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Als die Erde grün wurde

Geowissenschaft.- Die Erde ist ein Produkt der Lebewesen darauf. Sie greifen tief in die Mechanismen des Planeten ein und haben ihn im Laufe der Jahrmilliarden drastisch verändert. Nun untersuchen kanadische Forscher, welchen Einfluss die Eroberung der Kontinente durch die großen Landpflanzen auf den Erdball hatte.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die ersten Pflanzen waren klein, bildeten eher einen Filz, der feuchte Niederungen oder die Meeresküsten überzog. Die Moose und Lebermoose, Flechten und Algen konnten noch nicht tief in die Ökosysteme eingreifen: Gegen die Steinmassen eines ganzen Kontinents richteten sie kaum etwas aus. Das änderte sich jedoch, als die Pflanzen richtige Wurzeln entwickelten, Stützgewebe, wasserleitende Zellen und Blätter:

    "Bevor sich diese Gefäßpflanzen entwickelten, gab es beispielsweise keine Flüsse, wie wir sie heute kennen. Wir finden in den Steinen keine Anzeichen für Mäander, Ufer oder Flussauen. Vielmehr schafften die Regenfälle aus den Bergen Massen an Steinen und Sand heraus, die sie da abkippten, wo ihre Kraft nachließ. Die Kontinente sahen wie gigantische Badestrände aus. Heute finden wir so etwas am ehesten vor Gletschern oder auf dem Mars."

    Bevor Farne und Bärlappgewächse, Palmfarne oder gar Bäume auftauchten, bedeckte ein dickes Tuch aus Schutt die Kontinente, erzählt Neil Davies von der Dalhousie University im kanadischen Halifax. Jeder stärkere Regen löste Überschwemmungen aus:

    "Bevor es Gefäßpflanzen gab, bestanden die Drainagesysteme der Kontinente aus vergänglichen Regenwasserrinnen, die mal hier, mal da Wasser und große Sedimentmengen auf schnellstem Wege an die Küste transportierten. Es schoss regelrecht aus den Bergen heraus."

    Sobald der Regen aufhörte, trocknete das Land sofort aus, so wie heute in den Wüsten. Vor etwa 420 Millionen Jahren wagte die Evolution den nächsten Schritt, beschreibt Neil Davies: An Land wuchsen die ersten großen Organismen:

    "Es gab damals ein paar verrückte Gewächse. In Quebec beispielsweise fanden wir zwei, drei Meter große Prototaxis-Fossilien. Prototaxiten erinnern irgendwie an Eiben, waren aber vermutlich Pilze. Wenig später entwickelten sich dann die großen Gefäßpflanzen: Riesenfarne tauchten auf, Palmfarne, Bäume. Und mit diesen Pflanzen kamen tiefe Wurzeln ins Spiel."

    Vor rund 390 Millionen Jahren, als die Wurzeln finger- bis handlang groß geworden waren, übernahmen die Pflanzen die Herrschaft über die Kontinente. Ihre Wurzeln lockerten den Untergrund auf, lösten Nährstoffe aus den Steinen und trieben die Verwitterung an. Tiefe Böden entstanden, und die Landschaft veränderte sich:

    "Als die Pflanzen tiefe Wurzeln entwickelten, hielten sie das feine Material fest, stabilisierten das lockere Sediment. Die ersten richtigen Flüsse entstanden. Wir sehen, dass die Pflanzen das Wasser in ein Flussbett zwangen, es bremsten. Mäander bildeten sich aus, es gab plötzlich Flussufer und Auen, so wie bei einem Fluss heute. Die Pflanzenwurzeln hielten das Sediment zusammen."

    Die ersten Wälder wuchsen. Und mit ihnen verbesserten die Pflanzen selbst ihre Lebensbedingungen auf den bis dahin eher trockenen Kontinenten. Weil Wälder viel Wasser verdunsten, steigt der Wasserdampfgehalt in der Luft, es regnet mehr - und so kann sich der Wald bis in die Bergregionen hinein ausbreiten. Und: Die Gefäßpflanzen veränderten den Wasserzyklus:

    "Die Wurzeln durchlüften den Boden. Der Regen kann besser eindringen, weil sie wie Regenrohre wirken. Deshalb sammelten sich im Untergrund erstmals riesige Mengen an Grundwasser an."

    Überall an Land sprudelten Quellen. Die Steine verraten, dass das Ganze - für geologische Verhältnisse - in rasantem Tempo ablief.

    "Die Entwicklung der tiefen Wurzeln löste eine ganze Kaskade von schnellen Veränderungen aus. Es war eine Sache von zehn oder 20 Millionen Jahren."

    Damals stellt sich nicht nur der Wasserzyklus neu ein, sondern auch das Klima. Als die Erde ergrünte, stürzte der Kohlendioxidgehalt in der Luft ab, denn die Verwitterung lief auf Hochtouren und mehr und mehr Kohlenstoff landete in der Biomasse und endete als Kohle. Die Pflanzen beherrschten die Erde.