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Als die Kunst ins Leben kam

Als Piero della Francesca starb, wurde Amerika von Columbus gerade erst entdeckt. Jetzt wird der alte Meister zum ersten Mal in den USA ausgestellt. Berühmt wurde Piero della Francesca vor allem durch sein Marienbild, das die schwangere Madonna zeigt.

Von Sacha Verna |
    Es war für die Ewigkeit gedacht, existierte in seiner ursprünglichen Form allerdings kaum 100 Jahre lang. Das ahnte natürlich niemand, als Piero della Francesca 1454 den Auftrag erhielt, das bis dahin größte Altarbild in Borgo San Sepolcro zu malen. Weshalb das mehrteilige Werk in der Augustinerkirche von Pieros Geburtsstadt 1555 zerlegt wurde und in Einzelstücken an lokale Privatsammler ging, weiß man nicht genau. Sicher ist jedoch, dass die Möglichkeit, sechs der acht erhalten gebliebenen Bildtafeln nebeneinander zu sehen, sich so bald nicht wieder bieten wird.

    "1936 kaufte Helen Clay Frick, die Tochter von Henry Clay Frick, das Bildnis von Johannes dem Täufer und damit das erste Werk von Piero della Francesca für eine öffentliche Institution."

    Nate Silver hat die Ausstellung organisiert, in der nun drei Leihgaben und die vier Werke der Frick Collection präsentiert werden, die mehr von Piero della Francesca besitzt als jede andere Sammlung außerhalb Italiens.

    "Piero war ein begnadeter Maler. Er konnte mit Ölfarbe und Tempera auf Holzplatten umgehen wie seine niederländischen Zeitgenossen und die Stofflichkeit des Abgebildeten mit enormer Feinheit wiedergeben. Zugleich verfügte er über die Fähigkeit, seine Figuren in einen perspektivischen Raum einzubetten und ihnen eine klassische Erhabenheit zu verleihen, die der Kunst seiner wichtigsten florentinischen Konkurrenten in nichts nachstand."

    Piero della Francesca, der 1492 80-jährig in Borgo San Sepolcro starb, arbeitete im Lauf seiner 60 Jahre währenden Karriere für die mächtigsten Herrscher Italiens, vom Fürsten von Urbino bis zum Papst. Dabei erwarb er sich auch und vor allem als Maler von Fresken einen Namen. Dass er sich nicht im Kunstzentrum Florenz niederließ, sondern immer wieder nach San Sepolcro, diese Grenzstadt zwischen Umbrien und der Toscana zurückkehrte, machte ihn zu einer Ausnahmeerscheinung. Aber auch stilistisch hob er sich von anderen ab:

    "Eines der spektakulärsten Beispiele für Pieros Fähigkeit, Lichteffekte einzusetzen, um Details hervorzuheben, sehen wir auf dem Bildnis des Heiligen Augustinus. Die Figur hält einen fast durchsichtigen Kreuzstab aus Kristall, den Piero so von Licht durchdrungen darstellt, dass er die Vorderseite des Bildes erhellt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht."

    Die Mitte des Altarbildes aus der Augustinerkirche in San Sepolcro ist verschollen. Stattdessen zeigt die Frick Collection eine von vier Engeln umgebene Madonna mit Kind, von der eine Weile sogar angenommen wurde, es handle sich dabei um die vermisste Tafel. Pieros Meisterschaft kommt darin einmal mehr hervorragend zum Ausdruck:

    "Piero verwendete nicht viele Gesten in seinen Bildern. Aber die kleinen Bewegungen, die er darstellte, haben Gewicht. Sie verleihen den Figuren eine Unmittelbarkeit, als würde gleich etwas geschehen, und sie bringen uns dazu, uns auf diese Individuen einzulassen."