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Als Richter vor Gericht standen

Sie waren führende Staatsanwälte und Richter im Nationalsozialismus. Sie wirkten an Euthanasie-Gesetzen und Rassen-Reinheitsprogrammen mit. Sie fällten Todesurteile für kleinste Delikte: 16 NS-Juristen stehen am 17. Februar 1947 selbst vor Gericht, angeklagt von den Alliierten beim Nürnberger Juristenprozess. Zwölf werden verurteilt, vier von ihnen bekommen lebenslänglich. Doch spätestens 1956 werden alle Verurteilten begnadigt und beziehen stattliche Pensionen.

Von Dörte Hinrichs und Hans Rubinich | 15.02.2007
    "Wir haben hier die Männer, die eine führende Rolle spielten bei der Zerstörung des Rechts in Deutschland. Sie werden in Übereinstimmung mit dem Gesetz verurteilt werden. Es ist mehr als angemessen, dass diese Männer unter dem verurteilt werden, was sie als Juristen anderen verweigerten. Ein Urteil unter dem Gesetz ist das einzige gerechte Schicksal für die Angeklagten. Die Anklage fordert nichts anderes. "
    Nürnberg 17. Februar 1947. Im Schwurgerichtssaal des Justizpalastes eröffnet der amerikanische Brigadegeneral und Hauptankläger Telford Taylor den Juristenprozess.

    Der Justizpalast in Nürnberg ist einer der wenigen unzerstörten Gebäude in der zerbombten Stadt. Hier, wo die Führer der NSDAP sich wenige Jahre vorher auf ihren Reichsparteitagen feiern ließen, sitzt nun ein Teil der ehemaligen juristische Elite auf der Anklagebank: Haupttäter, Mittäter, Anstifter, Vorschubleistende. Damals waren sie zum Beispiel Vorsitzende von Sondergerichten, die Juden, Zigeuner und Angehörige aus den besetzten Gebieten verurteilten.

    Sie haben nicht nur Todesurteile gefällt, sondern auch mitgewirkt an den Rassen-Reinheits-Programmen und Euthanasie-Gesetzen. Damit legitimierten sie den Mord an 100.000 geistig und körperlich Behinderten.

    Vor dem Hauptankläger Telford Taylor stehen 16 führende Staatsanwälte und Richter sowie Juristen des Reichsjustizministeriums. Wichtige Repräsentanten der NS-Justiz fehlen jedoch:

    "Die höchsten Nazijuristen waren tot: Der Justizminister Thierack hatte sich das Leben genommen, der Volksgerichtshofpräsident Freisler war im März von einer alliierten Fliegerbombe getötet worden. Und so war der höchstrangige, der im Nürnberger Juristenprozess angeklagt war, Franz Schlegelberger, Staatssekretär im Justizministerium bis 1942. Und dann neben ihm ein Sondergerichtsvorsitzender Rothaug, richtiger Blutrichter, was Schlegelberger ja nicht war. Der war mehr ein Schreibtischtäter."

    So Ingo Müller, Professor für Strafprozessrecht an der Fachhochschule in Hamburg und Autor des Buches "Furchtbare Juristen". Franz Schlegelberger beteiligte sich an den gesetzlichen Grundlagen, um Polen und Juden auszurotten. Auf einer Tagung des Nationalsozialistischen Juristenbundes hatte Reichsjustizkommissar Hans Frank schon 1933 Rassenreinheit gefordert:

    "Es ist daher Aufgabe des Rechts, diese, das charakteristische des deutschen Lebens ausmachende und die schöpferische Wurzel aller deutschen Art gewährleistende Rassensubstanz des deutschen Volkes, mit aller Macht, aller Welt gegenüber zu schützen. "

    Dafür machte sich Franz Schlegelberger stark. Der Staatssekretär im Reichsjustizministerium erläuterte im April 1941 vor etwa 100 führenden Juristen in Berlin den Umgang mit der geheimen Euthanasieaktion T 4 zur "Vernichtung unwerten Lebens". Alle eingehenden Strafanzeigen gegen die Euthanasiemorde sollten von den Generalstaatsanwälten unbearbeitet an das NS-Justizministerium weitergeleitet werden. Dort landeten sie dann im Reißwolf.

