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Alte Saxofone am Rande des Schwarzwalds

Auch der Saxofon-Restaurator Bruno Waltersbacher ist ein Unternehmer, der in den Nischen der Musikwelt sein Zuhause hat. Waltersbacher repariert und restauriert alte "Vintage-Hörner" - aus den USA oder aus Frankreich, wo vor 164 Jahren das erste Saxofon von einem Belgier patentiert wurde.

Von David Siebert | 09.08.2013
    Bruno Waltersbachers Saxofon-Werkstatt befindet sich auf dem Neuwerkhof in Lahr, einem alten Kasernengelände aus der Kaiserzeit. Wo früher Pferde und Munition untergebracht wurden, werden jetzt Saxofone repariert. Waltersbacher war lange selber leidenschaftlicher Saxofonspieler und hatte ursprünglich einen anderen Beruf:

    "Ich bin gelernter Orgelbauer und habe das 10 Jahre lang gemacht und habe mich dann quasi autodidaktisch weiterentwickelt und mach das jetzt seit 25 Jahren."

    Eine Kundin stellt einen alten Instrumentenkoffer aus Leder auf die Theke. Darin ein funkelndes Altsaxofon aus Silber – ein Erbstück. Waltersbacher prüft die Seriennummer und bestätigt, dass es sich um ein legendäres Saxofonmodell handelt:

    "Das ist das Selmer Mark 6 von 1957, ein französischer Hersteller, der bekannteste Hersteller überhaupt. Das Modell gab es seit 1955 und wurde 18 Jahre lang gebaut, und es ist das berühmteste Saxofonmodell."

    Amerikanische Jazzgrößen – von Stanley Turrentine bis Michael Brecker – spielten das Mark VI:

    "Vom mechanischen Standard ist es handwerklich das beste Level, was es je gab. Also jedes Saxofon, was heute gebaut wird, egal, ob in Japan oder Taiwan oder China, ist im Prinzip eine Kopie dieses Instruments."

    Um das alte Instrument wieder einsatzfähig zu machen, ist jedoch erst eine Generalüberholung notwendig. Eine Prozedur, die bei einem Saxofon eigentlich alle paar Jahre notwendig ist. Jedes Instrument verfügt über 24 oder 25 Tonlöcher, die mit Klappen verschlossen werden auf denen Polster sitzen – aus Filz und feinem Ziegenleder:

    "Diese Polster verschleißen zum einen, da ist eben das Leder, was hart wird durch die Spucke, und dann sieht man, den Filz kann nichts mehr dichten."

    Bei einer Generalüberholung werden zuerst Klappen und die komplexe Mechanik abgenommen, dann Beulen und Macken am Saxofon ausgebessert und kaputte Teile ausgetauscht und repariert. Anschließend wird das Instrument in einem Ultraschallbad gereinigt, dann werden die Klappen mit neuen Polstern versehen:

    "Ich hab da X-Tausend verschiedene Polster allen Größen, in Viertel-, Halbmillimeter Abständen, und dann wird die Mechanik wieder aufgesetzt und dann zueinander wieder einreguliert. Ich höre das eigentlich in der Regel schon, ob das gut schließt."

    Waltersbacher und seine beiden Kollegen überholen jedes Jahr Dutzende Saxofone, gebrauchte wie neue Instrumente. Zu seinen Kunden gehören Profis wie Amateure, vom Jazzmusiker über klassische Saxofonisten bis hin zum Blasmusikverein. Einen besonderen Ruf hat er sich aber als Restaurateur alter Instrumente erworben:

    "Da habe ich schon jetzt aus ganz Europa auch inzwischen Kundschaft, die da immer wieder treu kommt."

    In seiner Werkstatt thronen auf vier langen Regalreihen mehr als hundert solcher "Vintage-Saxofone" – meist Instrumente aus den USA. Das Saxofon, das 1846 vom Instrumentenbauer Adolf Sax in Paris als Patent angemeldet wurde, wurde anfangs nur in Frankreich produziert. In den 1930er- bis 1960er-Jahren, der goldenen Ära des Jazz, bauten dann immer mehr US-amerikanische Hersteller Saxofone. Die Firmen hießen damals Conn, King, Buescher oder Holten:

    "Die amerikanischen klingen sehr viel voller, runder, wärmer und sind auch deshalb sehr beliebt. Es ist ein größerer Ton, es ist ein viel expressiverer Ton."

    Dass alte Saxofone mit mehr Seele klingen, führt Waltersbacher auch auf die damalige Herstellungsweise zurück:

    "Heutzutage werden in großen Serien, wie jetzt bei den Japanern, werden sicher in riesigen Stückzahlen die Korpusteile tiefgezogen und anders bearbeitet, als es ursprünglich mal der Fall war, und da bin ich ganz sicher, dass es auf den Ton eine Auswirkung hat, ob das Material gestreckt oder komprimiert wird."

    Früher ist Waltersbacher regelmäßig in die USA gereist, um dort alte Vintage-Instrumente aufzustöbern. Heute spielt sich der Handel fast komplett über Internet, Ebay & Co ab. Die Saxofone, die bei Waltersbacher zur Restauration eintreffen, stammen dabei aus der ganzen Welt:

    "Ich hatte mal ein Bariton aus den Philippinen, da gibt es nicht viele Reparateure, die fachkundig sind, und dann wurden halt mit Elektrokabeln irgendwelche abgebrochenen Sachen ersetzt, das war schon in einem ganz erbärmlichen Zustand. Ich erwarte jetzt auch gerade ein Selmer Bariton aus der Karibik, da rechne ich auch mit dem Allerschlimmsten."

    Und manchmal verbergen sich hinter den Instrumenten auch skurrile Geschichten:

    "Es gibt ein paar spektakuläre Sachen, wo einer sein Auto einmal umparken wollte und vergessen hatte, dass er neben dran das Saxofon abgestellt hat und dann da drüber fuhr. Es war aber ein Andenken an seinen Lehrer, und wir haben es dann auch wirklich ohne Probleme hin bekommen."