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"Als Maler ein Profi und als Schauspieler ein Amateur"

Mit volkstümlichen politisch-satirischen Stücken hat sich der Dramatiker Dario Fo ein großes Publikum erobert, 1997 wurde dem Italiener der Literaturnobelpreis verliehen - eine Ausstellung in Mailand zeigt das Multitalent nun auch als Maler und Zeichner.

Von Henning Klüver |
    "Tutti i dipinti che vedete sono collegate alla Commedia dell’Arte ..."

    Alle Gemälde in diesem Raum hier, erläutert Dario Fo seine eigenen Werke, stehen mit der Commedia dell’Arte in Verbindung. Da gibt es zum Beispiel Darstellungen aus dem Leben von Ruzzante, dem Vater der Commedia dell’Arte aus der Renaissance. Daneben hängen Szenen mit tanzenden Gauklern, es folgen Skizzen für Bühnenbilder und bemalte Masken. Und man weiß nicht so recht, sind das nun Arbeiten eines Malers, der sich mit dem Theater auseinandersetzt, oder eines Komödianten, der die Malerei entdeckt hat.

    "Er ist wirklich Maler. Von sich selbst sagt Dario Fo: Ich bin als Maler ein Profi und als Schauspieler ein Amateur. In diesem Bonmot steckt viel Wahrheit. Er hat als bildender Künstler begonnen, er hat in Mailand auf der Brera-Kunstakademie studiert, und er hat auch später, als er zum Theater ging, nie aufgehört zu malen. Das Zeichnen und das Malen waren sogar existenziell für den kreativen Prozess bei seinen Bühnenstücken."

    Der Kunsthistoriker Francesco Poli beschäftigt sich schon seit Langem mit dem Maler Dario Fo. Was nicht ganz leicht sein muss, denn einer wie Dario Fo kennt keine Berührungsängste. Er malt wie Giotto den heiligen Franz, wie Caravaggio die Magdalena oder wie Picasso eine Strandszene. Er malt gegenständlich, erzählend und sucht überall einen satirischen Zugang. Martina Mazzotta von der Mazzotta-Stiftung, die die Ausstellung organisiert hat, zeigt sich deshalb begeistert:

    "Er hat auch über seine Farben und Ausdrucksmittel Freude kommuniziert. Ich nenne das eine Frühlingsausstellung, weil das ist überhaupt nicht deprimierend, wie viele andere Satiriker, die viel ernsthafter das Ganze nehmen."

    Gemälde, Zeichnungen, Kostüme, Handpuppen drehen sich ums Lachen, vor allem ums Verlachen der Mächtigen von Pontius Pilatus bis Silvio Berlusconi und Mario Monti. Wie in den Bühnenstücken bezieht Dario Fo auch in der Malerei seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Franca Rame, mit ein. Zum Beispiel bei einer Reihe von ironisch-kritischen Bildern zur Schöpfungsgeschichte.

    "Das ist eine Geschichte, die Franca auf die Bühne gebracht hat und die von der Rolle der Frauen von Adam und Eva an handelt. Es geht um einen Dialog mit Gott darüber, dass man allein Eva, also der Frau, die Schande und die ganze Schuld des Sündenfalls aufgeladen hat."

    Von religiösen Motiven etwa aus apokryphen Testamenten springen die Bilderzählungen zu politischen und sozialen Inhalten. Dario Fo verbindet den Turmbau zu Babel in explosiven Farben mit der geplanten Brücke von Messina, setzt das Erdbeben von L‘Aquila in Szene oder thematisiert die Landung von Afrika-Flüchtlingen in Lampedusa. Man wird geradezu erschlagen von den vielfältigen Themen, dem Wirbel der Farbtöne und den Stilübungen, die oft sicheres Gespür für Formen verraten, aber manchmal vor Ausrutschern in puren Kitsch nicht gefeit sind. Am Ende stehen Arbeiten aus den Anfangsjahren seiner Akademiezeit, zum Beispiel ein ernstes, ganz eindringliches Selbstporträt. Francesco Poli versucht eine Einordnung:

    "Wie viele Künstler der Avantgarde nach dem Krieg durchläuft der junge Dario Fo in Mailand zunächst eine postkubistische Phase, man spürt einen gewissen Einfluss von Picasso. Dann beginnt er sich in Chagall zu verlieben. Diese Malerei des Märchenhaften mit ihren erzählerischen Elementen, die Fröhlichkeit der Farben, das fasziniert ihn an Chagall, auch dass Chagall Nähe zum Theater gesucht hat. Imagination und die Tradition der Commedia dell’Arte binden schließlich alles zusammen."

    Sicher ist in Mailand keine malerische Ausnahmeerscheinung zu entdecken. Aber Dario Fo setzt eine Traditionslinie fort zu der auch Autoren wie August Strindberg oder Wladimir Majakowski, Hermann Hesse oder Günter Grass gehören, die alle beharrlich – und oft erfolgreich – Ausflüge in die bildende Kunst unternommen haben.