Präsident Michail Saakaschvili, der den Staat im Südkaukasus seit der sogenannten Rosenrevolution vor vier Jahren regiert, ist ein glühender Anhänger der USA. Er will sein Land so schnell wie möglich in die Nato und am liebsten in die EU führen. Er hat Militärausbilder aus den USA ins Land geholt und angeordnet, dass an allen öffentlichen Gebäuden neben der georgischen auch eine Europafahne zu hängen hat. In gewaltigen PR-Kampagnen tituliert er seine Landsleute als "die ältesten Europäer".
All das provoziert Russland. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten ist bereits unterkühlt und droht, noch frostiger zu werden.
Dabei geht ein Riss durch die georgische Gesellschaft. Während die älteren Leute noch Russisch reden und den "guten alten Sowjetzeiten" nachtrauern, lernen die jüngeren mit Begeisterung Englisch oder Deutsch und wollen vom russischen Vermächtnis nichts mehr wissen.
All das provoziert Russland. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten ist bereits unterkühlt und droht, noch frostiger zu werden.
Dabei geht ein Riss durch die georgische Gesellschaft. Während die älteren Leute noch Russisch reden und den "guten alten Sowjetzeiten" nachtrauern, lernen die jüngeren mit Begeisterung Englisch oder Deutsch und wollen vom russischen Vermächtnis nichts mehr wissen.
Neben jeder georgischen eine Europafahne
Besuch in einer Tifliser Fahnenfabrik
Besuch in einer Tifliser Fahnenfabrik
Flink lässt Eteri Dodoa den Flaggenstoff durch die Finger gleiten. Noch ein Saum, dann ist die Fahne fertig. Sie ist weiß und trägt neben einem großen roten Kreuz vier weitere kleine. Es ist die georgische Nationalflagge. Auf dem Tisch der Näherin stapeln sich Dutzende von ihnen.
" Die georgische Fahne lässt sich gut nähen. Und nicht nur die georgische. Alle Fahnen. Wir arbeiten mit Seide und mit Kunstgeweben. Wir nähen alle Fahnen, sogar die britische. Obwohl die kompliziert ist. "
Eteri Dodoa arbeitet in einer Flaggenfabrik in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Die beliefert Firmen und ausländische Botschaften, vor allem aber die georgische Regierung. Und die bestellt neben der eigenen, georgischen, vor allem Europafahnen. Der gesamte Zuschneidetisch ist bedeckt mit den blauen Sternenbannern. Fabrikdirektor Roman Dartschiaschwili, ein fülliger Mann im Polohemd, fährt beinahe zärtlich mit seinen kräftigen Fingern über den weichen Stoff.
" Immer, wenn wir eine georgische Fahne nähen, nähen wir auch eine Europafahne. Denn der Präsident hat angeordnet, dass neben jeder georgischen eine Europofahne hängen muss. "
Der Präsident, Micheil Saakaschwili, liebt solche Symbole, und er mag Provokationen. Im Herbst 2003 stürmte er, damals 36jährig, mit einer Rose in der Hand das Parlament und vertrieb seinen Vorgänger Eduard Schewardnadze aus dem Amt. Seither spricht die Welt von der "Rosenrevolution" in Georgien, und seither bemüht sich das kleine Land um Anschluss an den Westen, an die Nato und an die Europäische Union.
Saakaschwili hat die Unterstützung der US-Regierung, und im Gegenzug hat er die neue Schnellstraße, die vom Flughafen Tiflis ins Stadtzentrum führt, "Bush-Avenue" getauft. Vom Nachbarn Russland hingegen hat sich Georgien radikal abgewandt. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten war schon unter Präsident Schewardnadze gespannt. Unter Saakaschwili ist es nahezu zerrüttet: In Moskau wurden Georgier gejagt, Russland verbot die Einfuhr von georgischem Wein und Mineralwasser, und Georgier müssen jetzt Visa haben, wenn sie nach Russland reisen wollen. Es gibt keine direkte Flugverbindung zwischen den beiden Ländern mehr. Diese Entwicklung bekommt auch der Tifliser Flaggenfabrikant Dartschiaschwili zu spüren.
" Die letzte russische Fahne haben wir vor vier, fünf Monaten genäht. Das war für die Botschaft und für Organisationen, die Treffen mit offiziellen Vertretern Russlands hatten. "
In letzter Zeit werden solche Treffen immer seltener. Russland zog zeitweise sogar seinen Botschafter aus Tiflis ab. Dartschiaschwili fährt sich über die Stirn. Das seien alles nur politische Probleme, meint er. Im Alltag kämen sie nach wie vor gut mit den Russen aus. Sein Kompagnon pflichtet ihm bei. Temur Pechechian hat weiße Haare, trägt sein Hemd über der Jeans und mehrere Stifte in der Brusttasche.
" Als wir unseren Betrieb neu ausgestattet haben, da haben wir mit vielen Anbietern verhandelt: Mit Deutschen, Griechen, Japanern, Amerikanern, Holländern. Aber wir haben uns dann trotzdem entschieden, die Maschinen aus Russland zu importieren, weil uns doch unsere alte Mentalität mit den Russen verbindet. Es gibt keine Sprachbarrieren, und deshalb war es leichter, mit den Russen ins Geschäft zu kommen. Oder das Papier: Auch das beziehen wir über einen russischen Großhändler. "
Pechechian verschwindet im Büro. Er hat sein Handwerk noch in der Sowjetunion gelernt, in den 70er Jahren. Nach einer Weile kommt er mit einem schweren roten Stoff zurück und breitet ihn aus. In der Mitte ist in goldenem Brokat der Moskauer Kreml eingestickt. Rundherum sind die Wappen der 15 Sowjetrepubliken zu sehen. Das der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik besteht aus Hammer und Sichel vor einem weißen Berg, dem Kazbek. Darüber strahlt sonnengleich der Sowjetstern.
" Ich habe meinen Beruf damit begonnen, solche Fahnen herzustellen. Das habe ich noch bei meinem Großvater gelernt. Diese Fahne wurde in aufwendiger Handarbeit gefertigt, das ist Seidenstickerei.
Und diese Fahne wurde von hier, aus Tiflis, in die gesamte Sowjetunion verschickt. Sie konnte in Wladiwostok hängen, in Tschita, in Moskau oder auch in Sverdlovsk. "
Pechechians braune Augen glänzen. Liebevoll legt er den Stoff wieder zusammen. Ganz klar, sein Herz hängt an dieser Fahne.
" Die EU-Fahne ist ganz anders. Sie ist moderner und konkreter.
Unser Land versucht zumindest, zu Europa zu gehören, und wir halten uns für einen Teil Europas. Wir streben mit unserer täglichen Arbeit dort hin, und wir versuchen, unsere trübe Vergangenheit hinter uns zu lassen. Jetzt hat eine neue Etappe in unserem Leben begonnen. Und weil wir darauf hoffen, Mitglied der EU zu werden, gefällt uns natürlich auch die Fahne der EU. Jedes Land hat das Recht, die Richtung, in die es gehen will, selbst auszuwählen. Und ich glaube, dass mein Land den richtigen Weg eingeschlagen hat. "
Die neu entdeckte Freiheit und Identitätssuche - dieses Thema beschäftigt gegenwärtig auch die literarische Elite in dem Südkaukasus-Staat. Aka Morchiladze ist derzeit der bekannteste Schriftsteller Georgiens. Sein Roman "Santa Esperanza" erschien im vergangenen Jahr auch in Deutschland. Es ist ein Puzzle von Chroniken, Liebesgeschichten und Sagen, abgedruckt in 36 Heftchen, präsentiert in einer roten Filztasche - ein Spiegelbild der gegenwärtigen georgischen Umbrüche. In einem der Heftchen lässt Morchiladze eine Möwe erzählen. Sie fliegt von der imaginären Schwarzmeerinsel "Santa Esperanza" zurück nach Georgien.
" Die georgische Fahne lässt sich gut nähen. Und nicht nur die georgische. Alle Fahnen. Wir arbeiten mit Seide und mit Kunstgeweben. Wir nähen alle Fahnen, sogar die britische. Obwohl die kompliziert ist. "
Eteri Dodoa arbeitet in einer Flaggenfabrik in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Die beliefert Firmen und ausländische Botschaften, vor allem aber die georgische Regierung. Und die bestellt neben der eigenen, georgischen, vor allem Europafahnen. Der gesamte Zuschneidetisch ist bedeckt mit den blauen Sternenbannern. Fabrikdirektor Roman Dartschiaschwili, ein fülliger Mann im Polohemd, fährt beinahe zärtlich mit seinen kräftigen Fingern über den weichen Stoff.
" Immer, wenn wir eine georgische Fahne nähen, nähen wir auch eine Europafahne. Denn der Präsident hat angeordnet, dass neben jeder georgischen eine Europofahne hängen muss. "
Der Präsident, Micheil Saakaschwili, liebt solche Symbole, und er mag Provokationen. Im Herbst 2003 stürmte er, damals 36jährig, mit einer Rose in der Hand das Parlament und vertrieb seinen Vorgänger Eduard Schewardnadze aus dem Amt. Seither spricht die Welt von der "Rosenrevolution" in Georgien, und seither bemüht sich das kleine Land um Anschluss an den Westen, an die Nato und an die Europäische Union.
Saakaschwili hat die Unterstützung der US-Regierung, und im Gegenzug hat er die neue Schnellstraße, die vom Flughafen Tiflis ins Stadtzentrum führt, "Bush-Avenue" getauft. Vom Nachbarn Russland hingegen hat sich Georgien radikal abgewandt. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten war schon unter Präsident Schewardnadze gespannt. Unter Saakaschwili ist es nahezu zerrüttet: In Moskau wurden Georgier gejagt, Russland verbot die Einfuhr von georgischem Wein und Mineralwasser, und Georgier müssen jetzt Visa haben, wenn sie nach Russland reisen wollen. Es gibt keine direkte Flugverbindung zwischen den beiden Ländern mehr. Diese Entwicklung bekommt auch der Tifliser Flaggenfabrikant Dartschiaschwili zu spüren.
" Die letzte russische Fahne haben wir vor vier, fünf Monaten genäht. Das war für die Botschaft und für Organisationen, die Treffen mit offiziellen Vertretern Russlands hatten. "
In letzter Zeit werden solche Treffen immer seltener. Russland zog zeitweise sogar seinen Botschafter aus Tiflis ab. Dartschiaschwili fährt sich über die Stirn. Das seien alles nur politische Probleme, meint er. Im Alltag kämen sie nach wie vor gut mit den Russen aus. Sein Kompagnon pflichtet ihm bei. Temur Pechechian hat weiße Haare, trägt sein Hemd über der Jeans und mehrere Stifte in der Brusttasche.
