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Alter Käse

Archäologie. - Wer an Laktoseintoleranz leidet, kennt die misslichen Folgen von einem Glas Milch. Doch was heute noch eher die Ausnahme ist, war bei den frühen Bauern in Europa die Regel: Wer Milch konsumierte, bekam es meist unweigerlich mit Blähungen und Durchfall zu tun. Eine Möglichkeit, dieses nahrhafte Lebensmittel ohne lästige Nebenwirkungen konsumieren zu können, war die Herstellung von Käse, der weniger Laktose enthält. Tatsächlich ist nun ein Forscherteam in Polen auf sehr frühe Nachweise der Käseproduktion gestoßen.

Von Tomma Schröder |
    Auf den ersten Blick sind es unscheinbare hellbraune Keramikscherben mit kleinen, regelmäßig verteilten Löchern darin. Über 7000 Jahre alt sind diese in Polen ausgegrabenen Scherben und sollen, so besagt es die aktuelle Studie im Fachmagazin "Nature", damals einem ganz besonderen Zweck gedient haben: In ihnen haben die frühen Bauern bereits im 6. Jahrtausend vor Christus Käse hergestellt.

    "Ich war begeistert, wirklich. Ich war verblüfft. Ich halte seit Jahren Vorträge unter anderem über diese keramischen Siebe. Peter Bogucki, einer unserer Co-Autoren hat schon vor 30 Jahren gesagt, dass diese Keramiken als Käsesieb dienten. Und ich sagte: 'Komm, damit kann man alles Mögliche gesiebt haben!'"

    Richard Evershed, Chemiker an der Universität Bristol, aber konnte die Theorie seines Kollegen nun untermauern. Denn er hat Spuren von Milchfetten an den Scherben nachgewiesen und damit den frühesten Beweis für die Produktion von Käse geliefert. Das zumindest ist sehr wahrscheinlich. Denn wozu sollten die Bauern sonst ein Milchprodukt in ein löchriges Gefäß gefüllt haben?

    "Wenn man Käse macht, muss man den Käsebruch abseihen und so von der Molke trennen. Die Tatsache, dass wir nun löchrige Gefäße haben, in denen – wie wir gezeigt haben – spezielle Milchfette zu finden waren, macht es schwierig, sich irgendeine anderen Vorgang als die Käseherstellung vorzustellen."

    Um die jahrtausendealten Milchreste überhaupt nachweisen zu können, wandten Evershed und seine Kollegen eine bewährte Methode an. Sie lösten das Fett aus den im polnischen Kujawien gefundenen Keramiken und bestimmten dann das Verhältnis der stabilen Kohlenstoffisotope C12 und C13, um so Rückschlüsse auf die Art des Fetts zu ziehen.

    "Wir nehmen kleine Stücke des Keramiksiebs und mahlen sie zu einem feinen Puder, weil wir wissen, dass sich Fette in den Gefäßwänden von alten Töpferwaren sehr lange halten. Diese Fette lösen wir dann mit einer organischen Lösung heraus. Das ist so ähnlich, als wenn Sie Ihr liebstes Kleidungsstück zur Trockenreinigung bringen, um Fettflecken entfernen zu lassen. Und wenn man nun einmal diese Fettlösung hat, kann man die molekulare Zusammensetzung analysieren und die übrig gebliebenen Bestandteile des Fetts sehen. Dabei zeichnen wir die Zusammensetzung der stabilen Kohlenstoffisotope auf und können daran ablesen, ob es sich tatsächlich um Milchfett handelt."

    Mit dem ersten Käsesieb konnten die Bauern damals nicht nur ein geschmacklich neues und bereicherndes Produkt herstellen. Sie hatten mit dem Käse zugleich ein besonders nahrhaftes, haltbares und vor allem laktosearmes Lebensmittel entdeckt. Denn den Milchzucker konnten die meisten Europäer im 6. Jahrtausend vor Christus noch nicht richtig abbauen. Sie hatten gerade erst begonnen, sesshaft zu werden, Milchvieh zu halten und auch im erwachsenen Alter noch Milch zu konsumieren. Bei der damals völlig üblichen Laktoseintoleranz waren Blähungen und Durchfall die Folge. Beim Verzehr von Käse blieben ihnen diese Nebenwirkungen wohl erspart. Denn die Laktose steckt vor allem in der Molke, die während der Käseherstellung abgeschieden wird. Insofern sei der Käse eine segensreiche Erfindung gewesen, meint der Milchexperte Evershed, um den Menschen langsam an die Milchprodukte zu gewöhnen, die heute kaum noch aus unserer Ernährung wegzudenken seien.

    "Seitdem ich darüber forsche, bin ich ein begeisterter Konsument von Milchprodukten geworden. Wenn sie für meine Vorfahren gut waren, dann sind sie es auch für mich."