Kaum ein Theaterstück der Moderne hat so viele Rätseldeuter und Anspielungsversteher angezogen wie Samuel Becketts "Endspiel". Theodor W. Adornos Essay "Versuch, das Endspiel zu verstehen", könnte als Motto gelten für die Berge von Sekundärliteratur, die sich vor diesem modernen Klassiker auftürmen. Einerseits. Andererseits gibt es kaum eine Inszenierung, die nicht im Programmheft Becketts Antwort auf die Frage zitiert, ob sein Stück den Zuschauern Rätsel aufgebe: "Endspiel will bloßes Spiel sein. Nichts weniger. Von Rätseln und Lösungen also kein Gedanke." Natürlich beginnt auch das Programmheft des Deutschen Theaters mit diesem Zitat, - allerdings folgen dann etliche philosophierende und assoziierende Texte.
Denn Becketts nunmehr 50 Jahre altes "Endspiel" ist natürlich ein Spiel mit tieferen Bedeutungen, ein Spiel, das existentialistische und bildungsbürgerliche Anspielungen auf eine Sein- und Bewusstseinskrise des modernen Menschen enthält. Hamm und Clov, Herr und Knecht, sind einsam und am Ende. Doch obwohl sie sich ihrer Lage bewusst sind, finden sie keinen Sinn in ihr und keinen Ausweg aus ihr. So spielen sie nur immer wieder die gleichen Beziehungs- und Herrschaftsrituale durch. Gemeinsam sind sie jeder für sich allein. Obwohl egoistisch, sehnen sie sich auch nach Liebe. Eingesperrt in eine räumliche und existentielle Leere, hoffen sie auf ein, auf ihr Ende. Erklären will Beckett hier tatsächlich nichts. Deshalb erklärte er später: "Für mich ist das Theater keine moralische Anstalt im schillerschen Sinne. Ich will weder belehren noch verbessern noch den Leuten die Langeweile vertreiben. Ich will Poesie in das Drama bringen, eine Poesie, die das Nichts durchschritten hat und in einem neuen Raum einen neuen Anfang findet." Becketts Poesie im "Endspiel" speist sich aus dessen Vorführung von Objekten, fand der Regisseur Peter Brook bei der Arbeit am Stück heraus: "Was er vorführt, ist furchtbar. Weil es furchtbar ist, ist es auch komisch. Er zeigt, es gibt keinen Ausweg, und das ist natürlich irritierend, weil es tatsächlich keinen Ausweg gibt."
Jan Bosses Berliner Inszenierung nun produziert weder Entsetzen noch überschäumende Komik. Der neue Raum für Becketts Stück ist das alte Theater. Bosse erklärt dem Zuschauer bei seinen Inszenierungen gern, dass Theater vor allem Vorspiel und Schauspielerei sei. So zeigt er auch beim "Endspiel" vor allem ein Schauspieler-Vorspiel. Zunächst wird der Zuschauer von grellem Scheinwerferlicht von der Bühne herab geblendet, dann werden auf einer großen, leeren Bretterschräge im schwarzen Nichts Ham und Clov sichtbar. Clov fixiert das Publikum, während er das Tuch über Hamms Kopf anhebt, um diesem die ersten Worte ins Ohr zu sprechen: "Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende". Und Hamm, im silberfarben glitzernden Anzug mit verspiegelter Brille, gähnt nicht wie bei Beckett, sondern setzt ein breites Entertainer-Lächeln auf. Dann zieht er das Tuch ab und wirft mit den triumphierenden Worten: "Ich bin dran. Jetzt spiele ich" seine Arme hoch. Im weiteren soll die Bühne allein die Bühne sein, gezeigt wird die Welt des Theaterspiels mit immer den gleichen Machtposen und Beziehungsspielen. So bekommt Clovs Frage "Warum dieses Theater, immer wieder, jeden Tag?" eine immanente, selbstreferentielle Bedeutung. Die