" Als wir unseren Betrieb neu ausgestattet haben, da haben wir mit vielen Anbietern verhandelt: Mit Deutschen, Griechen, Japanern, Amerikanern, Holländern. Aber wir haben uns dann trotzdem entschieden, die Maschinen aus Russland zu importieren, weil uns doch unsere alte Mentalität mit den Russen verbindet. Es gibt keine Sprachbarrieren, und deshalb war es leichter, mit den Russen ins Geschäft zu kommen. Oder das Papier: Auch das beziehen wir über einen russischen Großhändler. "
Pechechian verschwindet im Büro. Er hat sein Handwerk noch in der Sowjetunion gelernt, in den 70er Jahren. Nach einer Weile kommt er mit einem schweren roten Stoff zurück und breitet ihn aus. In der Mitte ist in goldenem Brokat der Moskauer Kreml eingestickt. Rundherum sind die Wappen der 15 Sowjetrepubliken zu sehen. Das der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik besteht aus Hammer und Sichel vor einem weißen Berg, dem Kazbek. Darüber strahlt sonnengleich der Sowjetstern.
" Ich habe meinen Beruf damit begonnen, solche Fahnen herzustellen. Das habe ich noch bei meinem Großvater gelernt. Diese Fahne wurde in aufwendiger Handarbeit gefertigt, das ist Seidenstickerei.
Und diese Fahne wurde von hier, aus Tiflis, in die gesamte Sowjetunion verschickt. Sie konnte in Wladiwostok hängen, in Tschita, in Moskau oder auch in Sverdlovsk. "
Pechechians braune Augen glänzen. Liebevoll legt er den Stoff wieder zusammen. Ganz klar, sein Herz hängt an dieser Fahne.
" Die EU-Fahne ist ganz anders. Sie ist moderner und konkreter.
Unser Land versucht zumindest, zu Europa zu gehören, und wir halten uns für einen Teil Europas. Wir streben mit unserer täglichen Arbeit dort hin, und wir versuchen, unsere trübe Vergangenheit hinter uns zu lassen. Jetzt hat eine neue Etappe in unserem Leben begonnen. Und weil wir darauf hoffen, Mitglied der EU zu werden, gefällt uns natürlich auch die Fahne der EU. Jedes Land hat das Recht, die Richtung, in die es gehen will, selbst auszuwählen. Und ich glaube, dass mein Land den richtigen Weg eingeschlagen hat. "
Die neu entdeckte Freiheit und Identitätssuche - dieses Thema beschäftigt gegenwärtig auch die literarische Elite in dem Südkaukasus-Staat. Aka Morchiladze ist derzeit der bekannteste Schriftsteller Georgiens. Sein Roman "Santa Esperanza" erschien im vergangenen Jahr auch in Deutschland. Es ist ein Puzzle von Chroniken, Liebesgeschichten und Sagen, abgedruckt in 36 Heftchen, präsentiert in einer roten Filztasche - ein Spiegelbild der gegenwärtigen georgischen Umbrüche. In einem der Heftchen lässt Morchiladze eine Möwe erzählen. Sie fliegt von der imaginären Schwarzmeerinsel "Santa Esperanza" zurück nach Georgien.
Die Zukunft Georgiens - ein Generationendisput im Familienporträt
Ein Unterrichtsraum in einem Randbezirk von Tiflis. Vierzehn junge Leute, meist Männer, sitzen in einem Rund und blicken auf die englischen Vokabeln, die mit einem Beamer an die Wand geworfen werden. Im Englischunterricht sitzen angehende Verkehrspolizisten. Heute geht es um Dokumente und offizielle Papiere - zum Beispiel um Pass und Führerschein. Die Lehrerin, Schorena Garibaschwili, eine junge Frau in enger schwarzer Hose und roter Bluse, fordert jeden einzelnen zum Nachsprechen auf.
" Sie müssen mit den Fremden, die hier her kommen, reden können. Zur Zeit kommen viele Europäer nach Georgien. Da brauchen die Polizisten zumindest ein paar Grundkenntnisse im Englischen. "
Und dazu gehört zunächst einmal das lateinische Alphabet. Die meisten kennen nur die georgische Schrift, eventuell noch Kyrillisch.
Die Verkehrspolizei ist eines der Vorzeigeprojekte der neuen Regierung Georgiens. Vor der Rosenrevolution waren die Polizisten korrupt und kassierten jeden Autofahrer ab - ganz egal, ob der gegen Verkehrsregeln verstoßen hatte oder nicht. 15.000 Polizisten wurden nach der Machtübernahme Saakaschwilis mit einem Schlag entlassen. Die neuen Verkehrshüter gelten als unbestechlich und zuverlässig. Ihr Ausbildung dauert acht Wochen. Für Fremdsprachen bleibt da kaum Zeit, bedauert Schorena Garibaschwili.
" Na ja, die lernen nur die einfachsten Sätze, um sich mit Ausländern bzw. mit ausländischen Verkehrssündern verständigen zu können. Damit sie zum Beispiel die Identität eines Menschen feststellen können. Wir überlegen aber, den Kurs auszuweiten. Vom nächsten Jahr an könnten die Polizisten ein halbes Jahr statt einer Woche Englischunterricht erhalten. "
Schorena Garibaschwili hat Englisch an der Universität gelernt. Sie war jedoch noch nie in England oder einem anderen englischsprachigen Land. Die 27jährige kommt aus einfachen Verhältnissen, Auslandsreisen sind da nicht drin. Und sie wohnt, wie viele Georgier in ihrem Alter, bei den Eltern. Die Mutter hat sie gebeten, auf dem Heimweg ein paar Lebensmittel zu besorgen.
Schorena Garibaschwili kauft am liebsten in den neuen Supermärkten ein. Lange Regale, Theken mit frischer Wurst und Käse. Solche Geschäfte sind erst in den letzten Jahren entstanden - Zeichen des wachsenden Wohlstands in der Hauptstadt. Eine Putzfrau wischt ständig den Boden. Die Verkäuferinnen sind freundlich und aufmerksam. Eine reicht Schorena einen Einkaufskorb.
" Das ist doch wirklich europäischer Service! Früher hatten wir überhaupt keine solchen Körbe in den Supermärkten! Wir hatten ja nicht mal Brot! Und sonst nur ganz wenig zu kaufen. Wir haben Schlange gestanden, um Brot zu kaufen, und manchmal gab es gar keines mehr. "
Schorena greift ins Regal nach einem Kilo Zucker.
Sie kauft am liebsten einheimische Lebensmittel. Doch das ist gar nicht so einfach. In dem Supermarkt gibt es vor allem Importprodukte aus Westeuropa: Belgische Butter, italienische Nudeln, deutsche Schokolade. Außerdem Lebensmittel aus der Ukraine und aus der Türkei, wenige georgische Produkte und noch weniger russische.
" Wir werden deshalb nicht leiden. Wir können Waren auch aus anderen Ländern importieren. Zum Beispiel aus Deutschland oder von unseren türkischen Nachbarn. "
Das mag zwar etwas teurer sein als russische Lebensmittel, aber Schorena kann sich das leisten. Ihr Job bei der Polizeiakademie ist verhältnismäßig gut bezahlt. Wer jung ist und Englisch spricht, hat gute Chancen im heutigen Georgien.
Schließlich noch ein Gang zum Weinregal.
" Georgischer Wein ist der beste. Wegen des Geschmacks! Und weil er georgisch ist. Er erinnert mich an die Weinregion Kachetien. Mein Großvater kommt von dort. Und dieser Weißwein hier kommt aus einem Dorf ganz in der Nähe von dem Ort, in dem mein Großvater lebt. "
Zuhause wartet Schorenas Mutter mit dem Abendessen. Chatschapuri, georgisches Käsebrot, Salat, Kartoffeln. Schorenas Mutter ist in der Sowjetunion aufgewachsen, und sie ist froh, dass ihre Tochter heute in einem anderen Land lebt.
" Früher waren die Jugendlichen sehr eingeschränkt. Sie sind freier geworden in ihrer ganzen Haltung. Vielleicht machen sie das den Europäern nach. Ich finde, dass die Jugendlichen einen anderen Weg gehen müssen als wir damals.
Ich habe die staatliche Ordnung in der sowjetischen Zeit nie gemocht. Und wie sich Russland zur Zeit aufführt, gefällt mir auch nicht. Nach allem, was ich sehe, gefällt mir Europa. Und ich möchte, dass Georgien auch so wird. "
Damit liegt sie ganz auf der Linie ihrer Tochter. Schorena setzt sich an den Küchentisch und gießt sich Saft ein. Weg von Russland, das findet sie gut. Die Amerikabegeisterung der georgischen Staatsführung hingegen sieht sie eher skeptisch.
" Sollen wir etwa Teil der USA werden? Das geht nicht. Okay, die USA unterstützen uns. Kleine Länder brauchen große Staaten, die ihnen beistehen. Aber wir gehören nach Europa. "
Ortswechsel: Kachetien, die traditionelle Weingegend Georgiens. Ein Bauerndorf am frühen Morgen. Langgestreckte Felder sind zu sehen, dahinter die Gipfel des Nordkaukasus, wolkenverhangen. Es hat nachts geregnet. Schorenas Großvater, Omari Megrelischwili, ist 75 Jahre alt. Er war sein Leben lang Traktorist. Jetzt ist er krank, benötigt Medikamente, und die sind teuer. Sein Gesicht ist faltig, die Wangen eingefallen. Mit langsamen Schritten schlurft er am Hundezwinger vorbei zur Garage, greift in eine Kiste.
Stolz präsentiert er ein Bild des Diktators, hält Stalin vor sich, drückt selbst ein wenig die Brust heraus, lächelt. Omari Megrelischwili ist stolz auf Stalin. Der sowjetische Diktator war Georgier. Vorsichtig legt der alte Mann das Bild wieder zurück in seine Kiste.
Stalin muss in der Garage bleiben. Megrelischwilis Kinder wollen ihn nicht im Haus haben. Für die Alten aber verkörpert er die vermeintlich bessere Vergangenheit, in der Georgien Teil der Großmacht war.
