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Als Doppeldecker schneller voran

Technik. - Auf einer Konferenz an der Universität Stuttgart ging es in dieser Woche hoch hinaus: Wie die Wolkenkratzer der Zukunft aussehen sollen, diskutierten dort Architekten, Ingenieure und Designer aus der ganzen Welt. In Taiwan wurde erst vor wenigen Wochen das zur Zeit höchste Gebäude der Welt gefeiert: Es ist 508 Meter hoch - aber die Pläne über noch höhere, mehr als 1000 Meter hohe Riesenhäuser werden schon diskutiert. Diese Höhen können aber nur mit sehr leistungsstarken Aufzügen erreicht werden. Die Firma ThyssenKrupp stellte daher in Stuttgart ein neues Aufzugssystem vor, das in der Grundidee simpel, in der Umsetzung allerdings revolutionär ist.

Sascha Ott |
    Beim Betreten der neue Zentrale der Deutschen Post, des Post-Towers am Bonner Rheinufer, wird das Problem mit einem Blick deutlich: Für die Büros der 2000 Mitarbeiter ist nur am äußeren Rand der Etagen Platz. Fast den gesamten Kern des Gebäudes hingegen füllen die Aufzugschächte. Gerhard Thumm, Ingenieur der ThyssenKrupp Aufzugswerke, sieht darin eine kostspielige Platzverschwendung.

    Wenn Sie sich mal vorstellen, dass Aufzüge in der Größenordnung von 30% an der Grundfläche beanspruchen, dann macht man sich natürlich Gedanken, wie man so etwas effektiver machen kann und die Förderleistung trotzdem beibehalten werden kann.

    Dieses Ziel will das Unternehmen mit TWIN erreichen, dem Zwillingsaufzug. Die Idee ist im Grunde naheliegend: Um Platz zu sparen, fahren zwei Aufzugkörbe in einem Schacht übereinander. Thumm:

    Die ursprüngliche Patentanmeldung datiert aus dem Jahr 1931. Nur waren sehr viele ungelöste Probleme vorhanden, die es bis in diesem Jahr unmöglich erschienen ließen, ein solches System an den Markt zu bringen.

    Das Hauptproblem liegt natürlich in der Gefahr einer Kollision der beiden Aufzüge. Um einen solchen Unfall zu verhindern, wurde TWIN mit einem mehrstufigen Sicherheitssystem versehen: Der Fahrgast wählt seine Zieletage schon, bevor er den Aufzug betritt, an einem Computer-Display und bekommt erst dann einen der beiden Aufzüge zugewiesen - den unteren, wenn er sich in einem unteren Stockwerk befindet, den oberen, wenn er in einer höheren Etage den Aufzug anfordert. Durch diese Aufteilung kommen sich die beiden Körbe computergesteuert nicht in die Quere. Problematisch wird es aber, wenn jemand von ganz unten bis nach ganz oben fahren möchte. Gäbe es in einem Haus nur TWIN Aufzüge, müsste er umsteigen, um sein Ziel zu erreichen. Thumm:

    Wir sehen TWIN immer in Kombination mit einer sogenannten Aufzugsgruppe, dass heißt mit einem ganz normalen Aufzug. Und wenn sie jetzt Ihren Fahrwunsch von ganz unten nach ganz oben der Steuerung mitteilen, dann wird dieser spezielle Fahrwunsch dem Einzelaufzug übergeben und somit können Sie ohne Umsteigen nach oben fahren.

    Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, kommunizieren die Körbe über ein Funksystem miteinander. Wenn sie sich zu nahe kommen, werden sie automatisch abgebremst. Gerhard Thumm ist überzeugt, dass mit den Zwillingsaufzügen in Wolkenkratzern viel kostbarer Raum eingespart werden kann. Thumm:

    Wir haben hier zu sehr viele Simulationen durchgeführt. Und wenn wir uns jetzt ein Gebäude von 100 Metern Förderhöhe vorstellen, In dem heute vier Aufzugschächte benötigt werden, in dem in jedem Schacht ein Aufzug betrieben wird, so können wir die selbe Förderleistung in Zukunft mit drei Schächten erreichen, wobei in zwei dieser drei Schächte TWIN installiert würden und im dritten Schacht ein konventioneller Aufzug.

    Und das ist eher eine bescheidene Schätzung. Denn zum Beispiel der Bonner Post-Tower wurde bei einer Höhe von 160 Metern mit zwanzig Aufzügen ausgestattet. Könnten ein Viertel davon, also fünf Schächte eingespart werden, dann wäre viel Platz gewonnen - und das auf jeder der 41 Etagen. Manche Ingenieure denken daher schon darüber nach, aus dem Zwilling einen Mehrling zu machen, also noch mehr Kabinen in einem Schacht unterzubringen. Thumm:

    Wenn man mehr Fahrkörbe in einem Schacht bewegen möchte, irgendwann die Seile und das Gegengewicht hinderlich wird und einfach vom Platzbedarf nicht mehr untergebracht werden kann. Es wird dann notwendig sein Linearantriebskraft zu verwenden, ähnlich wie es heute beim Transrapid verwendet wird. Es scheitert bisher da dran, dass diese Technologie sehr teuer ist, weil der entsprechende Motor entlang des gesamten Schachtes angeordnet werden muss. Und so hat sich diese Technik, obwohl grundsätzlich machbar, obwohl grundsätzlich machbar, wirtschaftlich noch nicht durchgesetzt.

    Seit Anfang des Jahres fährt der erste TWIN zur Probe in einem Studenten-Wohnheim in Stuttgart. Ab dem kommenden Jahr wird das neue System in der Zentrale von Thyssen in Düsseldorf seinem ersten wirklichen Härtetest unterzogen.