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Als die Konservendosen noch von Hand produziert wurden

Noch vor 100 Jahren gab es in deutschen Haushalten weder durchsichtig verpackte Pizza noch bunt bedruckte Kunststofftüten zum Einkaufen. Allerdings gab es damals bereits erste Versuche, Lebensmittel auf praktische und moderne Weise einzupacken. Was in deutschen Landen alles erfunden wurde, zeigt jetzt das Rheinische Industrie-Museum in Bergisch Gladbach. Unter dem Titel "Hülle um Fülle" präsentiert das Museum eine Sonderausstellung zur Geschichte der Verpackungen.

Von Mark Bernet | 02.08.2004
    Also bei diesen Flaschen, die wir hier in der Vitrine zeigen, sieht man, wenn man sich das Material genau ankuckt, dass es ein bisschen unhomogen ist, das es mal Schlieren hat, man sieht auch, dass die eine Flasche hier nicht ganz symmetrisch geformt ist und das hat was damit zu tun, wie die hergestellt worden sind, denn die sind mundgeblasen, das heißt in klassischer Handarbeit hergestellt, und dann wird eben nicht jedes Produkt wie das andere.

    Was Sabine Schachtner, Leiterin des Rheinischen Industriemuseums in Bergisch Gladbach hier erklärt, ist typisch für das frühe 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit gab es noch keine Massenproduktion von Industrieprodukten und auch der Handel mit Lebensmitteln und Waren spielte eine weitaus geringere Rolle als heute. Der Grund: Die Menschen lebten meist auf dem Land und produzierten ihre Lebensmittel wie Brot, Milch oder Butter selbst. Was man nicht selber herstellen konnte wurde auf Märkten eingekauft oder beim Bäcker und Fleischer erstanden. Als Behälter für die Waren dienten vor allem Körbe, Kisten, Fässer, Säcke oder auch Flaschen. Letztere galten jedoch als kostbares Gut, deshalb wurden sie kaum für Alltagsprodukte verwendet. Eine tiefgreifende Änderung beim Umgang mit Verpackungen brachte erst die Erfindung der Konservendose. 1810 erhielt ein Engländer das Patent zum Konservieren von Lebensmitteln in verzinnten Eisengefäßen, kurz darauf entstanden zuerst in England, später auch hierzulande große Lebensmittelfabriken:

    Die ersten Dosenfabriken in Deutschland gab es in den 1840er Jahren, eben für so Produkte wie Spargel oder feineres Gemüse und dann allmählich wurde das immer wichtiger, es fand Eingang in immer größere Bevölkerungskreise, aber noch bis nach dem 1. Weltkrieg war es so, das sich nicht der normale Arbeiterhaushalt Konserven leisten konnte, denn die waren dafür einfach zu teuer.

    Die frühen Dosen waren nicht nur wertvoll, sie unterschieden sich auch in der Herstellungsweise deutlich von der heutigen Massenware. Ähnlich wie bei der Flaschenherstellung waren damals mehrere Arbeitsgänge nötig, um eine Konservendose in Handarbeit zu produzieren. Dazu gehörte zum Beispiel das Schließen der Nähte oder auch das Auflöten des Deckels. Erst nach und nach gelang es der Industrie, die Dosenproduktion zu mechanisieren. Parallel zu den Dosen entwickelte sich Papier zu einem wichtigen Verpackungsstoff. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden die erste Firmen, die aus Karton oder Papier in großem Maßstab Tüten, Beutel und Schachteln fertigten. Sabine Schachtner vom Rheinischen Industriemuseum:

    Tüten wurden in großer Zahl vermehrt hergestellt ab den 1870er Jahren, weil es in der Zeit auch damit begann, das die Zahl der Einzelhandelgeschäfte, der Lebensmittelgeschäfte sehr stark zunahm und weil auf der anderen Seite für diesen neuen Bedarf Maschinen entwickelt wurden, die immer mehr Handgriffe bei der Tütenherstellung, aber auch bei der Schachtelherstellung mechanisch erledigten und damit Handarbeit immer überflüssiger machten.

    Unter all den verschiedenen Verpackungsmaterialien erwies sich Karton als besonders praktisch. Zum einen war er preiswert in der Herstellung, zum anderen konnte ihn die Industrie für die unterschiedlichsten Produkte verwenden - was beides übrigens bis heute gilt. Bereits um 1900 konnten Reisende einen faltbaren Taschentrinkbecher für Erfrischungen benutzen. Allerdings war dieser Becher nicht wasserdicht und deshalb nur einmal zu gebrauchen. Danach vergingen noch 30 Jahre, bevor die Jagenberg Werke in Düsseldorf die erste Einwegverpackung für Milch präsentieren konnten:

    Das ist mit Wachs beschichteter Karton, der sich Pergapackung nannte und einen runden Boden hat und sich dann aufbaut und oben zugefaltet wurde. In die wurden oft Schulgetränke abgefüllt, aber auch Milch in Milchgeschäften. Und die dann wiederum nächste Generation sind die Getränkekartons wie wir sie heute kennen, nämlich kunststoffbeschichtete Getränkekartons, die hat zuerst der Marktführer Tetra Pak hergestellt aus Schweden 1952.

    Die Ausstellung im Rheinischen Industriemuseum in Bergisch Gladbach zeigt aber nicht nur altehrwürdige Flaschen, Tüten, Dosen oder Schachteln. Die Besucher können sich auch mit Hilfe von Schautafeln über die Problematik der Müllentsorgung informieren. Dabei fällt auf: Papier, Karton und Pappe machen heute den größten Anteil unter den Verpackungen aus. Allein im Jahr 2001 fielen in diesem Bereich rund 6,2 Mio. Tonnen an, das waren 41 Prozent der gesamten deutschen Verpackungsproduktion.