" Stalin war der beste Mensch, den es gibt. Besser geht es nicht. Unter Stalin gab es keine Korruption. Er selbst war auch nicht korrupt. Und die Hauptsache ist, dass er selbst nichts gestohlen hat. Jetzt dagegen stehlen die da oben in der Regierung, und der größte Teil der Bevölkerung ist so arm wie wir. Die Minister bekommen 2.000 Lari Gehalt, ich habe 38. Reicht mir das? Nein, das reicht mir nicht. "
38 Lari - das sind etwa 17 Euro. Davon kann Megrelischwili nicht mal seine Arznei bezahlen. Müde setzt er sich auf einen Plastikschemel. Sein Sohn hilft ihm.
" Wer heute Arbeit hat, dem geht es gut. Aber den Rentnern geht es schlecht. "
Megrelischwili fühlt sich, wie viele seiner Generation, von der westlich orientierten Regierung im Stich gelassen. Er kann die Begeisterung seiner Enkelin Schorena nicht verstehen.
" Keiner kümmert sich um uns. Die Politiker kümmern sich nur um sich selbst. Und wenn Saakaschwili groß tut, dann lügt er. Er steckt alles in die Armee, damit er sich gut schützen kann. Er denkt nur an sich, und er lügt, wenn er sagt, dass er das tut, um den Staat zu stärken. Er erhöht den Lohn nur für Leute, die er braucht. Uns aber braucht er nicht, er braucht keine Bauern. "
Saakaschwili und seine Regierung wurden einst mit überwältigender Mehrheit gewählt. Allmählich verlieren sie in der Bevölkerung an Zustimmung. Immer lauter wird die Kritik an dem autoritären Führungsstil des Präsidenten. Politische Gegner fühlen sich verfolgt. Unvergessen ist der rätselhafte Tod des Premierministers Zurab Zhvania gut ein Jahr nach der Rosenrevolution. Offiziell starb er bei einem Gasunfall, doch bis heute hält sich die Meinung, er sei einem politischen Mord zum Opfer gefallen. In Teilen der Bevölkerung macht sich Verdrossenheit breit: Auch die neuen, jungen Politiker würden nur ihre eigene Macht sichern.
Megrelischvili stützt die Arme auf die Oberschenkel, blickt auf den Boden. Noch immer hilft er seinem Sohn bei der Ernte. Sie bauen Aprikosen an, Erdbeeren, Pfirsiche und natürlich Wein - wie jeder in Kachetien. Bis vor einem Jahr haben sie das Obst nach Russland verkauft. Dann eskalierte der Streit zwischen den Regierungen in Tiflis und Moskau, und Russland schloss die Grenze. Seitdem bleiben die Megrelischvilis auf der Ware sitzen.
" Russland blockiert uns. Unser Präsident sagt zwar, Europa sei gut für uns. Aber ich sehe das noch nicht. Auch Europa hat gute und schlechte Seiten. Wir müssen die guten Seiten übernehmen. Genau wie von Russland. Da gibt es auch gute und schlechte Seiten. Wir müssen immer das Gute übernehmen, nicht das Schlechte. "
" Sie müssen mit den Fremden, die hier her kommen, reden können. Zur Zeit kommen viele Europäer nach Georgien. Da brauchen die Polizisten zumindest ein paar Grundkenntnisse im Englischen. "
Und dazu gehört zunächst einmal das lateinische Alphabet. Die meisten kennen nur die georgische Schrift, eventuell noch Kyrillisch.
Die Verkehrspolizei ist eines der Vorzeigeprojekte der neuen Regierung Georgiens. Vor der Rosenrevolution waren die Polizisten korrupt und kassierten jeden Autofahrer ab - ganz egal, ob der gegen Verkehrsregeln verstoßen hatte oder nicht. 15.000 Polizisten wurden nach der Machtübernahme Saakaschwilis mit einem Schlag entlassen. Die neuen Verkehrshüter gelten als unbestechlich und zuverlässig. Ihr Ausbildung dauert acht Wochen. Für Fremdsprachen bleibt da kaum Zeit, bedauert Schorena Garibaschwili.
" Na ja, die lernen nur die einfachsten Sätze, um sich mit Ausländern bzw. mit ausländischen Verkehrssündern verständigen zu können. Damit sie zum Beispiel die Identität eines Menschen feststellen können. Wir überlegen aber, den Kurs auszuweiten. Vom nächsten Jahr an könnten die Polizisten ein halbes Jahr statt einer Woche Englischunterricht erhalten. "
Schorena Garibaschwili hat Englisch an der Universität gelernt. Sie war jedoch noch nie in England oder einem anderen englischsprachigen Land. Die 27jährige kommt aus einfachen Verhältnissen, Auslandsreisen sind da nicht drin. Und sie wohnt, wie viele Georgier in ihrem Alter, bei den Eltern. Die Mutter hat sie gebeten, auf dem Heimweg ein paar Lebensmittel zu besorgen.
Schorena Garibaschwili kauft am liebsten in den neuen Supermärkten ein. Lange Regale, Theken mit frischer Wurst und Käse. Solche Geschäfte sind erst in den letzten Jahren entstanden - Zeichen des wachsenden Wohlstands in der Hauptstadt. Eine Putzfrau wischt ständig den Boden. Die Verkäuferinnen sind freundlich und aufmerksam. Eine reicht Schorena einen Einkaufskorb.
" Das ist doch wirklich europäischer Service! Früher hatten wir überhaupt keine solchen Körbe in den Supermärkten! Wir hatten ja nicht mal Brot! Und sonst nur ganz wenig zu kaufen. Wir haben Schlange gestanden, um Brot zu kaufen, und manchmal gab es gar keines mehr. "
Schorena greift ins Regal nach einem Kilo Zucker.
Sie kauft am liebsten einheimische Lebensmittel. Doch das ist gar nicht so einfach. In dem Supermarkt gibt es vor allem Importprodukte aus Westeuropa: Belgische Butter, italienische Nudeln, deutsche Schokolade. Außerdem Lebensmittel aus der Ukraine und aus der Türkei, wenige georgische Produkte und noch weniger russische.
" Wir werden deshalb nicht leiden. Wir können Waren auch aus anderen Ländern importieren. Zum Beispiel aus Deutschland oder von unseren türkischen Nachbarn. "
Das mag zwar etwas teurer sein als russische Lebensmittel, aber Schorena kann sich das leisten. Ihr Job bei der Polizeiakademie ist verhältnismäßig gut bezahlt. Wer jung ist und Englisch spricht, hat gute Chancen im heutigen Georgien.
Schließlich noch ein Gang zum Weinregal.
" Georgischer Wein ist der beste. Wegen des Geschmacks! Und weil er georgisch ist. Er erinnert mich an die Weinregion Kachetien. Mein Großvater kommt von dort. Und dieser Weißwein hier kommt aus einem Dorf ganz in der Nähe von dem Ort, in dem mein Großvater lebt. "
Zuhause wartet Schorenas Mutter mit dem Abendessen. Chatschapuri, georgisches Käsebrot, Salat, Kartoffeln. Schorenas Mutter ist in der Sowjetunion aufgewachsen, und sie ist froh, dass ihre Tochter heute in einem anderen Land lebt.
" Früher waren die Jugendlichen sehr eingeschränkt. Sie sind freier geworden in ihrer ganzen Haltung. Vielleicht machen sie das den Europäern nach. Ich finde, dass die Jugendlichen einen anderen Weg gehen müssen als wir damals.
Ich habe die staatliche Ordnung in der sowjetischen Zeit nie gemocht. Und wie sich Russland zur Zeit aufführt, gefällt mir auch nicht. Nach allem, was ich sehe, gefällt mir Europa. Und ich möchte, dass Georgien auch so wird. "
Damit liegt sie ganz auf der Linie ihrer Tochter. Schorena setzt sich an den Küchentisch und gießt sich Saft ein. Weg von Russland, das findet sie gut. Die Amerikabegeisterung der georgischen Staatsführung hingegen sieht sie eher skeptisch.
" Sollen wir etwa Teil der USA werden? Das geht nicht. Okay, die USA unterstützen uns. Kleine Länder brauchen große Staaten, die ihnen beistehen. Aber wir gehören nach Europa. "
Ortswechsel: Kachetien, die traditionelle Weingegend Georgiens. Ein Bauerndorf am frühen Morgen. Langgestreckte Felder sind zu sehen, dahinter die Gipfel des Nordkaukasus, wolkenverhangen. Es hat nachts geregnet. Schorenas Großvater, Omari Megrelischwili, ist 75 Jahre alt. Er war sein Leben lang Traktorist. Jetzt ist er krank, benötigt Medikamente, und die sind teuer. Sein Gesicht ist faltig, die Wangen eingefallen. Mit langsamen Schritten schlurft er am Hundezwinger vorbei zur Garage, greift in eine Kiste.
Stolz präsentiert er ein Bild des Diktators, hält Stalin vor sich, drückt selbst ein wenig die Brust heraus, lächelt. Omari Megrelischwili ist stolz auf Stalin. Der sowjetische Diktator war Georgier. Vorsichtig legt der alte Mann das Bild wieder zurück in seine Kiste.
Stalin muss in der Garage bleiben. Megrelischwilis Kinder wollen ihn nicht im Haus haben. Für die Alten aber verkörpert er die vermeintlich bessere Vergangenheit, in der Georgien Teil der Großmacht war.
" Stalin war der beste Mensch, den es gibt. Besser geht es nicht. Unter Stalin gab es keine Korruption. Er selbst war auch nicht korrupt. Und die Hauptsache ist, dass er selbst nichts gestohlen hat. Jetzt dagegen stehlen die da oben in der Regierung, und der größte Teil der Bevölkerung ist so arm wie wir. Die Minister bekommen 2.000 Lari Gehalt, ich habe 38. Reicht mir das? Nein, das reicht mir nicht. "
38 Lari - das sind etwa 17 Euro. Davon kann Megrelischwili nicht mal seine Arznei bezahlen. Müde setzt er sich auf einen Plastikschemel. Sein Sohn hilft ihm.
" Wer heute Arbeit hat, dem geht es gut. Aber den Rentnern geht es schlecht. "
Megrelischwili fühlt sich, wie viele seiner Generation, von der westlich orientierten Regierung im Stich gelassen. Er kann die Begeisterung seiner Enkelin Schorena nicht verstehen.
