Arzt: "So Frau Kober, wir haben uns ja vor acht Tagen das letzte Mal gesehen, Frau Kober, was hat sich in den Tagen denn jetzt ereignet?"
Patientin: "Blutdruck ist besser."
Arzt: "Ja?"
Patientin: "Das Schwitzen ist auch ein bisschen besser."
Arzt: "Ah ja."
Ein Dienstag in einer fast ganz normalen Gemeinschaftspraxis. Joachim Dehmel behandelt eine Frau mit hohem Blutdruck. Die Atmosphäre ist entspannt, die Patientin hat ein paar selbstgebackene Kräpfel mitgebracht.
"Ich weiß ja noch, wie sie unter den Schwankungen gelitten haben"
"Und ich war so müde!"
"Und die Müdigkeit, ja."
Joachim Dehmel ist 67. Vor zwei Jahren hat er seine eigene Praxis aufgegeben, ist in den Ruhestand gegangen. Da war seine Frau Uta schon ein Jahr als Rentnerin zu Hause. Sie ist Stadtverordnete, hat da noch eine Zusatzausbildung zur Notfallseelsorgerin gemacht.
Beide sind Ärzte mit Leib und Seele. Da schmerzte es, zu sehen, wie immer weniger Ärzte immer mehr Patienten behandeln. In Gotha waren zu dem Zeitpunkt 13 Hausarzt-Praxen nicht besetzt, absehbar sollten noch sechs weitere Kollegen in Rente gehen. Uta und Joachim Dehmel hatten Nachfolger gefunden, was keine Selbstverständlichkeit ist. Sie hätten sich zurücklehnen können. Da saßen sie eines Tages mit vier Kollegen zusammen und stellten fest:
"Eine große Menge Patienten war unversorgt, junge Kollegen waren über die Maßen angestrengt, waren fast nicht in der Lage, diesen Ansturm der Patienten zu verkraften. Da überlegt man sich als älterer, noch rüstiger und fitter Mensch: Wie kannst du da in die Schuhe springen und weiter arbeiten?"
Alle sechs waren bereit, einen Tag, vielleicht auch mehr, jede Woche wieder zu arbeiten. Sie wollten helfen. Wenigstens zehn Stunden pro Woche.
"Diese zehn Stunden verteilen wir zum Teil über Vormittags- Nachmittags-Sprechstunden, zum Teil auch meine Frau und ich, dass wir einen ganzen Tag hintereinander arbeiten, das ist also ein fließender Übergang aber mit Kernarbeitszeiten, wo die Patienten auch wissen, wer wann in der Praxis zu erreichen ist."
Im Zimmer nebenan behandelt Uta Dehmel. Ihr Alter sieht man der energievollen Frau mit den kurzen grauen Haaren nicht an.
"Ich bin siebzigeinhalb."
In ein, zwei Jahren ist Schluss, sagt sie. Aber bis dahin will sie gern mitanpacken. Nur, wenn es geht, nicht so viel Papierkram machen. Hier nun stieg die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen ein. Sie erklärte sich bereit, das zu übernehmen. Sie kümmerte sich um Räume, Ausstattung und Personal, und Uta und Joachim Dehmel unterschrieben mit vier Kollegen einen befristeten Vertrag. Denn schon jetzt fehlen im kleinen Freistaat Thüringen über 100 Hausärzte und 22 Fachärzte. In den nächsten 15 Jahren werden es 400 sein.
Geht der Trend dann zur Zentralisierung? Ja und nein, sagt Matthias Zenker von der Kassenärztlichen Vereinigung, und wiegt den Kopf. Ja, weil: Seit zehn Jahren lebt in Thüringen vielerorts wieder das Modell der Polikliniken auf. Heute heißt es allerdings – in Abgrenzung zur DDR-Struktur "Medizinisches Versorgungszentrum". Mehrere Ärzte verschiedener Disziplinen arbeiten unter einem Dach.
"Der Trend ist auf jeden Fall vorhanden. Seit es die Möglichkeit gibt wird das auch umfangreich angenommen. Allerdings mehr - für Thüringen gesprochen - in den größeren Städten, wo dann über verschiedene Facharztgruppen hinweg in der Nähe eines Klinikums oder eben größerer Einrichtungen dann diese medizinische Versorgung angeboten wird."