    Die Amerikaner verurteilen Schlegelberger schließlich zu lebenslanger Haft. Noch drei weitere Juristen bekommen lebenslänglich, andere langjährige Haftstrafen. Doch spätestens 1956 sind alle der insgesamt zwölf Verurteilten in Nürnberg wieder auf freiem Fuß.
    Keiner der Angeklagten wird wegen einfachen Mordes oder bestimmter Gräueltaten belangt. Vielmehr unterstützten sie das staatlich organisierte System der Grausamkeit und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen, hieß es in der Anklageschrift.

    Die Angeklagten sind sich keiner Schuld bewusst, sie berufen sich auf die damaligen Gesetze und behaupten, sie hätten immer nur geltendes Recht angewandt.

    "Tatsächlich war es ein ganz grober Denkfehler, wie es gerade einem Juristen nicht unterlaufen sollte, denn: Was heißt zwingendes Recht? Die meisten NS-Gesetze, die enthielten einen ganz großen Ermessens-Spielraum. Die Machthaber haben sich nicht getraut einfach für kleinste Delikte und Bagatellsachen automatisch die Todesstrafe vorzusehen, sondern das hatten sie in das Ermessen der Richter gestellt,"

    berichtet Dr. Helmut Kramer. Der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Braunschweig hat 1999 mit anderen Juristen das "Forum Justizgeschichte" in Wolfenbüttel gegründet. Gemeinsam untersuchen sie die Rolle der NS-Juristen vor und nach 1945.
    In sehr vielen Fällen, so Kramer, hätten die Richter im Nationalsozialismus zum Beispieldie "Volks-Schädlings-Verordnung" oder die Wehrkraftzersetzungs-Ordnung" bis zum Äußersten ausgeschöpft.
    Wie etwa Oswald Rothaug, ebenfalls Angeklagter im Juristenprozess in Nürnberg. Der Stadt, in der er von 1937-1943 selbst einem Sondergericht vorstand, das als besonders brutales Instrument der NS-Herrschaft galt.

    Rothaug verurteilte zum Beispiel 1941 den über 60-jährigen jüdischen Kaufmann Leo Katzenberger wegen Rassenschande zum Tode.
    Die Bedenken des Landgerichtsarztes zerstreute er damals mit den Worten:

    "Für mich reicht es aus, dass dieses Schwein gesagt hat, ein deutsches Mädchen hätte ihm auf dem Schoß gesessen."

    Im Nürnberger Juristenprozess verurteilen die Amerikaner auch den ehemaligen NS-Richter Oswald Rothaug zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe.

    Nicht nur mit dem Nürnberger Juristenprozess 1947, auch mit dem Aufbau eines neuen deutschen Rechtssystems wollen die Alliierten Maßstäbe setzen. Dr. Klaus-Detlev Godau-Schüttke, Richter am Landgericht Itzehoe und Rechtshistoriker:

    "Die UdSSR in ihrer Besatzungszone hat alle NS-Richter und Staatsanwälte hinausgeworfen. Die haben ganz konsequent gehandelt und wieder Volksrichter eingesetzt. "

    In seinem 2006 erschienenen Buch "Hammer, Zirkel, Hakenkreuz - Wie antifaschistisch war die DDR?" untersucht Detlef Joseph, wie die Sowjets und später die DDR mit ehemaligen Nazis umgingen:

    " Man geht davon aus - und diese Zahl ist amtlich von der DDR veröffentlicht worden - dass insgesamt 149 NS-Juristen auf dem Gebiete der SBZ beziehungsweise DDR verurteilt worden sind."