bei Beckett noch durchs Fenster zu erspähende Außenwelt mit Kanal und Leuchtturm, möglicherweise geprägt von einem Endzeit-Inferno, ersetzt Bosse durch das Publikum und macht dieses zum Anspielpartner von Clov. Eine eventuelle "tiefere Bedeutung" kann hier nur das Wesen des Theaters meinen. Weshalb weite Passagen des bei der Lektüre heute, - und das bei dem Reduktionisten Beckett - , tatsächlich weitschweifig wirkenden Textes gestrichen sind. Weder gibt es das in Mülleimern vegetierende Elternpaar Nell und Nagg noch den aus Stoff gebastelten Holzhund. Warum Clov in Abhängigkeit verharrt, wird nicht mehr erklärt, und Hamm ist zwar blind, aber statt gelähmt recht beweglich in seinem Stuhl, - der deshalb auch kein Rollstuhl mehr ist. Wenn Clov einen Floh gefunden hat, ist dies kein Angstsymbol für eine mögliche Erneuerung des Lebens, sondern nur Anlass für eine wunderbare Kleiderausklopf-Clownsnummer mit viel stiebendem Mehl. So wird Becketts Existenzspiel zum Spiel um die theatrale Existenz. Ullrich Matthes gibt den Hamm mit analytischer Schärfe und souveräner Sprachkultur als egoistischen Regisseur, der seinen Diener lustvoll immer wieder die gleichen Dinge tun lässt. Während Wolfram Koch, in rosafarbener Kittelschürze über nackten Beinen, die Unwilligkeit und stille Aufmüpfigkeit des Clov mit körperlicher Biegsamkeit und sprachlicher Bedächtigkeit zeigt. Natürlich ist dieses "Endspiel" für die beiden in Berlin ungemein beliebten Schauspieler ein Heimspiel, und die Inszenierung gibt beiden Darstellern ausreichend Gelegenheit, zu brillieren. Doch da die Inszenierung weder existentielles Entsetzen hervorruft noch überbordende Komik präsentiert, weder Existenzspiel noch Clownsspiel wird, sondern sich vor allem in einer theatralen und analytischen Mittellage bewegt, ohne zur grundsätzlichen Parodie vorzustoßen, bleibt die Begeisterung des Publikums auch nur in einer Mittellage der Zustimmung. Und das völlig zu Recht.
Denn Becketts nunmehr 50 Jahre altes "Endspiel" ist natürlich ein Spiel mit tieferen Bedeutungen, ein Spiel, das existentialistische und bildungsbürgerliche Anspielungen auf eine Sein- und Bewusstseinskrise des modernen Menschen enthält. Hamm und Clov, Herr und Knecht, sind einsam und am Ende. Doch obwohl sie sich ihrer Lage bewusst sind, finden sie keinen Sinn in ihr und keinen Ausweg aus ihr. So spielen sie nur immer wieder die gleichen Beziehungs- und Herrschaftsrituale durch. Gemeinsam sind sie jeder für sich allein. Obwohl egoistisch, sehnen sie sich auch nach Liebe. Eingesperrt in eine räumliche und existentielle Leere, hoffen sie auf ein, auf ihr Ende. Erklären will Beckett hier tatsächlich nichts. Deshalb erklärte er später: "Für mich ist das Theater keine moralische Anstalt im schillerschen Sinne. Ich will weder belehren noch verbessern noch den Leuten die Langeweile vertreiben. Ich will Poesie in das Drama bringen, eine Poesie, die das Nichts durchschritten hat und in einem neuen Raum einen neuen Anfang findet." Becketts Poesie im "Endspiel" speist sich aus dessen Vorführung von Objekten, fand der Regisseur Peter Brook bei der Arbeit am Stück heraus: "Was er vorführt, ist furchtbar. Weil es furchtbar ist, ist es auch komisch. Er zeigt, es gibt keinen Ausweg, und das ist natürlich irritierend, weil es tatsächlich keinen Ausweg gibt."
