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Alternative Ernährung für Pflanzen

Benötigte Nährstoffe nehmen Pflanzen meistens über die Wurzel auf. In gelöster Form können sie aber auch über die Blätter in Gewächse gelangen. Wie das geht, war ein Thema beim Treffen der Deutschen Gesellschaft für Pflanzenernährung in Bonn.

Von Michael Lange | 10.09.2012
    Eine Pflanze braucht zahlreiche Nährelemente: Stickstoff, Phosphor, Kalium, Schwefel und allerlei Spurenelemente. Sie nimmt sie auf in Form von gelösten Salzen, und das geschieht unterirdisch, über die Wurzel, erklärt Thomas Eichert. Der Agrarwissenschaftler forscht am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn.

    "Bei der Aufnahme von Nährstoffen über die Wurzel hat die Pflanze die Möglichkeit, das in gewissen Grenzen zu kontrollieren. Stoffe, die sie in großen Mengen braucht, kann sie sogar aktiv aufnehmen, mit Pumpen, von denen die Nährstoffe in die Zellen hinein gepumpt werden."

    Die Pflanze entscheidet in der Wurzel, was sie aufnimmt und was nicht. Überflüssige oder sogar schädliche Stoffe können so draußen gehalten werden. Aber es gibt auch einen alternativen Weg der Nährstoffaufnahme, und zwar oberirdisch durch die Blätter.

    "Und die Frage, mit der ich mich beschäftigt habe, lautet: Wie kommen die Nährstoffe da überhaupt rein? Die Blätter sind ja nicht Organe, die dafür vorgesehen sind, Nährstoffe aufzunehmen. Es ist einfach so: Wenn dieser Nährstoff gelöst auf der Blattoberfläche vorliegt, dann wird er einfach passiv in das Blatt eindringen, weil im Blatt eine geringere Konzentration ist als draußen. Man nennt das einen Konzentrationsgradienten, und der treibt die Diffusion der Nährstoffe von der Oberfläche ins Blattinnere an."

    Der Weg der Nährstoffe führt von der höheren Konzentration außen zur niedrigeren Konzentration innen, also ins Blatt hinein. Diesen Prozess nutzen Landwirte bei der sogenannten Blattdüngung.
    Thomas Eichert konnte nun den Weg der Substanzen ins Blatt nachzeichnen. Wie er erwartet hatte, gelangen die Stoffe nicht durch Risse und Verletzungen der Kutikula, einer schützenden Wachsschicht, in die Blätter. Vielmehr nutzen sie kleine Fenster im Blatt: die Spaltöffnungen, auch Stomata genannt. Um den Weg der Nährstoffe exakt zu verfolgen verwendete Thomas Eichert, Farbstoffe, die wie die Nährstoffe vom Blatt auf genommen werden.

    "Wir haben mit Nanopartikeln gearbeitet. Das sind Teilchen, die winzig klein sind, aber nicht gelöst. Die Größe betrug etwa 40 Nanometer. Sehr klein, aber groß genug, so dass sie nicht über die Kutikula aufgenommen werden können, sondern nur durch diese Spaltöffnungen. Und es ist uns so gelungen, durch Untersuchungen am Mikroskop zu zeigen, dass diese Nanopartikel durch die Spaltöffnungen wandern können, und so ins Blatt aufgenommen werden können."

    Die Spaltöffnungen dienen also als alternative Pforte für Nährstoffe. Wie groß die Bedeutung dieser Form der Nahrungsaufnahme in der Natur ist, können die Forscher noch nicht sagen. Aber sie wissen nun, dass er möglich ist. Das Problem der Nahrungsaufnahme über das Blatt ist die Regulation. Die Pflanze kann ihre kleinen Fenster, ihre Spaltöffnungen, zwar kontrolliert öffnen oder schließen. Aber sie kontrolliert so lediglich den Wasserhaushalt und den Gasaustausch und achtet nicht auf die Nahrungsaufnahme.

    "Und die Pflanze hat überhaupt keine Möglichkeit zu verhindern, dass diese Stoffe dem Konzentrationsgradienten folgend ins Blatt aufgenommen werden. Das heißt: der Landwirt, der die Stoffe ausbringt tut der Pflanze was Gutes. Er ergänzt einen Nährstoff, der ihr fehlt. Aber beispielsweise Verschmutzungen im Regen, Schadstoffe, werden auf dem gleichen Weg passiv in die Pflanze aufgenommen, ohne dass es irgendeine Kontrollmöglichkeit der Pflanze gäbe."

    Während Substanzen im Wasser für die Wurzel eine Art Nahrungsangebot darstellen, werden die Pflanzen über die Blätter gewissermaßen zwangsernährt. Zum Glück sind die aufgenommenen Nährstoffmengen meist sehr gering, so dass Pflanzen dadurch nicht geschädigt werden. Anders ist das, wenn Schadstoffe oder Giftstoffe durch die Spaltöffnungen in die Blätter gelangen. Die Pflanzen sind diesen Substanzen hilflos ausgeliefert.