    Joseph, der von 1961-1991 an der Humboldt-Universität Berlin Staats- und Rechtstheorie lehrte, beschreibt auch, nach welchen Kriterien in der sowjetischen Besatzungszone ab Februar 1946 künftige Richter und Staatsanwälte ausgesucht werden:

    "Man hat begonnen unbelastete Menschen, die sich als Antifaschisten ausgewiesen hatten einfach zu beauftragen, ihr sollt jetzt Richter werden, ihr sollt jetzt in der Justiz arbeiten. Es gab dann entsprechende Schulungskurse, wo sie dann von Juristen qualifiziert worden sind. Und langsam aber sicher ist dieses System aufgebaut worden. Alle mussten dann- wenn sie nur geringe Ausbildung hatten- zu Weiterbildungs-Kursen. Das hat eine ganze Weile gedauert. Mit vielen Problemen, aber es waren keine Nazis in der Justiz. Das kann man mit ruhigem Gewissen konstatieren."

    1947, im Jahr des Nürnberger Juristenprozesses, betrauen die Westalliierten die westdeutschen Behörden mit der Entnazifizierung.
    Schon unmittelbar nach Ende des Krieges zeigen sich die Briten in ihrem Besatzungsgebiet erfinderisch im Umgang mit NS-Belasteten, wie Klaus-Detlev Godau-Schüttke erläutert:

    "Im Oktober 1945 wurde die so genannte Huckepackregel in den Westzonen auf Drängen der OLG-Präsidenten eingeführt. Für jeden Belasteten konnten ohne nähere Untersuchung, ich betone, ein formell Unbelasteter wieder eingestellt werden. Meiner Meinung nach ist schon im Oktober 1945 die Entnazifizierung tot gewesen oder beendet bevor sie anfing."

    Anfang der 50 er Jahre sorgt dann das Ausführungs-Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes für weitere Einstellungen. Es besagt:

    "Dass allen Beamten, die aus anderen als dienstrechtlichen Gründen, auf deutsch: allen Nazi-Beamten, die nach dem Krieg von der Besatzungsmacht entlassen worden waren, wurde eine Wiedereinstellung zugesichert. Nur zwei Ausnahmen gab es: Hauptbelastete aus den Entnazifizierungs-Verfahren waren ausgenommen und Gestapo-Agenten. Aber alle anderen hatten einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung oder wenn sie zu alt waren, auf Versorgungsbezüge."

    Es ist noch nicht einmal ein Mangel an Juristen, der zu dieser "großzügigen" Regelung im Westen Deutschlands führt, denn, so Ingo Müller:

    "Man konnte mühelos die Stellen alle besetzten. Man muss sich vorstellen, dass die kleine Bundesrepublik, die drei Westzonen ja nur einen Bruchteil ausmachte, nicht einmal die Hälfe des ehemals großdeutschen Reiches und alle strömten in die kleine Bundesrepublik, die Plätze waren teilweise. doppelt und dreifach besetzt. Mangel herrschte nicht."

    An eine gezielte Rückholaktion von Emigranten für den Wiederaufbau einer demokratischen deutschen Justiz denkt man nicht. Kein NS-Staatsanwalt und kein NS-Richter verliert nach 1945 seinen Posten, mit Ausnahme der Angeklagten im Nürnberger Juristenprozess.

    Godau-Schüttke: "Alle wurden wieder eingestellt, weil sie im Rahmen der Entnazifizierung als entlastet oder als Mitläufer eingestuft wurden. Und als Mitläufer brauchten sie nur ein halbes Jahr auf zehn Prozent ihrer Bezüge zu verzichten. Jeder hat wieder schnell sein Amt gefunden."

    1951 führte eine Welle von Begnadigungen dazu, dass alle Verurteilten des Nürnberger Juristenprozesses wieder auf freien Fuß kommen - bis auf den "Blutrichter" Oswald Rothaug, der erst 1956 aus der Haft entlassen wird. Die Adenauer-Regierung der noch jungen Bundesrepublik plädiert - ganz im Sinne weiter Bevölkerungskreise - für einen Schlussstrich unter die Vergangenheit. Ingo Müller:

    "Spätestens Anfang der 50er Jahre, nach Geltung des Artikel 131 GG und des entsprechenden 131er Gesetzes, strömten zuvor entlassene alte Nazis, Nazi-Beamte, Nazi-Richter wieder in den öffentlichen Dienst. Und man kann von da an ein deutliches Umkippen in der Tendenz der Rechtssprechung beobachten. Bis 1950 gab es pro Jahr etwa 6000 Verfahren gegen Nazi-Verbrecher, ab 1950 gab es pro Jahr noch mal 30, 20, manchmal nur 15, aber es hört eigentlich schlagartig auf, Anfang der 50er Jahre."

