanden, was ich mache. Die haben dann gesagt, an der Uni studiert man doch. Aber ich studiere ja hier nicht, sondern ich mache ja rein die Ausbildung, das verstehen die halt nicht. Dann muss ich immer erklären: Die haben halt auch Auszubildenden und nicht nur Studenten.”"

    Jan Augustin ist Ausbildungsleiter an der Wuppertaler Hochschule. Für ihn besteht ein großer Vorteil der Ausbildung an der Universität darin, dass die Azubis mehr Abwechslung haben als in vielen anderen, kleineren Betrieben - vor allem, was das Handwerk angeht:

    " "Wir haben hier keine zentrale Werkstatt, wo die Monate lang am Schraubstock stehen und feilen lernen, sondern die gehen wirklich fast vom ersten Tag an raus und reparieren oder installieren neue Anlagen.”"

    Die Azubis werden auch hier nach dem dualen System ausgebildet - mit Berufsschul-Tagen neben der Praxis. Ab sofort nehmen die Universitäten bundesweit die Bewerbungen für das nächste Ausbildungsjahr entgegen. Oft findet man bei den angebotenen Stellen Überraschungen. Einen Baustoffprüfer Asphalttechnik z.B. würden viele wohl kaum an der Hochschule erwarten. Die Wuppertaler Hochschule bildet diesen Beruf aber aus:

    " "Wenn jetzt z.B. eine Autobahn neu gemacht wird, gehen die da hin, machen Probebohrungen, nehmen den Kern dann mit in die Werkstatt, nehmen den auseinander und stellen dann fest, ob der Asphalt vernünftig ist - der Norm entsprechend.”"

    Der Ausbildungsleiter an der Bergischen Universität hofft, dass das Thema "Ausbildung an der Uni” populärer wird - so dass er im nächsten Jahr noch mehr neue Azubis - so wie Nicole Uhrig und Marius Matzat in diesem Jahr - begrüßen kann.