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Als erledigt betrachtet

Im April hatte der Dopinghilfeverein DOH eine Petition beim Bundestag eingereicht. Der Vorwurf: CDU-Minister Wolfgang Schäuble habe durch Sportfördermittel für Dopingtrainer die "rechtswidrige Verwendung von Steuermitteln" akzeptiert. Nun wurde die Beschwerde abgelehnt.

Von Jens Weinreich | 26.09.2009
    Kurzer Rückblick, April 2009: Eine Allianz von Sport und Politik akzeptierte pauschale Erklärungen ehemaliger Dopingtrainer als Grundlage für deren Weiterbeschäftigung aus Steuermitteln. Zu dieser Allianz zählten der Sport-Dachverband DOSB, der Leichtathletik-Verband (DLV), das Bundesinnenministerium (BMI) und - mit einer Ausnahme - die Mitglieder des Sportausschuss im Bundestag.

    Dagegen protestierten verdienstvolle Dopingaufklärer und der Dopingopferhilfeverein (DOH) - Störenfriede in der "Familie des Sports", in der "gemeinsamen Sportfraktion", wie Amtsträger in Sport und Politik gern formulieren.

    DOH-Chef Klaus Zöllig reichte Ende April eine Petition beim Petitionsausschuss des Bundestages ein, die sich gegen das BMI und Minister Wolfgang Schäuble (CDU) richtete. Schäuble habe "pauschal Verstöße (…) gegen zuwendungsrechtliche Vorschriften" und damit die "rechtswidrige Verwendung von Steuermitteln" akzeptiert. Der Bürger und Steuerzahler Klaus Zöllig verlangte nichts weniger als "die Einhaltung bestehender Gesetze" und eine rückwirkende Überprüfung der Sportfördermittel. Er forderte die Bundestagsausschüsse für Sport, Haushalt, Gesundheit und Menschenrechte auf, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

    Zöllig damals:

    "Wer Trainer, die dopingbelastet sind, 20 Jahre beschäftigt, verstößt ja ganz offensichtlich gegen die Vergabekriterien von Fördermitteln. Denn dort wird expressis verbis die Beschäftigung von belasteten Trainern untersagt. Wenn Fördermittel also angenommen werden und gleichzeitig ehemalige DDR-Trainer weiterbeschäftigt werden, dann muss das überprüft werden."

    Nun erhielt er die Antwort. Eine Sachbearbeiterin des Petitionsausschusses teilt Zöllig mit, seine Eingabe "wird als erledigt betrachtet".

    Die Petition wird gar nicht erst in den eigentlichen parlamentarischen Ausschuss gelangen, der von der Linken-Abgeordneten Kersten Naumann geleitet wird. Eine Stellungnahme jenes Ministeriums, das Zöllig umfassend kritisiert, habe ergeben, dass "keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten bestehen", teilt der Bundestag mit.

    Zöllig erhält eine elfseitige Stellungnahme des Ministerialdirektors Rüdiger Kass, Leiter der Abteilung Sport im BMI - eine Abteilung, die in Bonn weitgehend unkontrolliert von Parlament und Öffentlichkeit agiert und oft genug im Zentrum brisanter sportpolitischer Debatten stand. Auch im Bundestags-Sportausschuss läuft das seit Jahren so: Wenn jemand das BMI kritisiert, schreibt sich das BMI in der Regel selbst ein Gutachten – und damit ist die Kritik abgewehrt.

    BMI-Sportchef Kass behauptet in dem Papier an den Petitionsausschuss, die aktuellen Antidoping-Klauseln würden "eine zurückliegende Dopingbelastung" von Trainern "nicht erfassen" und könnten deshalb keiner "zuwendungsrechtlichen Überprüfung unterliegen". Dabei verweisen diese Klauseln doch auf Empfehlungen des Deutschen Sportbundes aus dem Jahr 1991, und dabei ist in diesen Verträgen zwischen BMI und Sportverbänden ausdrücklich "Mittelwiderruf bei Zuwiderhandlung" vorgesehen.

    Im Prinzip sagt BMI-Mann Kass: Wir haben immer alles richtig gemacht. Und er stellt einige Behauptungen auf, die näherer Prüfung möglicherweise nicht stand halten.

    • So sagt er in Bezug auf DDR-Doping, Staatsanwaltschaften hätten Dopingtaten "nicht nachweisen können".

    • So sagt er, die von Zöllig erwähnten Gerichtsentscheidungen über nachgewiesene Dopingtaten seien dem BMI "nicht bekannt". Deshalb könne er – Zitat – "fehlerhaftes Verhalten des Bundes nicht erkennen".

    • Zöllig hatte sich auch gegen die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter ausgesprochen. Ministerialdirektor Kass teilt dazu mit, er könne "tragende Gründe der Beschwerde des DOH nicht erkennen".

    Noch einmal: Die kritisierte Behörde entlastet sich selbst – und dies ist für den Petitionsausschuss Grund genug, die Petition abzulehnen.

    Die elf Seiten lesen sich teilweise wie eine Neuschreibung der deutschen Sport- und damit auch der Dopinggeschichte. Der BMI-Abteilungsleiter widerspricht sich, wenn er einerseits gerichtsfeste Belege in Abrede stellt, andererseits mit "belastbaren Fakten im Einzelfall" notiert. Da werden Taten negiert, gleichzeitig von "Tätern" gesprochen.

    Die Lügen der Trainer um Werner Goldmann etwa bei der Abgabe von "Ehrenerklärungen" werden nicht erwähnt. Die maßgeblichen Zuwendungsbescheide werden genauso wenig veröffentlicht wie andere wichtige Dokumente. Kass behauptet Sachverhalte – die teilweise nicht zu überprüfen sind, weil Sport und Politik Exklusivzugang zu den Akten haben.

    Es gibt viele weitere Fragen. Zum Beispiel: Sind Vernehmungsprotokolle der ZERV, Anklageschriften und Urteile in Dopingprozessen für das BMI keine relevanten Dokumente?

    Dieser großen Koalition von Sport, Exekutive und Legislative steht der Petent Klaus Zöllig zunächst geschockt gegenüber. "Das ist empörend", sagt er: "Der von mir Kritisierte, das BMI, schreibt sich selbst eine Entschuldigung, die der Petitionsausschuss ohne Prüfung akzeptiert. Das wird einem Rechtsstaat nicht gerecht." Im Frühjahr hatte er zur Entschuldungspauschale für Dopingtrainer gesagt:

    "Ob es ein Strafrechtstatbestand ist, das kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Jurist. Aber ich denke verwaltungsrechtlich liegt hier Fehlverhalten vor, und wenn ein Straftatbestand dahinter steht, muss er auch verfolgt werden."

    Klaus Zöllig wird die Behauptungen des BMI-Abteilungsleiters nun prüfen lassen - und danach entscheiden, ob er die Kraft aufbringt, juristische Maßnahmen einzuleiten.