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Als wäre nichts gewesen

Deutsche Sportfachverbände halten sich bei der offensiven Aufarbeitung der Dopingvergangenheit von Trainern und Funktionären zurück. Beispiel: der Deutsche Schwimmverband. Seit nunmehr 20 Jahren sind mehrere DDR-Dopingtrainer bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen im Einsatz gewesen.

Von Thomas Purschke | 13.04.2009
    Als vor den Sommerspielen in Peking auch die Personalie von Schwimmtrainer Norbert Warnatzsch diskutiert wurde, der 1977 mit seiner Trainingsgruppe von jungen Männern beim Sportclub Dynamo Berlin an einem Großversuch mit Dopingmitteln teilnahm, hieß es von Seiten des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Schwimmverband prüfe den Vorgang.

    Jetzt, mehr als acht Monate danach, kann die Präsidentin des Deutschen Schwimmverbandes, Christa Thiel, eine Juristin, keine konkrete Auskunft über den Stand der Prüfungen geben. Auf Nachfrage teilt die Verbandschefin mit, man sei aktuell mit der Konsolidierung der derzeitigen Finanzsituation des DSV und anderen Dingen voll ausgelastet. Zudem seien die dopingbelasteten einstigen DDR-Trainer Norbert Warnatzsch und Bernd Henneberg laut Frau Thiel niemals beim Schwimmverband angestellt gewesen. Die Tatsache, dass beide Trainer seit der Wiedervereinigung mehrfach bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen als Mitglieder der deutschen Nationalmannschaft im Einsatz waren, scheint für die Präsidentin nicht relevant.

    Der 62-jährige Norbert Warnatzsch war als Trainer von Franziska van Almsick 2004 in Athen und 2008 als Coach der zweifachen Olympiasiegerin Britta Steffen Mitglied der deutschen Olympiamannschaft. Warnatzsch hatte gegenüber dem ZDF im Juli 2008 erklärt, er habe in der DDR nur Männer trainiert und insofern nichts mit Doping zu tun gehabt.

    Der 63-jährige Magdeburger Schwimmtrainer Bernd Henneberg, der in den Jahren 1996, 2000 und 2004 als Trainer zur deutschen Olympia-Equipe gehörte, hatte der Berliner Zeitung im Jahre 2003 gesagt, er habe Anfang der neunziger Jahre vor der Doping-Kommission des deutschen Sports über seine Tätigkeit als Schwimmtrainer in der DDR gesprochen und dabei nichts verdrängt. Henneberg hatte in der DDR zunächst beim Sportclub Chemie Halle und später beim Sportclub Magdeburg gearbeitet. Nach Zahlung einer Geldauflage wurden die staatsanwaltschaftlichen Doping-Ermittlungen gegen Henneberg eingestellt. Henneberg sagte seinerzeit der Berliner Zeitung, er wolle seine Ruhe haben, womit er in einer Reihe steht mit anderen Doping-Tätern.

    Auf Nachfrage des Deutschlandfunks vor den Olympischen Spielen in Peking 2008 erklärte Henneberg, seine zu DDR-Zeiten von ihm betreuten Athletinnen hätten keine gesundheitlichen Schäden davongetragen. Was eine glatte Lüge ist. In mehreren Dopingstrafverfahren vor dem Landgericht Berlin ist festgehalten, dass Henneberg in der DDR mehrere minderjährige Athletinnen gedopt habe, darunter sogar 12- und 13-jährige Mädchen. Der Heidelberger Molekularbiologe Werner Franke erklärte dazu wörtlich:

    "Herr Henneberg war beteiligt an der gezielten Vermännlichung minderjähriger Mädchen, zum Teil sogar noch vor Eintritt der Menstruation."

    Auch aus den öffentlichen Anklageschriften gegen Verantwortliche des DDR-Dopings im Schwimmsport und in Straf-Urteilen des Landgerichts Berlin, etwa vom 12. Januar 2000, gegen den langjährigen DDR-Schwimmverbands-Arzt Lothar Kipke, geht hervor, dass minderjährige Mädchen von ihrem damaligen Club-Trainer Henneberg Anabolika-Präparate erhalten hätten, und dass es dadurch erlittene Gesundheitsschäden der von ihm betreuten Mädchen gebe. In seinem Urteil hat das Landgericht Berlin festgestellt:

    "Über die Risiken und Nebenwirkungen anaboler Steroide bei der Vergabe an Frauen und Mädchen wussten die Trainer und Ärzte im DDR-Frauenschwimmsport Bescheid."

    Schwimmtrainer Bernd Hennberg wurde zudem vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen "Willi Kops" geführt. Auch dies hat Henneberg bestritten.