" Keiner kümmert sich um uns. Die Politiker kümmern sich nur um sich selbst. Und wenn Saakaschwili groß tut, dann lügt er. Er steckt alles in die Armee, damit er sich gut schützen kann. Er denkt nur an sich, und er lügt, wenn er sagt, dass er das tut, um den Staat zu stärken. Er erhöht den Lohn nur für Leute, die er braucht. Uns aber braucht er nicht, er braucht keine Bauern. "
Saakaschwili und seine Regierung wurden einst mit überwältigender Mehrheit gewählt. Allmählich verlieren sie in der Bevölkerung an Zustimmung. Immer lauter wird die Kritik an dem autoritären Führungsstil des Präsidenten. Politische Gegner fühlen sich verfolgt. Unvergessen ist der rätselhafte Tod des Premierministers Zurab Zhvania gut ein Jahr nach der Rosenrevolution. Offiziell starb er bei einem Gasunfall, doch bis heute hält sich die Meinung, er sei einem politischen Mord zum Opfer gefallen. In Teilen der Bevölkerung macht sich Verdrossenheit breit: Auch die neuen, jungen Politiker würden nur ihre eigene Macht sichern.
Megrelischvili stützt die Arme auf die Oberschenkel, blickt auf den Boden. Noch immer hilft er seinem Sohn bei der Ernte. Sie bauen Aprikosen an, Erdbeeren, Pfirsiche und natürlich Wein - wie jeder in Kachetien. Bis vor einem Jahr haben sie das Obst nach Russland verkauft. Dann eskalierte der Streit zwischen den Regierungen in Tiflis und Moskau, und Russland schloss die Grenze. Seitdem bleiben die Megrelischvilis auf der Ware sitzen.
" Russland blockiert uns. Unser Präsident sagt zwar, Europa sei gut für uns. Aber ich sehe das noch nicht. Auch Europa hat gute und schlechte Seiten. Wir müssen die guten Seiten übernehmen. Genau wie von Russland. Da gibt es auch gute und schlechte Seiten. Wir müssen immer das Gute übernehmen, nicht das Schlechte. "
Halbsüß oder trocken?
Ein georgischer Winzer wagt sich auf den deutschen Markt
Ein georgischer Winzer wagt sich auf den deutschen Markt
Die Lagervorräte der Kellerei Kakhuri sind gewaltig. Paletten, vollgepackt mit Kartons, ziehen sich reihenweise durch die ganze Halle. In meterhohen Stahltanks lagern weitere hunderttausend Liter Wein.
Vorsichtig zieht Archil Dolmazaschwili eine Flasche Rotwein aus einem Karton. Die Aufschrift ist russisch, der Karton instabil und grau.
" Das hier sind sehr, sehr alte Kartons. Da drüben sind unsere neuen. "
Eilig geht Dolmazaschwili hinüber zu einem Stapel mit schmuckeren Kisten. Die sind englisch beschriftet: Mukuzani, Georgian Red Wine steht darauf. Jahrgang 2004.
" Die sind für den Export. Da sind natürlich keine russischen Schriftzeichen mehr drauf. Wir brauchen die nicht mehr. Wir werden mindestens ein weiteres Jahr nicht nach Russland exportieren. "
Archil Dolmazaschwili ist Mitinhaber der kleinen Kellerei "Kakhuri" in Kachetien. Seine Eltern haben das Unternehmen vor sieben Jahren mit zwei befreundeten Familien gegründet. Gemeinsam kauften sie damals eine leerstehende Seidenfabrik und rüsteten sie um. Mit unverkennbarem Stolz zeigt der Sohn die Abfüllanlage. Ein Arbeiter in Gummistiefeln spritzt den Boden ab. Über dem Wellblechdach rauscht der Wind in Bäumen.
Zunächst ging alles steil bergauf mit ihrem kleinen Unternehmen, erzählt Dolmazaschwili und macht einen großen Schritt über eine Pfütze. Pünktlich zur Ernte 2005 war die Fabrik fertig. Im selben Jahr exportierten sie bereits 200.000 Flaschen nach Russland. Ein Bekannter von ihnen, ein Georgier mit Wohnsitz in Moskau, kaufte die komplette Produktion auf. Doch dann kam das Embargo. Im Jahr 2006 beschloss Russland, keinen Wein mehr aus Georgien zu importieren. Die Weine seien von minderer Qualität und mit Chemikalien versetzt - so die offizielle Begründung. Alle sprachen von politischen Motiven. Russland wolle dem aufmüpfigen Nachbarn im Süden schaden. Bis dahin hatte Georgien etwa drei Viertel seines gesamten Weines nach Russland exportiert. Viele georgische Winzer verloren von einem Tag auf den anderen ihren kompletten Absatzmarkt. Auch das Familienunternehmen "Kakhuri".
" Zuerst war ich geschockt. Wirklich geschockt. Viele haben ja gehofft, dass der russische Markt nach ein, zwei, drei Monaten wieder geöffnet wird. Ich habe schnell begriffen, dass das so bald nicht passieren wird. Und dass es keinen anderen Weg gibt, als unsere Prioritäten zu ändern. "
Dolmazaschwili streicht sich die halblangen dunklen Haare aus dem Gesicht. Er lamentierte nicht, er handelte. Zunächst kaufte das Unternehmen nichts mehr von den Privatbauern dazu, sondern verarbeitete nur noch die eigenen Trauben. Der Winzerbetrieb ist deshalb nur zu einem Fünftel ausgelastet. Und dann begann Dolmazaschwili, seine Produktion auf den europäischen Markt auszurichten. Das ist schwierig, denn der Weingeschmack der Europäer ist anders als der der Russen.
" Solche halbsüßen Weine wie Kindsmarauli, Kvantchkara und andere sind in Europa inakzeptabel. In Russland dagegen sind das die teuersten Qualitätsweine. Das sind Legenden. Kvantchkara war Stalins Lieblingswein. Für Europa dagegen sind Mtswani, Tsinandali oder Mukuzani interessanter - Weine, die in Russland wiederum total unpopulär sind. "
Dolmazaschwili grinst. Um sich einen besseren Zugang zum europäischen Markt zu verschaffen, holte er Rat bei der GTZ ein, der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit. Die fördert kleine und mittlere Unternehmer in Georgien. Dolmazaschwili besuchte Messen in Deutschland, Italien, Großbritannien. In London wurde sein "Mukuzani" ausgezeichnet. Inzwischen hat Dolmazaschwili die ersten 3.000 Flaschen Rotwein nach Deutschland exportiert. Zu einem niedrigeren Preis zwar, als die Russen ehemals bezahlt haben, aber der Anfang ist gemacht. Außerdem experimentiert er mit französischen Rebsorten, hat Setzlinge aus Frankreich importiert und pflanzt nun in Georgien Chardonnay, Cabernet und Merlot an.
" Es ist nur eine kleine Menge. Aber wir denken, Namen wie Chardonnay oder Merlot Cabernet sind in Europa oder in den USA bekannter. Und das macht es leichter für uns, neue Märkte zu erschließen. Denn Sorten wie Saperavi, Rkatsiteli oder Mtswani sagen Millionen Menschen in Europa gar nichts. "
Dolmazaschwili ruft einen seiner Mitarbeiter. Der legt den Wasserschlauch beiseite und bringt einen Plastikkrug mit rotem Traubensaft, frisch gezapft aus einem der großen Tanks. Dazu zwei Gläser.
Die Trauben wurden erst vor fünf Tagen geerntet. Der Saft ist warm. Die Gärung hat bereits begonnen. Dolmazaschwili schürzt die Lippen und nimmt einen winzigen Schluck.
" Das ist Merlot. Mein Lieblingswein. Ich denke, das wird ein sehr, sehr guter Wein. In zwei, drei Monaten. Aber absolut inakzeptabel in Russland. "
Dolmazaschwili stellt sein Glas ab. Er selbst hat noch mit russischen Lehrbüchern Weinwissenschaft studiert. Später dann machte er eine Zusatzausbildung in den USA. Auch er fühlt sich dem Westen näher als Russland oder der Sowjetunion. Bei allen Schwierigkeiten in dieser Anfangsphase, schon jetzt sei Georgien aus der Blockade als Gewinner hervorgegangen, sagt er.
" Das Ziel, mit dem dieses Embargo verhängt wurde, ist nicht aufgegangen. Es hat keine ökonomische Krise herbeigeführt, keinen Massenbankrott georgischer Unternehmen und keine Revolution. Die Kellereien halten ihren Betrieb aufrecht, vielleicht mit geringeren Einkünften, aber sie arbeiten. Und die Menschen beginnen zu begreifen, dass sie ohne den russischen Markt zurechtkommen. Und das ist ein großer Sieg. Wir brauchen Russland nicht mehr. "
Seine Mitarbeiter, teils wesentlich älter als er, sehen das anders. Nikolos Dandilashvili ist Wächter in den Weinfeldern von Kakhuri. Er ist braungebrannt, sein Gesicht voller Lachfalten. Seinen staubigen Schuhen fehlen die Schnürsenkel. Er begrüßt seinen Chef mit Küssen. Der könnte sein Sohn sein.
Gemeinsam schreiten die beiden durch scheinbar endlose Reihen von Weinstöcken, probieren von den prallen blauen Reben, beraten sich, wann sie wohl am besten mit der Ernte beginnen sollen. Der Dunst hat sich verzogen, gibt den Blick auf die weißen Gipfel des Kaukasus frei. Nikolos Dandilashvili arbeitet noch nicht lange hier. Über Jahre war er bei einer großen Kellerei angestellt, leitete dort den Fuhrpark. Da hat er mehr verdient. Als das Embargo kam, wurde er entlassen. Kein Wunder, dass er jetzt schlecht zu sprechen ist auf die georgische Regierung, die diese Misere zu verantworten habe.
" Wir hätten den russischen Markt nicht verlieren dürfen. Dann wäre der Preis für Weintrauben höher. Die Nachfrage wäre auch höher. Und dann hätten auch die Kellereien mehr Trauben eingekauft. Ich hoffe, dass wir den russischen Markt zurückgewinnen. "
Wie alle in Kachetien, hat auch Dandilaschwili einen privaten Weingarten. Auch er bleibt in diesem Jahr auf seiner Ernte sitzen. Der junge Chef hört ihm lächelnd zu. Er höre diese Klagen täglich.
