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Als Botschafter in Trainingshosen ungeeignet

Auch in der DDR war Fußball populärste Sportart. Doch im Gegensatz zu den kickenden Männern fristeten die Frauen lange nur ein Mauerblümchendasein, noch mehr als im Westen. Denn erst 1996, sieben Jahre nach der Wende, wurde Frauenfußball ins olympische Programm aufgenommen. Für die Spielerinnen und Trainer war das ein Dilemma.

Von Matthias Koch | 13.06.2011
    Ohne das Schaufenster Olympia kamen Fußballerinnen für die sozialistische Führung als "Diplomaten im Trainingsanzug" nicht in Frage. Trainer Bernd Schröder, seit 1971 bis heute in leitender Funktion bei Turbine Potsdam, weiß um die Konsequenzen:

    "Das war ein ganz klarer Nachteil ... nicht in Erscheinung getreten, wie es nötig gewesen wäre."

    Die Sportführung der DDR besaß kaum Interesse an der Förderung des Frauenfußballs. Vom Ansehen rangierten die Frauen, die beim Fußball-Verband der DDR der Kommission Freizeit- und Erholungssport zugeordnet waren, klar hinter dem Jugend- und Nachwuchsfußball.

    Dennoch entwickelte sich der Frauenfußball auch in der DDR. Vor allem in Dresden. Dort machte sich ein junger Mann aus Bulgarien als Visionär einen Namen: Vladimir Zwetkow war 1963 eigentlich nur zum Studieren in die DDR gekommen. Zwetkow - selbst Fußballer - spielte zunächst in der zweiten Mannschaft von Dynamo Dresden. Später war er Nachwuchstrainer bei der BSG Empor Dresden-Mitte. Auf dem Trainingsgelände im Ostragehege, fiel ihm eine Gruppe Handballerinnen auf, die regelmäßig zum Ausgleich Fußball spielte:

    "Wahrscheinlich hatte ich das Glück ... das war meine Idee."

    In Sachsen fand dann auch das erste offizielle Frauenfußballspiel in der DDR im August 1969 statt. Empor Dresden-Mitte, das Team von Zwetkow, siegte bei Empor Possendorf mit 2:0. Doch den Mannschaften der ersten Stunde fehlten weitere Gegner.

    Deswegen zog Zwetkow weiter. Von Empor Dresden-Mitte zu ZFK Rossendorf, Aufbau Dresden-Ost und Motor Dresden-Übigau. Überall gründet er Frauen-Fußball-Mannschaften:

    "Nur zu Sportfesten zu spielen, war zu wenig ... war kein anderer, der sich bereit erklärt Mannschaften zu gründen."

    Der Einsatz von Zwetkow und weiterer Pioniere in anderen Regionen lohnte sich. Die Popularität des Frauenfußballs wuchs und so musste auch der Fußball-Verband der DDR nachgeben. 1970 gab es mit der Dresdner Bezirksmeisterschaft die erste dokumentierte Punkterunde im Osten. Dennoch waren überregionale Wettbewerbe für die weiblichen Kickerinnen in der DDR weiter rar.

    Erst ab 1979 wurden flächendeckend Bezirks-"Bestenermittlungen" eingeführt, den Begriff Meisterschaft gestand man den Frauen nicht zu.

    Ab 1985 wurde die Bestenermittlung mit Vorrunde, Halbfinale und einem echten Endspiel ausgetragen. Vor 700 Zuschauern besiegte Turbine Potsdam Wismut Karl-Marx-Stadt mit 2:0.

    Den nächsten Sprung nach vorne machte der Frauen-Fußball in der DDR 1987 durch die Einführung einer zweigleisigen Liga. Doch für die Spielerinnen, wie Doreen Meier, damals bei Uni Jena und heute Bundesligatrainerin von Bayer Leverkusen, bedeutete das auch größere Reisestrapazen.

    "Jede Auswärtsfahrt war wirklich ein Abenteuer ... . Stehen im Gang."

    Bis zum Zusammenbruch der DDR kämpfen Turbine Potsdam und Rotation Schlema um die Vorherrschaft im Frauenfußball. Die Turbinen gewinnen sechs Mal die Meisterschaft, aber niemals den ab 1987 ausgespielten Pokal. Rotation Schlema, insgesamt zwei Mal DDR-Bester, wird mit drei Siegen Rekordpokalsieger. Den letzten Titel 1991 holt Schlema aber schon unter dem neuen Namen: Erzgebirge Aue.

    Der letzte Höhepunkt für den Ostdeutschen Frauen-Fußball findet im Mai 1990 statt: Im einzigen Länderspiel verliert die DDR in Potsdam gegen die CSFR mit 0:3. Auf der linken Außenbahn war auch Doreen Meier dabei.

    "Es war klar, gegen die CSFR hatten wir keine Chance ... irgendwie ein Reiz, dabei gewesen zu sein."

    1990/91 wurde die eingleisige Oberliga Nordost eingeführt. Meister Uni Jena und der Zweitplatzierte Erzgebirge Aue konnten sich für die gesamtdeutsche Bundesliga qualifizieren. Dagegen verpasste ausgerechnet Aushängeschild Turbine Potsdam zunächst den Sprung ins Oberhaus: Mehrere Stammspieler hatten den Verein Richtung Westen verlassen.

    Mit Birte Weiß aus Aue schaffte es in den Wendejahren nur eine einzige ostdeutsche Spielerin in die gesamtdeutsche Nationalelf. Über 20 Jahre nach der Wende spielten 2010/11 von den DDR-Vereinen lediglich Turbine Potsdam und Uni Jena in der 1. Bundesliga. Lok Leipzig erlebt in der kommenden Saison das Debüt im Oberhaus. Potsdam brachte es sogar zu Meisterehren und zwei Europapokalsiegen. Warum, weiß Trainer Bernd Schröder am besten:

    "Das Beste haben wir mit rüber genommen ... wir waren immer authentisch. Und das ist mit Geld nicht zu bezahlen."

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