Jan Bosses Berliner Inszenierung nun produziert weder Entsetzen noch überschäumende Komik. Der neue Raum für Becketts Stück ist das alte Theater. Bosse erklärt dem Zuschauer bei seinen Inszenierungen gern, dass Theater vor allem Vorspiel und Schauspielerei sei. So zeigt er auch beim "Endspiel" vor allem ein Schauspieler-Vorspiel. Zunächst wird der Zuschauer von grellem Scheinwerferlicht von der Bühne herab geblendet, dann werden auf einer großen, leeren Bretterschräge im schwarzen Nichts Ham und Clov sichtbar. Clov fixiert das Publikum, während er das Tuch über Hamms Kopf anhebt, um diesem die ersten Worte ins Ohr zu sprechen: "Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende". Und Hamm, im silberfarben glitzernden Anzug mit verspiegelter Brille, gähnt nicht wie bei Beckett, sondern setzt ein breites Entertainer-Lächeln auf. Dann zieht er das Tuch ab und wirft mit den triumphierenden Worten: "Ich bin dran. Jetzt spiele ich" seine Arme hoch. Im weiteren soll die Bühne allein die Bühne sein, gezeigt wird die Welt des Theaterspiels mit immer den gleichen Machtposen und Beziehungsspielen. So bekommt Clovs Frage "Warum dieses Theater, immer wieder, jeden Tag?" eine immanente, selbstreferentielle Bedeutung. Die bei Beckett noch durchs Fenster zu erspähende Außenwelt mit Kanal und Leuchtturm, möglicherweise geprägt von einem Endzeit-Inferno, ersetzt Bosse durch das Publikum und macht dieses zum Anspielpartner von Clov. Eine eventuelle "tiefere Bedeutung" kann hier nur das Wesen des Theaters meinen. Weshalb weite Passagen des bei der Lektüre heute, - und das bei dem Reduktionisten Beckett - , tatsächlich weitschweifig wirkenden Textes gestrichen sind. Weder gibt es das in Mülleimern vegetierende Elternpaar Nell und Nagg noch den aus Stoff gebastelten Holzhund. Warum Clov in Abhängigkeit verharrt, wird nicht mehr erklärt, und Hamm ist zwar blind, aber statt gelähmt recht beweglich in seinem Stuhl, - der deshalb auch kein Rollstuhl mehr ist. Wenn Clov einen Floh gefunden hat, ist dies kein Angstsymbol für eine mögliche Erneuerung des Lebens, sondern nur Anlass für eine wunderbare Kleiderausklopf-Clownsnummer mit viel stiebendem Mehl. So wird Becketts Existenzspiel zum Spiel um die theatrale Existenz. Ullrich Matthes gibt den Hamm mit analytischer Schärfe und souveräner Sprachkultur als egoistischen Regisseur, der seinen Diener lustvoll immer wieder die gleichen Dinge tun lässt. Während Wolfram Koch, in rosafarbener Kittelschürze über nackten Beinen, die Unwilligkeit und stille Aufmüpfigkeit des Clov mit körperlicher Biegsamkeit und sprachlicher Bedächtigkeit zeigt. Natürlich ist dieses "Endspiel" für die beiden in Berlin ungemein beliebten Schauspieler ein Heimspiel, und die Inszenierung gibt beiden Darstellern ausreichend Gelegenheit, zu brillieren. Doch da die Inszenierung weder existentielles Entsetzen hervorruft noch überbordende Komik präsentiert, weder Existenzspiel noch Clownsspiel wird, sondern sich vor allem in einer theatralen und analytischen Mittellage bewegt, ohne zur grundsätzlichen Parodie vorzustoßen, bleibt die Begeisterung des Publikums auch nur in einer Mittellage der Zustimmung. Und das völlig zu Recht.