" Manchmal reagiere ich darauf gar nicht. Es gab einmal einen großen georgischen Dichter, er starb vor 100 Jahren. Er hat gesagt: Krieg zwischen Vätern und Söhnen, also nicht bewaffneter Krieg, aber Streit um Ideologien, um die Zukunft, das muss sein. Es geht nicht ohne. Das ist auch heute so. Die Zeiten ändern sich. Die Menschen haben früher ein anderes Leben gelebt. Für einige ist es einfach sehr schwer, sich umzustellen. Der Dichter hieß Ilja Tschawtschawadze. "
Der Dichter Ilja Tschawtschawadze wurde im russischen St. Petersburg ausgebildet und gründete die georgische Nationalbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals gehörte Georgien zum russischen Zarenreich. Tschawtschawades Gedicht "Antwort auf die Antwort" entstand 1872. Es ist eine Abrechnung mit den zarentreuen Beamten des annektierten Südkaukasus und gilt noch heute als Pflichtlektüre für jeden Georgier.
Vorsichtig zieht Archil Dolmazaschwili eine Flasche Rotwein aus einem Karton. Die Aufschrift ist russisch, der Karton instabil und grau.
" Das hier sind sehr, sehr alte Kartons. Da drüben sind unsere neuen. "
Eilig geht Dolmazaschwili hinüber zu einem Stapel mit schmuckeren Kisten. Die sind englisch beschriftet: Mukuzani, Georgian Red Wine steht darauf. Jahrgang 2004.
" Die sind für den Export. Da sind natürlich keine russischen Schriftzeichen mehr drauf. Wir brauchen die nicht mehr. Wir werden mindestens ein weiteres Jahr nicht nach Russland exportieren. "
Archil Dolmazaschwili ist Mitinhaber der kleinen Kellerei "Kakhuri" in Kachetien. Seine Eltern haben das Unternehmen vor sieben Jahren mit zwei befreundeten Familien gegründet. Gemeinsam kauften sie damals eine leerstehende Seidenfabrik und rüsteten sie um. Mit unverkennbarem Stolz zeigt der Sohn die Abfüllanlage. Ein Arbeiter in Gummistiefeln spritzt den Boden ab. Über dem Wellblechdach rauscht der Wind in Bäumen.
Zunächst ging alles steil bergauf mit ihrem kleinen Unternehmen, erzählt Dolmazaschwili und macht einen großen Schritt über eine Pfütze. Pünktlich zur Ernte 2005 war die Fabrik fertig. Im selben Jahr exportierten sie bereits 200.000 Flaschen nach Russland. Ein Bekannter von ihnen, ein Georgier mit Wohnsitz in Moskau, kaufte die komplette Produktion auf. Doch dann kam das Embargo. Im Jahr 2006 beschloss Russland, keinen Wein mehr aus Georgien zu importieren. Die Weine seien von minderer Qualität und mit Chemikalien versetzt - so die offizielle Begründung. Alle sprachen von politischen Motiven. Russland wolle dem aufmüpfigen Nachbarn im Süden schaden. Bis dahin hatte Georgien etwa drei Viertel seines gesamten Weines nach Russland exportiert. Viele georgische Winzer verloren von einem Tag auf den anderen ihren kompletten Absatzmarkt. Auch das Familienunternehmen "Kakhuri".
" Zuerst war ich geschockt. Wirklich geschockt. Viele haben ja gehofft, dass der russische Markt nach ein, zwei, drei Monaten wieder geöffnet wird. Ich habe schnell begriffen, dass das so bald nicht passieren wird. Und dass es keinen anderen Weg gibt, als unsere Prioritäten zu ändern. "
Dolmazaschwili streicht sich die halblangen dunklen Haare aus dem Gesicht. Er lamentierte nicht, er handelte. Zunächst kaufte das Unternehmen nichts mehr von den Privatbauern dazu, sondern verarbeitete nur noch die eigenen Trauben. Der Winzerbetrieb ist deshalb nur zu einem Fünftel ausgelastet. Und dann begann Dolmazaschwili, seine Produktion auf den europäischen Markt auszurichten. Das ist schwierig, denn der Weingeschmack der Europäer ist anders als der der Russen.
" Solche halbsüßen Weine wie Kindsmarauli, Kvantchkara und andere sind in Europa inakzeptabel. In Russland dagegen sind das die teuersten Qualitätsweine. Das sind Legenden. Kvantchkara war Stalins Lieblingswein. Für Europa dagegen sind Mtswani, Tsinandali oder Mukuzani interessanter - Weine, die in Russland wiederum total unpopulär sind. "
Dolmazaschwili grinst. Um sich einen besseren Zugang zum europäischen Markt zu verschaffen, holte er Rat bei der GTZ ein, der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit. Die fördert kleine und mittlere Unternehmer in Georgien. Dolmazaschwili besuchte Messen in Deutschland, Italien, Großbritannien. In London wurde sein "Mukuzani" ausgezeichnet. Inzwischen hat Dolmazaschwili die ersten 3.000 Flaschen Rotwein nach Deutschland exportiert. Zu einem niedrigeren Preis zwar, als die Russen ehemals bezahlt haben, aber der Anfang ist gemacht. Außerdem experimentiert er mit französischen Rebsorten, hat Setzlinge aus Frankreich importiert und pflanzt nun in Georgien Chardonnay, Cabernet und Merlot an.
" Es ist nur eine kleine Menge. Aber wir denken, Namen wie Chardonnay oder Merlot Cabernet sind in Europa oder in den USA bekannter. Und das macht es leichter für uns, neue Märkte zu erschließen. Denn Sorten wie Saperavi, Rkatsiteli oder Mtswani sagen Millionen Menschen in Europa gar nichts. "
Dolmazaschwili ruft einen seiner Mitarbeiter. Der legt den Wasserschlauch beiseite und bringt einen Plastikkrug mit rotem Traubensaft, frisch gezapft aus einem der großen Tanks. Dazu zwei Gläser.
Die Trauben wurden erst vor fünf Tagen geerntet. Der Saft ist warm. Die Gärung hat bereits begonnen. Dolmazaschwili schürzt die Lippen und nimmt einen winzigen Schluck.
" Das ist Merlot. Mein Lieblingswein. Ich denke, das wird ein sehr, sehr guter Wein. In zwei, drei Monaten. Aber absolut inakzeptabel in Russland. "
Dolmazaschwili stellt sein Glas ab. Er selbst hat noch mit russischen Lehrbüchern Weinwissenschaft studiert. Später dann machte er eine Zusatzausbildung in den USA. Auch er fühlt sich dem Westen näher als Russland oder der Sowjetunion. Bei allen Schwierigkeiten in dieser Anfangsphase, schon jetzt sei Georgien aus der Blockade als Gewinner hervorgegangen, sagt er.
" Das Ziel, mit dem dieses Embargo verhängt wurde, ist nicht aufgegangen. Es hat keine ökonomische Krise herbeigeführt, keinen Massenbankrott georgischer Unternehmen und keine Revolution. Die Kellereien halten ihren Betrieb aufrecht, vielleicht mit geringeren Einkünften, aber sie arbeiten. Und die Menschen beginnen zu begreifen, dass sie ohne den russischen Markt zurechtkommen. Und das ist ein großer Sieg. Wir brauchen Russland nicht mehr. "
Seine Mitarbeiter, teils wesentlich älter als er, sehen das anders. Nikolos Dandilashvili ist Wächter in den Weinfeldern von Kakhuri. Er ist braungebrannt, sein Gesicht voller Lachfalten. Seinen staubigen Schuhen fehlen die Schnürsenkel. Er begrüßt seinen Chef mit Küssen. Der könnte sein Sohn sein.
Gemeinsam schreiten die beiden durch scheinbar endlose Reihen von Weinstöcken, probieren von den prallen blauen Reben, beraten sich, wann sie wohl am besten mit der Ernte beginnen sollen. Der Dunst hat sich verzogen, gibt den Blick auf die weißen Gipfel des Kaukasus frei. Nikolos Dandilashvili arbeitet noch nicht lange hier. Über Jahre war er bei einer großen Kellerei angestellt, leitete dort den Fuhrpark. Da hat er mehr verdient. Als das Embargo kam, wurde er entlassen. Kein Wunder, dass er jetzt schlecht zu sprechen ist auf die georgische Regierung, die diese Misere zu verantworten habe.
" Wir hätten den russischen Markt nicht verlieren dürfen. Dann wäre der Preis für Weintrauben höher. Die Nachfrage wäre auch höher. Und dann hätten auch die Kellereien mehr Trauben eingekauft. Ich hoffe, dass wir den russischen Markt zurückgewinnen. "
Wie alle in Kachetien, hat auch Dandilaschwili einen privaten Weingarten. Auch er bleibt in diesem Jahr auf seiner Ernte sitzen. Der junge Chef hört ihm lächelnd zu. Er höre diese Klagen täglich.
" Manchmal reagiere ich darauf gar nicht. Es gab einmal einen großen georgischen Dichter, er starb vor 100 Jahren. Er hat gesagt: Krieg zwischen Vätern und Söhnen, also nicht bewaffneter Krieg, aber Streit um Ideologien, um die Zukunft, das muss sein. Es geht nicht ohne. Das ist auch heute so. Die Zeiten ändern sich. Die Menschen haben früher ein anderes Leben gelebt. Für einige ist es einfach sehr schwer, sich umzustellen. Der Dichter hieß Ilja Tschawtschawadze. "
Der Dichter Ilja Tschawtschawadze wurde im russischen St. Petersburg ausgebildet und gründete die georgische Nationalbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals gehörte Georgien zum russischen Zarenreich. Tschawtschawades Gedicht "Antwort auf die Antwort" entstand 1872. Es ist eine Abrechnung mit den zarentreuen Beamten des annektierten Südkaukasus und gilt noch heute als Pflichtlektüre für jeden Georgier.
Die Nato vor Augen
Besuch beim Truppenübungsplatz Krtsanisi
Besuch beim Truppenübungsplatz Krtsanisi
Der Truppenübungsplatz Krtsanisi nahe der georgischen Hauptstadt Tiflis. Eine Gruppe Soldaten trabt um die schäbigen Baracken. Eine weitere macht Liegestütz, eine dritte kniet im Gras und schießt mit Maschinengewehren auf Blechkameraden. Oberstleutnant Zaza Schalamberidze beobachtet die Schützen.
" Das sind jetzt: Feind ist beim Angriff bei 100 Meter. Und die müssen mit Maschinengewehr diesen Feind aufhalten. Wenn der Feind nicht aufgehalten wird, dann ist der Krieg verloren.