    Während immer mehr ehemalige NS-Richter und Staatsanwälte wieder in Amt und Würden kommen, müssen sich immer weniger Nazi-Verbrecher vor Gericht verantworten. Stattdessen beginnt in den 50 er Jahren eine Anklageflut gegen Kommunisten: Rund 125.000 Ermittlungsverfahren werden eingeleitet und es kommt zu mehr als 7000 Verurteilungen.

    Ein typischer Fall ist Walter Timpe, Journalist und KPD-Mitglied. Er und seine Kollegen schreiben für die Tageszeitung "Die Wahrheit/ Neue Niedersächsische Volksstimme". Im Mai 1955 stehen sie vor der Großen Strafkammer des Lüneburger Landgerichts - wegen kritischer Zeitungsartikel über Konrad Adenauer. Anklagevertreter ist der ehemalige NS-Staatsanwalt Karl-Heinz Ottersbach, Richter ist Konrad Lenski.

    "Karl Heinz Ottersbach war 1940/41 Staatsanwalt im oberschlesischen Kattowitz. Und er war zuständig für die Sondergerichtsverfahren. Dazu muss man wieder wissen, dass das Vorgehen der Justiz gegenüber Polen noch viel schlimmer war als gegenüber deutschen Staatsbürgern. Dazu ein Beispiel: Da war eine Frau, dessen Mann war schon - es waren beide Juden - in Konz im Lager. Die Frau musste ihre fünf Kinder versorgen und hat auf dem Schwarzmarkt ein Kaninchen eingetauscht. Dafür wurde sie jetzt zu acht Jahren Zwangslager verurteilt. Ottersbach hatte noch viel mehr beantragt. Und das älteste der Kinder, acht Jahre alt, schreibt ein Gnadengesuch: Wir sind schon fast am Verhungern, das Jüngste ist erst sechs Monate alt. Ich habe nichts mehr für meine Geschwister zu essen. Und er hat das Schriftstück einfach zu den Akten genommen."

    Berichtet Helmut Kramer vom "Forum Justizgeschichte". Und auch der Richter Konrad Lenski, ist kein unbeschriebenes Blatt:

    Kramer: "Lenski hat sowohl am Reichskriegsgericht sehr viele Todesurteile gefällt und noch mehr Todesurteile als Militärrichter in Elsaß-Lothringen. Er war in Straßburg und hat dort viele französische Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt."

    Zehn Jahre nach Kriegsende sitzen nun Ottersbach und Lenski über den kommunistischen Journalisten Walter Timpe von der "Neuen Niedersächsischen Volksstimme" zu Gericht:

    "Ich war Redakteur von 1953-56, da ist die Zeitung kein einziges Mal verboten worden. Da griff man sich die Redakteure: Nach der Reihe, wurden die Urteile gesprochen. "

    Timpe und seine Kollegen werden zu einem beziehungsweise zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

    Am 6, November 1958 gründen die Justizminister der Länder die "Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg bei Stuttgart.
    Rund 100.000 Nazi-Verbrecher werden in den nächsten 40 Jahren ausfindig gemacht, allerdings werden nur 6.500 rechtskräftig verurteilt. Doch darunter ist kein einziger NS-Richter. Willy Dreßen, ehemaliger Leiter der Zentralstelle:

    "Das lag an der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes. Der BGH hat also gesagt: In diesen Fällen ist Rechtsbeugung nur dann gegeben, wenn die Leute gegen ihre Überzeugung gehandelt haben. Die konnten aber immer nachweisen, oder haben das jedenfalls gesagt: Ich war eben damals ideologisiert. Und infolgedessen glaubte ich Recht zu sprechen, indem ich dieses Todesurteil verkündet habe. Da können Sie ihm schlecht das Gegenteil nachweisen.
    Das hat dazu gereicht, dass man die großen Fische nicht verurteilen konnte. Der BGH hat von dieser Rechtssprechung 1996 im Rahmen eines Verfahrens gegen einen Richter aus der damaligen DDR abgerückt und hat auch gesagt, dass die Rechtssprechung verfehlt gewesen ist. Aber da war es zu spät."

