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Alternative zum EU-Konvent

Europa eine Verfassung zu geben - das war das Ziel des EU-Konvents. Nach 480 Tagen Arbeit hat das Gremium vor einer Woche sein Werk präsentiert. Auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki, soll es den Regierungschefs vorgestellt werden. Mit geringerer öffentlicher Aufmerksamkeit, aber dennoch nicht weniger ambitioniert, hat sich ein Politik-Seminar an der Universität Trier mit dem Thema "EU-Verfassung" beschäftigt. Herausgekommen ist ein genau 58 Seiten umfassendes Konvolut, das Trierer Pendant zum Entwurf des Konvents sozusagen.

    Ich fand es besonders interessant, dass es ein Seminar ist, das relativ großen Praxisbezug hat, und dass es nicht nur darum ging, nur Referate zu halten und sich theoretisch mit etwas zu befassen, sondern dass man seine Ideen praktisch umzusetzen konnte, die man hatte.

    Ein ganzes Semester lang haben sich Christine Streichert und 29 weitere Studierende aus Trier und Luxemburg den Kopf darüber zerbrochen, wie die Europäische Union mit ihren künftig 25 Mitgliedern organisiert werden soll. Zunächst theoretisch, in Referaten über politische Verfassungen und anschließend praktisch, in Arbeitsgruppen zu Themen wie "Grundrechte", "Institutionen", "Kompetenzen" oder "Außenpolitik". In einer Wochenendklausur nach Konvent-Manier wurden die Einzel- Ergebnisse dann zusammengetragen. Wie funktioniert Politik in der Praxis? Das war es auch, was Hanns Maull, Professor für Internationale Politik an der Uni Trier den Studierenden vermitteln wollte:

    Es ist das Eine, sich mit Verfassungstexten abstrakt auseinander zu setzen, das andere ist, über die Formulierung von Verfassungstexten dann wirklich selbst zu merken, welche ganz entscheidenden politischen Weichenstellungen mit kleinen Formulierungen verbunden sind. Das hat sehr gut funktioniert, die Studierenden haben sich sehr engagiert, wir hatten sehr intensive Diskussionen auch inhaltlicher Art, es war fast wie ein kleiner Konvent.

    Der Trierer Verfassungsentwurf, der bei diesen Diskussionen entstanden ist, weist rein formal sehr viele Gemeinsamkeiten mit dem Originalentwurf auf, Inhaltlich zeigen sich jedoch schnell die wesentlichen Unterschiede. So geht die Trierer EU-Verfassung sehr viel mehr in Richtung Bundesstaat. Während der offizielle Entwurf auf die Regierungen und den Ratspräsidenten setzen, stellen die Trierer Studierenden die Kommission und das Parlament in den Vordergrund. Bettina Dreher:

    Es unterscheidet sich dadurch, dass wir wirkliches Zweikammersystem haben mit europäischem Parlament und europäischer Staatenkammer, was ja in Realität und auch im Konventsentwurf so nicht der Fall ist. Wir haben dadurch eine stärkere Legitimation und eine stärkere Transparenz, und haben ein Demokratiedefizit abgebaut.

    Gestärkt sehen wollen die Studenten in ihrem Entwurf zu einer EU-Verfassung vor allem die Rechte des Europäischen Parlaments, auch und gerade im Bereich der Außenpolitik. Und auch hier lassen sich ihre Vorstellungen eindeutig von denen des Konvent-Entwurfs, der heute in Thessaloniki vorgestellt wird, abgrenzen. Der sieht nämlich lediglich vor, dass das Parlament vom Außenminister über außenpolitische Entscheidungen informiert wird. Die Trierer Studierenden dagegen wollen mehr. David Sirakov:

    Das heißt zum einen, dass die Außenpolitik auf Initiativen von Parlament, vom Außenminister, aber auch von Kommissionen ausgehen kann, aber zum anderen auch die Abstimmungen im Parlament stattfinden, in der Staatenkammer stattfinden, und eben nicht mehr wie im Vorschlag des Konvents durch Europäischen Rat und den Ministerrat selbst.

    Anders auch: Der Umgang der Trierer Studenten mit den Grundrechten. Die sind in ihrem Entwurf schon in der Verfassung selbst enthalten. Und das hat konkrete Gründe. Björn Hermann:

    Im Konventsentwurf ist noch das Ziel eines Beitritts zur Menschenrechtskonvention festgeschrieben, was bei unserem Entwurf nicht mehr nötig wäre.

    Bis der Verfassungsentwurf des Konvents tatsächlich Gesetz wird, muss das Papier noch von der Regierungskonferenz der 25 Hauptstädte und von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. In der Zwischenzeit hoffen die Trierer Studierenden, dass ihre Ideen doch noch Eingang in die eine oder andere Formulierung der EU-Verfassung finden - und versuchen, dafür die Werbetrommel zu rühren. Katharina Dahl:

    Es ist eine Buchveröffentlichung geplant. Außerdem gibt es den Entwurf auch im Internet, auf der Homepage der Universität, kann also von jedermann eingesehen werden.

    [Autorin: Doris Schroeder]

    Link zum Thema

    Auf der Homepage des Instituts für Politik an der Uni Trier kann man den Verfassungsentwurf und Hintergrundinformationen zum Projekt herunterladen.