Eigentlich machen wir sogenannte terroristische Feinde. Wir machen nicht so konkret: Die Russen sind Feind oder die andere sind Feind... Das machen wir natürlich nicht. "
Schalamberidze verschränkt die Arme vor der Brust. Er ist 25 Jahre alt, aber bereits Übungsleiter. Deutsch hat er bei der Bundeswehr gelernt. Dreieinhalb Jahre war er dort, das Nato- Programm "Partnerschaft für den Frieden" machte es möglich. 23 Partnerländer führt das Militärbündnis gegenwärtig an Natostandards heran. Georgien ist bereits 1994 unter Präsident Schewardnadze dem Programm "Partnership for Peace" beigetreten, doch erst Präsident Saakaschwili treibt die Integration in das westliche Militärbündnis energisch voran - und verärgert damit die Russen, die ihre Sicherheitsinteressen gefährdet sehen. Die Georgier hoffen, im Jahr 2010 die Einladung zur Nato-Mitgliedschaft zu erhalten. Dafür müssen die Soldaten vor allem Nato-Taktik lernen, erläutert Oberstleutnant Schalamberidze.
" Die sind eigentlich noch geblieben in sowjetische Taktik, einfach: "Marsch", "Urra". Und in Nato-Taktik ist ein bisschen Bewegung und so weiter. "
Im Unterrichtsgebäude geht unterdessen ein Theorieseminar zu Ende. Der Militärausbilder George Woodward ist bereits seit vier Jahren in Tiflis. Zur Zeit bereitet er georgische Soldaten auf den Einsatz im Irak vor. Georgien unterstützt die USA dort.
Etwa 30 Uniformierte folgen den Ausführungen des Ausbilders. George Woodward, ein kleiner drahtiger Mann in Zivil, wippt bei jedem Satz auf den Zehenspitzen. Woodward kommt aus den Vereinigten Staaten, aus Chicago. Die USA befürworten einen Beitritt Georgiens zur Nato, und sie haben wesentlich dabei mitgeholfen, die bewaffneten Kräfte des unabhängigen Georgien mit aufzubauen: Nicht nur die Armee, auch die Grenztruppen wurden mit amerikanischer Hilfe finanziert.
" In der Stunde geht es um Kampfbefehle. Kampfbefehle sind Einsatzführung. Zwei Drittel der Teilnehmer sind Offiziere, ein Drittel Unteroffiziere. Das größte Problem ist, den Unteroffizieren beizubringen, dass sie Führung übernehmen dürfen. Denn im vorherigen System hatten Unteroffiziere keine Verantwortung. Nur die Offiziere. Und es ist immer noch ein langer, schwerer Prozess, das zu ändern. Das Niveau im Kurs variiert sehr. Wenn wir eine Skala von 0 bis 10 ansetzen, dann haben wir hier alles zwischen 2 und neuneinhalb. Aber alle Teilnehmer sind sehr motiviert, und das ist sehr wichtig. "
Während die USA über einen Abzug ihrer Truppen aus dem Irak diskutieren, hat Georgien sein Kontingent im Sommer 2007 noch einmal aufgestockt: Von 850 auf 2.500 Mann. Das entspricht fast einer Brigade, und davon hat Georgien insgesamt nur vier. Auch georgische Militärs finden das Engagement im Irak deshalb übertrieben. Aber sie sehen auch Vorteile. Denn Georgien demonstriert im Irak nicht nur uneingeschränkte Solidarität mit dem Partner und Förderer USA, sondern die georgischen Soldaten gewinnen dort auch an Erfahrung. Das rüstet sie auch für einen möglichen Konflikt mit Russland. Darüber mag Woodward allerdings nicht reden. Er will sich nicht zur Politik äußern.
" Wer ist der Feind? Die Aufständischen. Derselbe Feind wie in Ihrem Land: Terroristen.
Russland ist ein Verbündeter. Wir haben nichts gegen Russland. Wir haben nur etwas gegen Terroristen. Und da arbeiten wir alle zusammen: Russland, die USA und die Nato. Da sind wir ein Team. "
Niemand mag sagen, dass Russland der potenzielle Gegner Georgiens ist. So abwegig ist die militärische Konfrontation mit Russland aber nicht. Georgien hat zwei Krisenherde im Land: Südossetien und Abchasien. Beide Regionen haben sich gewaltsam von Georgien abgespalten. Und beide Gebiete, Südossetien und Abchasien, werden politisch, wirtschaftlich und militärisch von Russland unterstützt. Die neue Regierung Georgiens hat sich vorgenommen, diese Gebiete zurückzuholen - notfalls mit Gewalt.
" Das sind jetzt: Feind ist beim Angriff bei 100 Meter. Und die müssen mit Maschinengewehr diesen Feind aufhalten. Wenn der Feind nicht aufgehalten wird, dann ist der Krieg verloren.
Eigentlich machen wir sogenannte terroristische Feinde. Wir machen nicht so konkret: Die Russen sind Feind oder die andere sind Feind... Das machen wir natürlich nicht. "
Schalamberidze verschränkt die Arme vor der Brust. Er ist 25 Jahre alt, aber bereits Übungsleiter. Deutsch hat er bei der Bundeswehr gelernt. Dreieinhalb Jahre war er dort, das Nato- Programm "Partnerschaft für den Frieden" machte es möglich. 23 Partnerländer führt das Militärbündnis gegenwärtig an Natostandards heran. Georgien ist bereits 1994 unter Präsident Schewardnadze dem Programm "Partnership for Peace" beigetreten, doch erst Präsident Saakaschwili treibt die Integration in das westliche Militärbündnis energisch voran - und verärgert damit die Russen, die ihre Sicherheitsinteressen gefährdet sehen. Die Georgier hoffen, im Jahr 2010 die Einladung zur Nato-Mitgliedschaft zu erhalten. Dafür müssen die Soldaten vor allem Nato-Taktik lernen, erläutert Oberstleutnant Schalamberidze.
" Die sind eigentlich noch geblieben in sowjetische Taktik, einfach: "Marsch", "Urra". Und in Nato-Taktik ist ein bisschen Bewegung und so weiter. "
Im Unterrichtsgebäude geht unterdessen ein Theorieseminar zu Ende. Der Militärausbilder George Woodward ist bereits seit vier Jahren in Tiflis. Zur Zeit bereitet er georgische Soldaten auf den Einsatz im Irak vor. Georgien unterstützt die USA dort.
Etwa 30 Uniformierte folgen den Ausführungen des Ausbilders. George Woodward, ein kleiner drahtiger Mann in Zivil, wippt bei jedem Satz auf den Zehenspitzen. Woodward kommt aus den Vereinigten Staaten, aus Chicago. Die USA befürworten einen Beitritt Georgiens zur Nato, und sie haben wesentlich dabei mitgeholfen, die bewaffneten Kräfte des unabhängigen Georgien mit aufzubauen: Nicht nur die Armee, auch die Grenztruppen wurden mit amerikanischer Hilfe finanziert.
" In der Stunde geht es um Kampfbefehle. Kampfbefehle sind Einsatzführung. Zwei Drittel der Teilnehmer sind Offiziere, ein Drittel Unteroffiziere. Das größte Problem ist, den Unteroffizieren beizubringen, dass sie Führung übernehmen dürfen. Denn im vorherigen System hatten Unteroffiziere keine Verantwortung. Nur die Offiziere. Und es ist immer noch ein langer, schwerer Prozess, das zu ändern. Das Niveau im Kurs variiert sehr. Wenn wir eine Skala von 0 bis 10 ansetzen, dann haben wir hier alles zwischen 2 und neuneinhalb. Aber alle Teilnehmer sind sehr motiviert, und das ist sehr wichtig. "
Während die USA über einen Abzug ihrer Truppen aus dem Irak diskutieren, hat Georgien sein Kontingent im Sommer 2007 noch einmal aufgestockt: Von 850 auf 2.500 Mann. Das entspricht fast einer Brigade, und davon hat Georgien insgesamt nur vier. Auch georgische Militärs finden das Engagement im Irak deshalb übertrieben. Aber sie sehen auch Vorteile. Denn Georgien demonstriert im Irak nicht nur uneingeschränkte Solidarität mit dem Partner und Förderer USA, sondern die georgischen Soldaten gewinnen dort auch an Erfahrung. Das rüstet sie auch für einen möglichen Konflikt mit Russland. Darüber mag Woodward allerdings nicht reden. Er will sich nicht zur Politik äußern.
" Wer ist der Feind? Die Aufständischen. Derselbe Feind wie in Ihrem Land: Terroristen.
Russland ist ein Verbündeter. Wir haben nichts gegen Russland. Wir haben nur etwas gegen Terroristen. Und da arbeiten wir alle zusammen: Russland, die USA und die Nato. Da sind wir ein Team. "
Niemand mag sagen, dass Russland der potenzielle Gegner Georgiens ist. So abwegig ist die militärische Konfrontation mit Russland aber nicht. Georgien hat zwei Krisenherde im Land: Südossetien und Abchasien. Beide Regionen haben sich gewaltsam von Georgien abgespalten. Und beide Gebiete, Südossetien und Abchasien, werden politisch, wirtschaftlich und militärisch von Russland unterstützt. Die neue Regierung Georgiens hat sich vorgenommen, diese Gebiete zurückzuholen - notfalls mit Gewalt.
Auf Abruf nahe dem Konfliktherd Abchasien
Besuch beim Militärstützpunkt Senaki
Besuch beim Militärstützpunkt Senaki
Vom Truppenübungsplatz bei Tiflis nach Senaki in Westgeorgien. Hier, nur wenige Kilometer von dem Konfliktgebiet Abchasien und russischen Panzern entfernt, haben die Georgier vor zweieinhalb Jahren ihren modernsten Militärstützpunkt eröffnet. Hier sitzt die dritte Infanteriebrigade, etwa 3.300 Mann. Die Wahl des Ortes war kein Zufall, sagt Oberleutnant Lascha Davitadze, Chef der Aufklärungskompanie.
" Wir versuchen, die Einheiten dort zu haben, wo wir es am schnellsten gebrauchen werden. Falls wir es gebrauchen werden. "
Konkreter will er nicht werden. Auch Davitadze hat seine Ausbildung in der Bundeswehr absolviert, auch er ist erst 25. Auf der rechten Brust trägt er Eichenlaub: das Abzeichen der Einzelkämpfer. Stolz zeigt er die Kaserne. Die Gebäude sind in frischem Grün gestrichen, die Büroausstattung modern.
