"Wir wollen uns heute Gedanken machen über einen sehr wichtigen, grundsätzlichen Begriff, den wir Menschenwürde nennen: Dazu habe ich Euch verschiedene Fälle mit gebracht."
Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichshafen, Klassenstufe 11. Auf dem Stundenplan steht: Ethik-Unterricht.
"Schwerpunkt ist im Ethikunterricht mittlerweile die ethisch-moralische Urteilskompetenz. Dafür brauche ich eine Wertebasis, um zu einer dezidierten Entscheidung gelangen zu können", so Ethik-Lehrer Martin Möller. Einige Schüler sind regelrecht hungrig nach dieser Art von "Wertebasis":
"Weil es sehr interessant ist. Also solche grundsätzliche Fragen, zum Beispiel auch Menschenwürde, Recht auf Leben und Tod, solche Sachen."
Doch zukünftig soll es mit dem Ehtik-Unterricht bereits in der Unterstufe losgehen, ab Klasse fünf, und das auch noch in allen Schularten. Das hat nun die baden-württembergische Landesregierung beschlossen. Denn: Ethik gilt als Alternative zum klassischen Religionsunterricht, von dem sich immer mehr Schülerinnen und Schüler abmelden:
"In den Realschulen ist es so, dass knapp ein Drittel der Schüler, ebenso in den Gemeinschaftsschulen ein knappes Drittel, ein Viertel bei den Gymnasien und mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler der Haupt- und Werkrealschulen nicht am Religionsunterricht teilnehmen", so Baden-Württembergs CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann.
Zurechtfinden im Alltag
Wer sich aber aus dem Fach Religion abmeldet, dürfe nicht alleine gelassen werden bei seiner Suche nach Orientierung in einer modernen, digitalen Welt. Das Schulfach Ethik versteht Gymnasiallehrer Martin Müller dann auch Hilfe zum "Zurechtfinden" im Alltag.
"Denn früher war die Welt viel geordneter. Jetzt haben wir das so nicht mehr, sondern es gibt ganz viele Angebote, und ich muss selber meinen eigenen Kompass haben, um zu entscheiden: Wo ist der richtige Weg?"
Ethik-Unterricht als eine Art "Kompass für den richtigen Weg": Daran orientieren sich dann auch die Inhalte, die unterrichtet werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann war, bevor er hauptberuflich in die Politik ging, selbst Ethik-Lehrer am Hohenzollerngymnasium Sigmaringen – und spricht von drei Säulen, auf denen das Fach Ethik gründet:
"Philosophische Ethik, Religionskunde und gesellschaftliche Fragen, Fragen der Lebensführung. Das sind sozusagen die drei Säulen, um die es da geht", bei der Ausweitung des Ethik-Unterrichtes ab der Klassenstufe fünf.
Bearf auch an den Grundschulen
Allerdings: Manchen geht das nicht schnell – und nicht weit – genug. So bemängeln Teile der SPD-FDP-Opposition im Landtag, aber auch die Erziehungsgewerkschaft GEW und der Verband für Erziehung und Bildung, dass der Ethik-Unterricht nicht gleich auch noch auf die Grundschulen ausgedehnt wird. Kultusministerin Susanne Eisenmann gibt dann auch unumwunden zu:
"Dass der Bedarf in den Grundschulen mit Sicherheit heute schon da ist, heute kontinuierlich anwächst."
Nur: Dafür fehlt es derzeit noch an den personellen und finanziellen Ressourcen. Langfristig werde das Ethik auch an den Grundschulen kommen. Immerhin erreicht das Fach mit der Ausweitung ab der Klassenstufe fünf erstmals deutlich jüngere Schüler als bisher. Und das macht Sinn, findet Ethik-Lehrer Martin Möller aus Friedrichshafen:
"Ich kann mich bereits mit Fünftklässlern darüber unterhalten: Inwieweit ist es richtig, zu lügen oder nicht? Und inwieweit sind gewisse Werte auch für einen Fünftklässler vorhanden oder nicht? Es gibt Philosophieprofessoren, die in den Kindergarten gehen. Und es gibt immer mehr den Versuch, dass man mit der Ethik viel früher anfängt und versucht, die natürlichen Grundlagen, die die Menschen haben, viel früher hervorzuholen."