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Alter Furor, neu gemixt

Schon in den frühen 90er-Jahren sorgte Stefan Pucher mit seinen Text-Musik-Video-Collagen für Aufsehen. Sein Theater überblendet Realität und Fiktion, persönliche und medialisierte Erfahrung. Jetzt hat der deutsche Regisseur das Shakespeare-Stück "Antonia und Cleopatra" am Burgtheater in Wien auf die Bühne gebracht.

Von Gernot Zimmermann |
    Mit Spannung hatte man in Wien die letzte große Premiere vor Weihnachten am Burgtheater erwartet. Shakespeares römische Tragödie "Antonia und Cleopatra" hatte der neue Burgchef Mattias Hartmann dem deutschen Regisseur Stefan Pucher überantwortet, der sich in Deutschland und der Schweiz vor allem durch seinen multimediale Theatersprache einen Namen gemacht hat. In Österreich hatte man dieses früher oft gespielte Drama um Liebeswahnsinn und politische Intrige in den letzten 20 Jahren selten gesehen. Auch Inszenierungen durch Peter Zadek bei den Wiener Festwochen und durch Peter Stein bei den Salzburger Festspielen konnten nicht wirklich überzeugen. Und wie wurde das große angekündigte Weihnachtsgeschenk des Burgtheaters aufgenommen?

    Trotz so mancher verzweifelter Anfeuerung aus dem Publikum, war das Urteil des Premierenpublikums am Wiener Burgtheater gestern ziemlich deutlich, als das Produktionsteam die Bühne betrat. Kaum war das Buh-Konzert vorüber, erlahmten auch schon allen Zuschauern die Hände. Stefan Puchers Inszenierung konnte nicht überzeugen, zu unentschieden ist sein Zugriff , was sich gleich ganz deutlich an der Verwendung der Sprache zeigt: Da wird Shakespeare einmal umgangssprachlich, dann ironisch-flapsig, dann wieder ganz hehr und pur gesprochen. Antonius und Cleopatra, der römische Feldherr Mark Anton und die ägyptische Königin hören sich an, wenn sie sich zanken, als ginge es um eine x-beliebige Beziehungskiste.

    Catrin Striebeck als Cleopatra und Wolfram Koch als Mark Anton haben es aber auch nicht leicht. Sie müssen wie alle anderen Schauspieler auch unentwegt frontal ins Publikum spielen. Plastische Figuren, Beziehungen, geschweige denn die todbringende Macht des Eros, von dem Shakespeares Stück ebenso handelt wie von Macht, Maßlosigkeit und Untergang, können sich da nicht entfalten.

    Dieses nach Vorne- Spielen findet seine Entsprechung in riesigen Wägen, auf denen die Akteure auf der sonst leeren Bühne des Burgtheaters immer wieder hereingefahren werden. Sie sind wie die Kostüme glitzernd und poppig und passen zur immer wieder markant eingesetzten Pop-Musik. Der junge Aufsteiger Octavian , dargestellt von Alexander Scheer, der Mark Anton in die Knie zwingt, geriert sich dementsprechend als zynischer Popstar .

    "Antonius und Cleopatra" ist zugegebenermaßen ein Shakespeare–Stück, das heute selten auf den Spielplänen steht. Aus gutem Grund: Denn das Stück besteht im ersten Teil aus viel Genremalerei und sich hektisch überstürzenden Szenen, die sich in Ägypten, Rom oder auf Schlachtfeldern dazwischen abspielen. Das verlangt inszenatorische Technik, ein Gefühl für Spannung und Tempo. Im zweiten Teil , wenn der Stern des Mark Anton sinkt, läuft es dann eigentlich zu seiner ganzen Form auf. Da könnte es auch heutige Zuschauer durchaus noch berühren, gesetzt, man ließe sich überhaupt auf Gefühle ein. Und das will Stefan Pucher, so scheint es, dezidiert nicht. Da flieht er in die sattsam bekannten, live gedrehten Filmaufnahmen, da lässt er sich sogar dann und wann vom Pathos überrumpeln, um es dann gleich wieder lächerlich zu machen.

    Mag sein, dass Regisseur Stefan Pucher sich von vielen Oberflächenreizen des Stückes leiten ließ: Man denkt bei ihm eher an Cartoons oder grelle Historienschinken. In die Tiefe des Textes von Shakespeare und seiner poetischen und metaphorischen Sprache wollte oder konnte er nicht vordringen. Also ein vorweihnachtliches Geschenk des Burgtheaters an sein Publikum, das so manche nach der Premiere von "Antonius und Cleopatra" beim Auspacken vielleicht nicht so erfreuen wird wie das goldglänzende Geschenkpapier.