" Hier vorher war sehr alte russische Baracks. Hier war Schrott und alles war hier. Es war undenkbar, hier so was zu machen. "
Nahe dem zweiten Konfliktgebiet, Südossetien, baut die georgische Regierung zur Zeit eine noch größere, noch modernere Kaserne. Gut ein Viertel des Staatshaushaltes fließt derzeit in die Armee.
Georgien setzt auf Abschreckung, erläutert denn auch Major Beso Goprodze, Leiter des Führungsstabs auf dem Militärstützpunkt Senaki. Goprodze sitzt in der Kommandozentrale und stempelt Papiere ab.
" Unsere Regierung versucht, die territorialen Konflikte friedlich zu lösen. Sie muss das, und wir müssen das auch - obwohl wir Soldaten sind. Wir wollen Gewalt vermeiden, denn Gewalt bringt nichts Gutes. Aber wenn noch einmal von der anderen Seite eine Gefahr für Georgien ausgeht, dann sind wir bereit, die Aufgaben der Regierung zu erfüllen. Ich denke, die andere Seite ist sich bewusst, das eine Auseinandersetzung mit der georgischen Armee heute nicht so einfach ist wie in den 90er Jahren. "
Selbstbewusstsein und Stolz - das sind zwei Eigenschaften, die den Georgiern helfen, die derzeitigen Reformen voranzutreiben und dabei auch vor Wagnissen nicht zurückzuschrecken. Die Möwe in Aka Morchiladzes Roman "Santa Esperanza" fliegt ihr Heimatland Georgien im Dunkeln an - obwohl sie weiß, dass Vögel nachts in der Luft nichts zu suchen haben. Aber der Flug ging schneller, als sie erwartet hatte. Das bringt Komplikationen mit sich.
" Wir versuchen, die Einheiten dort zu haben, wo wir es am schnellsten gebrauchen werden. Falls wir es gebrauchen werden. "
Konkreter will er nicht werden. Auch Davitadze hat seine Ausbildung in der Bundeswehr absolviert, auch er ist erst 25. Auf der rechten Brust trägt er Eichenlaub: das Abzeichen der Einzelkämpfer. Stolz zeigt er die Kaserne. Die Gebäude sind in frischem Grün gestrichen, die Büroausstattung modern.
" Hier vorher war sehr alte russische Baracks. Hier war Schrott und alles war hier. Es war undenkbar, hier so was zu machen. "
Nahe dem zweiten Konfliktgebiet, Südossetien, baut die georgische Regierung zur Zeit eine noch größere, noch modernere Kaserne. Gut ein Viertel des Staatshaushaltes fließt derzeit in die Armee.
Georgien setzt auf Abschreckung, erläutert denn auch Major Beso Goprodze, Leiter des Führungsstabs auf dem Militärstützpunkt Senaki. Goprodze sitzt in der Kommandozentrale und stempelt Papiere ab.
" Unsere Regierung versucht, die territorialen Konflikte friedlich zu lösen. Sie muss das, und wir müssen das auch - obwohl wir Soldaten sind. Wir wollen Gewalt vermeiden, denn Gewalt bringt nichts Gutes. Aber wenn noch einmal von der anderen Seite eine Gefahr für Georgien ausgeht, dann sind wir bereit, die Aufgaben der Regierung zu erfüllen. Ich denke, die andere Seite ist sich bewusst, das eine Auseinandersetzung mit der georgischen Armee heute nicht so einfach ist wie in den 90er Jahren. "
Selbstbewusstsein und Stolz - das sind zwei Eigenschaften, die den Georgiern helfen, die derzeitigen Reformen voranzutreiben und dabei auch vor Wagnissen nicht zurückzuschrecken. Die Möwe in Aka Morchiladzes Roman "Santa Esperanza" fliegt ihr Heimatland Georgien im Dunkeln an - obwohl sie weiß, dass Vögel nachts in der Luft nichts zu suchen haben. Aber der Flug ging schneller, als sie erwartet hatte. Das bringt Komplikationen mit sich.
EU-Einsätze in Georgien?
Georgiens Staatsminister für Konfliktregulierung fordert ein stärkeres Engagement der Europäer
Georgiens Staatsminister für Konfliktregulierung fordert ein stärkeres Engagement der Europäer
Ein Regierungsgebäude im Zentrum von Tiflis. Der Fahrstuhl zum Büro des Staatsministers für Konfliktregulierung stammt noch aus Sowjetzeiten: Beim Betreten sackt die enge Kabine mit einem Ruck ein Stück nach unten. Eingesperrt in einem Quadratmeter Aufzugskabine, verständigen sich die Passagiere darüber, wer in welchem Stockwerk aussteigen möchte. Denn der Lift hält nicht etwa im niedrigsten Stockwerk zuerst, sondern auf der Etage, die zuerst gedrückt wurde. Wer nicht schnell genug ist, fährt gegebenenfalls erst mal nach ganz oben.
David Bakradze ist eine Schlüsselfigur für die Gestaltung der Zukunft Georgiens. Denn in seinem Büro entscheidet sich, wie die territorialen Konflikte mit Südossetien und Abchasien gelöst werden sollen. Die Lösung dieser Konflikte gilt bisher als eine Voraussetzung für die eventuelle Nato-Mitgliedschaft Georgiens. Bakradze trägt Nadelstreifen, sitzt an einem aufgeräumten Schreibtisch. Dazu ein großer Sitzungstisch und eine Ledersitzgruppe.
" Unsere Konflikte sind sehr komplex. Da kommt alles zusammen: Außenpolitik, Sicherheitspolitik, militärische Fragen, wirtschaftlicher Wiederaufbau. Alles läuft hier im Büro an diesem Tisch zusammen. Und hier versuchen wir, gemeinsame Strategien auszuarbeiten. "
Bakradze deutet auf eine große Karte an der Wand: Sie zeigt das Konfliktgebiet Abchasien. Gleich daneben ist Platz für eine zweite, ebenso groß: für die abtrünnige Region Südossetien. Sie ist noch in Arbeit. Bakradze ist 35 Jahre alt und Europafachmann, hat als Parlamentsabgeordneter über Jahre mit der EU verhandelt. Dass ausgerechnet er zum obersten Konfliktregulierer ernannt wurde, ist kein Zufall. Er soll die Europäer dazu bringen, Georgien bei der Lösung der territorialen Konflikte zu helfen. Insbesondere hofft Bakradze, dass die EU im Sinne Georgiens auf Russland einwirkt.
" Es geht nicht darum, Russland zu isolieren oder eine Konfrontation herbeizuführen. Wir wollen, dass die EU Russland dazu bringt, sich an der Lösung der Konflikte zu beteiligen. Die EU hat enormes politisches Gewicht, das sie aber oft unterschätzt und nicht genug benutzt. "
Die Georgier selbst tun wenig, um den Konflikt mit Russland zu entschärfen. Staatsminister Bakradze zuckt mit den Achseln.
" Um unsere Beziehungen zu Russland zu verbessern, müssen wir wissen, was von uns erwartet wird. Und um ehrlich zu sein, haben wir in den letzten 16, 17 Jahren, von Beginn der georgischen Unabhängigkeit an, von den Russen nie eine klare Ansage bekommen. Wenn wir sie fragen, was sie von uns erwarten, dann ist die Antwort immer: Ihr wisst schon, was ihr zu tun habt. Aber nichts Konkretes. Höchstens sagen sie mal allgemein, dass wir dem Westen den Rücken kehren sollen. Leider habe ich den Eindruck, dass es in Russland gar keine politische Linie für den Umgang mit Georgien gibt. "
Was der Staatsminister verschweigt: Georgische Politiker, darunter auch Präsident Saakaschwili, haben Russland diverse Male provoziert. Saakaschwili kündigte zum Beispiel nach seiner Amtsübernahme an, russische Touristenschiffe versenken zu lassen, sollten die den Hafen der abtrünnigen Region Abchasien anlaufen. Und im Herbst 2006 ließ er vier russische Geheimdienstler medienwirksam verhaften und ausweisen. Die Affäre um die russischen Spione war es, die den Kreml veranlasste, Georgier abzuschieben und den Flugverkehr nach Georgien auszusetzen.
Bakradze weist die Sekretärin an, keine Anrufe mehr durchzustellen. Aus dem Fenster kann er die schwarz verglasten Luxuslimousinen sehen, die durch die Tifliser Innenstadt rasen, und die alten Frauen, die tagaus tagein für ein paar Cent selbstgepflückte Blümchen verkaufen, um zu überleben - die georgischen Gegensätze wie in einem Schaufenster.
" Das Land hat unter Korruption und Missmanagement gelitten und unter seinen Konflikten. Wir fangen erst an, die Wirtschaft wieder aufzubauen. Die nächsten fünf bis sechs Jahre werden entscheidend für uns sein. Aber diesen Transformationsprozess haben viele osteuropäische Staaten durchgemacht. Nehmen wir den Fahrstuhl, mit dem Sie hochgefahren sind. Wenn Sie etwa ins Baltikum fahren oder nach Polen, dann sehen Sie dort auch noch viele sowjetische Fahrstühle. Vielleicht sogar in Ostdeutschland. Man kann ja nicht alles auf einmal austauschen. "
Bakradze lächelt selbstsicher. Über die Wirtschaftsreformen reden die georgischen Politiker derzeit am liebsten. Hier können sie Erfolge vorweisen: Die Weltbank kürte Georgien jüngst zum Reformland Nummer eins. Der Europarat hingegen kritisiert die Regierung unter Saakaschwili wegen dessen autoritären Führungsstils. Zudem werde in Gefängnissen gefoltert, und die Regierung nehme Einfluss auf das Justizsystem. Staatsminister Bakradze schüttelt den Kopf. Er findet die Kritik des Europarats überzogen. Georgien habe nun mal ehrgeizige Ziele, und da könnten sie nicht immer alle demokratischen Spielregeln bis ins letzte Detail einhalten.
" Bei uns geht es zur Zeit hart auf hart. Wir sind nach unserer staatlichen Unabhängigkeit in Konflikte hineingeraten, und die haben uns gehemmt. Jetzt haben wir eine zweite Chance. Wenn wir die nicht nutzen, dann verdienen wir kein besseres Los. Und wir möchten, dass unsere ausländischen Freunde uns helfen, ein geeinigtes, demokratisches, verlässliches Land zu sein, das Teil der europäischen Familie ist. "
David Bakradze ist eine Schlüsselfigur für die Gestaltung der Zukunft Georgiens. Denn in seinem Büro entscheidet sich, wie die territorialen Konflikte mit Südossetien und Abchasien gelöst werden sollen. Die Lösung dieser Konflikte gilt bisher als eine Voraussetzung für die eventuelle Nato-Mitgliedschaft Georgiens. Bakradze trägt Nadelstreifen, sitzt an einem aufgeräumten Schreibtisch. Dazu ein großer Sitzungstisch und eine Ledersitzgruppe.