    Der Richter Dr. Klaus-Detlev Godau-Schüttke hat vor kurzem eine umfangreiche Publikation über den Bundesgerichtshof vorgelegt. Die 30-jährige Sperrfrist für viele Personalakten war gerade abgelaufen, als Godau-Schüttke seine Recherchen begann. Er vertiefte sich in Materialen, die bisher streng geheim waren.

    Er geht nun davon aus, dass NS-Richter weit mehr Todesurteile ausgesprochen haben als bisher angenommen. Über 50.000 Verurteilungen sind aktenkundig. Eine Dunkelziffer muss es ebenso geben, da die Sondergerichte ihre Hinrichtungen nur manchmal angaben.

    Dennoch konnten die Juristen ihre Karrieren fortsetzen. Wer zu alt war, bezog immerhin noch hohe Pensionen. Franz Schlegelberger, Staatssekretär im Reichsjustizministerium und kurze Zeit Reichsjustizminister wurde im Nürnberger Juristenprozess nicht nur frühzeitig begnadigt, er bekam auch eine stattliche Entschädigung. Ingo Müller:

    "Schlegelberger, der Staatssekretär im Justizministerium als höchster Angeklagter bekam 280.000 Mark Gehalt nachgezahlt für die Jahre 1945-1950. Muss man sehen in einer Zeit, wo der Facharbeiterlohn 200 Mark betrug. Aber Schlegelberger blieb nach wie vor einer der angesehensten deutschen Juristen des 20.Jahrhunderts."

    Als Schlegelberger und 15 andere führende Nazijuristen vor 60 Jahren in Nürnberg auf der Anklagebank sitzen, nimmt die Öffentlichkeit kaum Notiz davon. Von den Juristen wird der Prozess regelrecht boykottiert und in den Fachpublikationen weitgehend totgeschwiegen. In der Bundesrepublik konzentrierten sich die Menschen vielmehr auf den wirtschaftlichen Aufbau des neuen Staates - Kritik an personellen und inhaltlichen Kontinuitäten steht nicht auf der Tagesordnung.

    Was hat nun der Nürnberger Juristenprozess von 1947 bewirkt? Immerhin, so Detlef Joseph, wurde damals fixiert, wie selbst die Justiz zum Instrument systematischen Verbrechertums gemacht worden ist. Als der amerikanische Hauptankläger Telford Taylor den Juristenprozess vor 60 Jahren im Nürnberger Justizpalast eröffnete, sprach er von einem "Tempel der Gerechtigkeit". Ist er diesem Anspruch gerecht geworden?

    Joseph: " Nein muss man allerdings sagen, dass der Anspruch nicht erfüllt worden ist, weil ungeachtet der strafrechtlichen Verurteilung einiger Personen, für diese durchaus eine schnelle Begnadigung stattgefunden hat. Nicht nur eine schnelle Begnadigung, sondern auch eine Reintegration der Nazijuristen in das System. Schließlich waren die Ziele des Verfahrens ja allgemein das politische System mit seinem Unrechtscharakter anzuklagen, andererseits die Grundlage dafür zu schaffen, dass die nachfolgende Entnazifizierung der Justiz wirkungsvoll durchgeführt werden konnte und Signale gegeben worden sind für die strafrechtliche Verfolgung von Nazijuristen, und schließlich auch ein Beitrag geleistet werden sollte für die Ausbildung eines internationalen völkerrechtlichen Strafrechts.
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