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Alter Staub und das All

Astronomie. - Staub zu Hause zeigt, wie schmutzig die Wohnung ist - Staub aus dem All zeigt, was im Innern von Sternen vorgeht. In einigen Meteoriten gibt es Staubpartikel, die älter als das Sonnensystem sind. Diese Teilchen tragen noch immer unverfälscht die Information von ihrer Entstehung vor weit mehr als 5 Milliarden Jahren irgendwo in der Hülle eines längst erloschenen Sterns. Astronomen haben diesen Staub nun nachweisen können und berichten über den erstaunlichen Fund in der heute erscheinenden Fachzeitschrift "Science".

Von Dirk Lorenzen |
    Astronomen forschen stets an Objekten, die Lichtjahre weit entfernt sind. Alle Astronomen? Nein! Michael Savina und seine Kollegen am Argonne National Laboratory bei Chicago arbeiten gewissermaßen auf Tuchfühlung...

    Wir haben Körner von Sternstaub - Teilchen eines Sterns, die wir im Labor untersuchen. Das ist wirklich Astronomie zum Anfassen.

    Labor statt Sternwarte, Mikroskop statt Fernrohr, bestimmen den Arbeitsalltag von Michael Savina. Die Staubteilchen waren in Meteoriten eingeschlossen, die auf die Erde gefallen sind.
    Die Staubteilchen sind die ältesten Objekte, die wir kennen und die man in die Hand nehmen kann - sie sind älter als die Erde.

    Die nur etwa ein Tausendstel Millimeter kleinen Staubteilchen waren schon genau so vorhanden, als sich vor viereinhalb Milliarden Jahren unsere Sonne und die Planeten gebildet haben. Sie sind die Überreste längst erloschener Sterne. Savina:

    Wir haben in den Staubkörnchen jetzt die Zerfallsreste des Elements Technetium 99 gefunden. Als sich das Staubteilchen gebildet hat, muß es recht viel Technetium enthalten haben. Technetium ist nicht stabil und zerfällt in andere Stoffe. Daß wir die jetzt messen konnten, ist sehr wichtig, um genau zu verstehen, wie Sterne die chemischen Elemente herstellen.

    Astronomen haben zu Technetium eine fast sentimentale Beziehung - denn im Jahre 1952 hatte dieses Element die Forscher auf die richtige Spur gebracht. Astronomen hatten damals bei Teleskop-Beobachtungen im Licht alter Sterne Hinweise auf Technetium gefunden. Weil Technetium so schnell zerfällt, war sofort klar, daß es sich vor Ort - also im Stern - gebildet haben mußte. Es kann nicht woanders entstanden und dann irgendwie in den Stern gekommen sein - bis dahin wäre es längst zerfallen. Alte Sterne mußten die chemischen Öfen sein, in denen schwere Elemente entstehen. Savina:

    Jetzt, mehr als 50 Jahre später, haben wir Staubkörner untersucht und tatsächlich bewiesen, daß sie bei ihrer Entstehung viel Technetium enthalten haben. Also der Kreis dieser Theorie schließt sich. Und jetzt ist zweifelsfrei klar, daß diese Staubkörner wirklich Sternenstaub sind.

    Die Messungen der Labor-Astronomen ergänzen also wunderbar die Beobachtungen der Nacht-Astronomen. Denn auch im Licht eines Sterns gibt es Hinweise darauf, aus welchen Elementen der Stern aufgebaut ist. So wird die Theorie der Elemententstehung immer detaillierter, erklärt Michael Savina:
    Es ist ein sehr schöner Test für die Modelle, die vorhersagen, wieviel Technetium oder andere Elemente in Sternen entstehen. Wir messen das exakt nach. Die Theorie über die Vorgänge in Sternen ist offenbar sehr gut - denn wir haben eine sehr, sehr präzise Übereinstimmung von Theorie und Experiment.

    Nach heutiger Vorstellung entstehen Elemente, die schwerer sind als Eisen, also zum Beispiel Gold, Silber oder Kupfer, in alten, aufgeblähten Sternen. In den kühlen äußeren Schichten dieser Sterne kondensieren Staubteilchen - und dieser Staub verrät dank seines "chemischen Fingerabdrucks" noch nach Milliarden Jahren, welche Elemente es in seinem Heimatstern gegeben hat und was im Innern des Sterns passiert ist. So nehmen die Astronomen die Sterne nun gleichsam in die Zange: Sie beobachten Sterne im ganzen aus riesiger Entfernung mit Teleskopen - und sie lösen winzige Körnchen aus Meteoriten und untersuchen so Sterne mit dem Mikroskop.