" Unsere Konflikte sind sehr komplex. Da kommt alles zusammen: Außenpolitik, Sicherheitspolitik, militärische Fragen, wirtschaftlicher Wiederaufbau. Alles läuft hier im Büro an diesem Tisch zusammen. Und hier versuchen wir, gemeinsame Strategien auszuarbeiten. "
Bakradze deutet auf eine große Karte an der Wand: Sie zeigt das Konfliktgebiet Abchasien. Gleich daneben ist Platz für eine zweite, ebenso groß: für die abtrünnige Region Südossetien. Sie ist noch in Arbeit. Bakradze ist 35 Jahre alt und Europafachmann, hat als Parlamentsabgeordneter über Jahre mit der EU verhandelt. Dass ausgerechnet er zum obersten Konfliktregulierer ernannt wurde, ist kein Zufall. Er soll die Europäer dazu bringen, Georgien bei der Lösung der territorialen Konflikte zu helfen. Insbesondere hofft Bakradze, dass die EU im Sinne Georgiens auf Russland einwirkt.
" Es geht nicht darum, Russland zu isolieren oder eine Konfrontation herbeizuführen. Wir wollen, dass die EU Russland dazu bringt, sich an der Lösung der Konflikte zu beteiligen. Die EU hat enormes politisches Gewicht, das sie aber oft unterschätzt und nicht genug benutzt. "
Die Georgier selbst tun wenig, um den Konflikt mit Russland zu entschärfen. Staatsminister Bakradze zuckt mit den Achseln.
" Um unsere Beziehungen zu Russland zu verbessern, müssen wir wissen, was von uns erwartet wird. Und um ehrlich zu sein, haben wir in den letzten 16, 17 Jahren, von Beginn der georgischen Unabhängigkeit an, von den Russen nie eine klare Ansage bekommen. Wenn wir sie fragen, was sie von uns erwarten, dann ist die Antwort immer: Ihr wisst schon, was ihr zu tun habt. Aber nichts Konkretes. Höchstens sagen sie mal allgemein, dass wir dem Westen den Rücken kehren sollen. Leider habe ich den Eindruck, dass es in Russland gar keine politische Linie für den Umgang mit Georgien gibt. "
Was der Staatsminister verschweigt: Georgische Politiker, darunter auch Präsident Saakaschwili, haben Russland diverse Male provoziert. Saakaschwili kündigte zum Beispiel nach seiner Amtsübernahme an, russische Touristenschiffe versenken zu lassen, sollten die den Hafen der abtrünnigen Region Abchasien anlaufen. Und im Herbst 2006 ließ er vier russische Geheimdienstler medienwirksam verhaften und ausweisen. Die Affäre um die russischen Spione war es, die den Kreml veranlasste, Georgier abzuschieben und den Flugverkehr nach Georgien auszusetzen.
Bakradze weist die Sekretärin an, keine Anrufe mehr durchzustellen. Aus dem Fenster kann er die schwarz verglasten Luxuslimousinen sehen, die durch die Tifliser Innenstadt rasen, und die alten Frauen, die tagaus tagein für ein paar Cent selbstgepflückte Blümchen verkaufen, um zu überleben - die georgischen Gegensätze wie in einem Schaufenster.
" Das Land hat unter Korruption und Missmanagement gelitten und unter seinen Konflikten. Wir fangen erst an, die Wirtschaft wieder aufzubauen. Die nächsten fünf bis sechs Jahre werden entscheidend für uns sein. Aber diesen Transformationsprozess haben viele osteuropäische Staaten durchgemacht. Nehmen wir den Fahrstuhl, mit dem Sie hochgefahren sind. Wenn Sie etwa ins Baltikum fahren oder nach Polen, dann sehen Sie dort auch noch viele sowjetische Fahrstühle. Vielleicht sogar in Ostdeutschland. Man kann ja nicht alles auf einmal austauschen. "
Bakradze lächelt selbstsicher. Über die Wirtschaftsreformen reden die georgischen Politiker derzeit am liebsten. Hier können sie Erfolge vorweisen: Die Weltbank kürte Georgien jüngst zum Reformland Nummer eins. Der Europarat hingegen kritisiert die Regierung unter Saakaschwili wegen dessen autoritären Führungsstils. Zudem werde in Gefängnissen gefoltert, und die Regierung nehme Einfluss auf das Justizsystem. Staatsminister Bakradze schüttelt den Kopf. Er findet die Kritik des Europarats überzogen. Georgien habe nun mal ehrgeizige Ziele, und da könnten sie nicht immer alle demokratischen Spielregeln bis ins letzte Detail einhalten.
" Bei uns geht es zur Zeit hart auf hart. Wir sind nach unserer staatlichen Unabhängigkeit in Konflikte hineingeraten, und die haben uns gehemmt. Jetzt haben wir eine zweite Chance. Wenn wir die nicht nutzen, dann verdienen wir kein besseres Los. Und wir möchten, dass unsere ausländischen Freunde uns helfen, ein geeinigtes, demokratisches, verlässliches Land zu sein, das Teil der europäischen Familie ist. "
Georgien - Fundort der ältesten Europäer
Ein Archäologe und sein Thema.
Ein Archäologe und sein Thema.
Er heißt David Lordkipanidze, ist Professor und Direktor des georgischen Nationalmuseums, und er sagt seit einigen Jahren vor allem immer wieder eines:
" Wir fahren an den Ort, an dem wir Spuren der frühesten Menschen in Europa gefunden haben. Kulturell und geographisch ist das hier Europa. "
David Lordkipanidze ist auf dem Weg nach Dmanisi, ein Dorf nahe der Grenze zu Aserbaidschan. Er hat die Ärmel seines Jeanshemdes hochgekrempelt, eine Sonnenbrille aufgesetzt und die rechte Hand locker auf das Lenkrad seines Geländewagens gelegt. Im Jahr 2001 haben Archäologen bei Dmanisi den Schädel eines Hominiden gefunden. 1,8 Millionen Jahre soll er alt sein - und damit der älteste Menschenfund außerhalb des afrikanischen Kontingents, auf dem die Menschheitsgeschichte ihren Anfang nahm. Seither dient er den Georgien als Beweis dafür, dass hier, in Georgien, die europäische Siedlungsgeschichte begann. Und zwar eine halbe Million Jahre früher, als bis dahin angenommen. Der Stolz darauf steht Lordkipanidze ins Gesicht geschrieben.
" Wenn du nicht stolz bist, kannst du keine Werte schaffen. Stolz ist Teil der Nationenbildung. Für Georgier gehört Stolz dazu, um die Zukunft zu gestalten. "
Ein Esel passiert die Straße. Die Zukunft soll Richtung Europa gehen, das steht auch für Lordkipanidze fest.
" Jetzt kommen wir gleich an den Ort, an dem wir die ältesten Europäer gefunden haben. "
Lordkipanidze beugt sich nach vorn. Der Schotterweg führt leicht bergauf, durch grüne Wiesen. Dann eine mannstiefe Grube.
" Georgien war immer eine Pforte nach Europa, und zwar schon vor zwei Millionen Jahren. "
" Wir haben hier älteste Menschen in Eurasia gefunden. "
Lordkipanidze nimmt einen Schädel in die Hand. Er hat ihn aus dem Museum mitgebracht. Es ist ein Modell, die Stirn fliehend, der Raum für das Gehirn klein. In Dmanisi soll ein modernes Museum mit Videodokumentationen entstehen. Archäologie live, sozusagen. Es geht darum, Georgien als europäischen Staat bekanntzumachen.
" Dies hier waren die ersten Menschen, die in Europa gesiedelt haben. Europa ist ein Kulturraum und ein geographischer Raum. Das ist klar. Und Georgier wollen nicht nur ein Teil der europäischen Kultur sein, wir waren das immer. "
" Wir fahren an den Ort, an dem wir Spuren der frühesten Menschen in Europa gefunden haben. Kulturell und geographisch ist das hier Europa. "
David Lordkipanidze ist auf dem Weg nach Dmanisi, ein Dorf nahe der Grenze zu Aserbaidschan. Er hat die Ärmel seines Jeanshemdes hochgekrempelt, eine Sonnenbrille aufgesetzt und die rechte Hand locker auf das Lenkrad seines Geländewagens gelegt. Im Jahr 2001 haben Archäologen bei Dmanisi den Schädel eines Hominiden gefunden. 1,8 Millionen Jahre soll er alt sein - und damit der älteste Menschenfund außerhalb des afrikanischen Kontingents, auf dem die Menschheitsgeschichte ihren Anfang nahm. Seither dient er den Georgien als Beweis dafür, dass hier, in Georgien, die europäische Siedlungsgeschichte begann. Und zwar eine halbe Million Jahre früher, als bis dahin angenommen. Der Stolz darauf steht Lordkipanidze ins Gesicht geschrieben.
" Wenn du nicht stolz bist, kannst du keine Werte schaffen. Stolz ist Teil der Nationenbildung. Für Georgier gehört Stolz dazu, um die Zukunft zu gestalten. "
Ein Esel passiert die Straße. Die Zukunft soll Richtung Europa gehen, das steht auch für Lordkipanidze fest.
" Jetzt kommen wir gleich an den Ort, an dem wir die ältesten Europäer gefunden haben. "
Lordkipanidze beugt sich nach vorn. Der Schotterweg führt leicht bergauf, durch grüne Wiesen. Dann eine mannstiefe Grube.
" Georgien war immer eine Pforte nach Europa, und zwar schon vor zwei Millionen Jahren. "
" Wir haben hier älteste Menschen in Eurasia gefunden. "
Lordkipanidze nimmt einen Schädel in die Hand. Er hat ihn aus dem Museum mitgebracht. Es ist ein Modell, die Stirn fliehend, der Raum für das Gehirn klein. In Dmanisi soll ein modernes Museum mit Videodokumentationen entstehen. Archäologie live, sozusagen. Es geht darum, Georgien als europäischen Staat bekanntzumachen.
" Dies hier waren die ersten Menschen, die in Europa gesiedelt haben. Europa ist ein Kulturraum und ein geographischer Raum. Das ist klar. Und Georgier wollen nicht nur ein Teil der europäischen Kultur sein, wir waren das immer. "