Nun kommt das Nein. Solche Versorgungszentren können nach Ansicht Zenkers nicht die Landarztpraxen ersetzen. Sie werden in größeren Städten bleiben, weil sie sich auf dem Land nicht rentieren. Die Kassenärztliche Vereinigung setzt weiter auf Landarztpraxen. Sie will gerade junge Thüringer Medizinstudierende gewinnen, da zu bleiben, sich auf das Land zu orientieren. Schon vor Rösler haben sich in Thüringen die Universität Jena, das Land Thüringen, die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung verständigt, dass man an einem Strang ziehen muss. Sie winken mit Stipendien für die, die sich verpflichten, aufs Land zu gehen, sie helfen bei der Niederlassung, zum Beispiel, in dem die Kassenärztliche Vereinigung die Praxis als Eigenbetrieb führt. Der Arzt kann sie nach zwei Jahren, wenn er überzeugt ist, übernehmen. Viele kleine Schritte müsse man gehen, sagt Matthias Zenker.
"Was Ärzte in kleineren Praxen vorrangig betreiben, das sind, dass sie Zweigpraxen auf dem Land aufmachen, oder eine Filiale auslagern. Das sind auch Möglichkeiten, die der Gesetzgeber in den letzten Jahren geschaffen hat und von denen derzeit auch viel Gebrauch gemacht wird. Dass man in einem kleineren Ort für wenige Stunden in der Woche eine Praxis anbietet und ansonsten an seinem Hauptsitz bleibt."
Für die kleine Praxis auf dem Land gebe es also keine wirkliche Alternative. Sie sei wichtig, weil viele Patienten mehr brauchen, als nur ein Rezept für ein Medikament, sie brauchen Aufmerksamkeit.
"Die Verträglichkeit der Medikamente - was würden sie dazu denken? Kommen sie zurecht"
"Ja, ja"
"Kommen sie zurecht."
"Ja"
"Ich find es natürlich wichtig, dass sie..."
Joachim Dehmel bespricht mit seiner Patientin, wie sie in den nächsten Wochen mit ihrem Blutdruck umgehen soll. Dass der Seniorenarzt dabei nicht viel jünger ist, als die Frau, die er behandelt, findet keiner der beiden nachteilig. Der Arzt, weil er mit 40 Jahren Berufserfahrung antritt.
"Es ist eine gewisse Ruhe drin, eine gewisse Abgeklärtheit."
Und die Patientin, weil sie ihm vertrauen kann.
"Ich geh gern zu Dr. Dehmel, weil ich ihn auch schon so lange kenne."
Sie nennt ihn:
"Unser bestes Stück"
"Nana nana..."
"Doch!"
Und außerdem müsste sie sonst lange suchen, um einen Hausarzt zu finden. Die Praxis der Seniorenärzte komme da gerade recht.
"Find ich prima. Gerade, wo in Gotha die Ärzte so knapp sind. Und das hier wird viel genutzt."
"Okay. Da wünsche ich ihnen erstmal, dass in Spanien die Sonne schön scheint."
"Och, denk schon."
"Und dass sie gut verpflegt werden..."
Uta und Joachim Dehmel sind die Ausnahme. Die Gothaer Seniorenärzte zeigen dabei vor allem einen Ethos, den die Kassenärztliche Vereinigung gern unterstützt und vielen Studierenden exemplarisch zeigen möchte. Denn der Verdienst - so sagt es Uta Dehmel - habe sie nicht motiviert, die Lust an der Arbeit schon.
"Es ist so ein wirklich gutes, buntes Gemisch von 'mit Freude an die Arbeit gehen', nach diesem Dienstag, den wir jeweils arbeiten auch müde und erschöpft heim zu kommen, aber dieses gute Gefühl: Du wirst gebraucht, das ist einfach herrlich. Ich find's gut."
Patientin: "Blutdruck ist besser."
Arzt: "Ja?"
Patientin: "Das Schwitzen ist auch ein bisschen besser."
Arzt: "Ah ja."
Ein Dienstag in einer fast ganz normalen Gemeinschaftspraxis. Joachim Dehmel behandelt eine Frau mit hohem Blutdruck. Die Atmosphäre ist entspannt, die Patientin hat ein paar selbstgebackene Kräpfel mitgebracht.
"Ich weiß ja noch, wie sie unter den Schwankungen gelitten haben"
"Und ich war so müde!"
"Und die Müdigkeit, ja."
Joachim Dehmel ist 67. Vor zwei Jahren hat er seine eigene Praxis aufgegeben, ist in den Ruhestand gegangen. Da war seine Frau Uta schon ein Jahr als Rentnerin zu Hause. Sie ist Stadtverordnete, hat da noch eine Zusatzausbildung zur Notfallseelsorgerin gemacht.
Beide sind Ärzte mit Leib und Seele. Da schmerzte es, zu sehen, wie immer weniger Ärzte immer mehr Patienten behandeln. In Gotha waren zu dem Zeitpunkt 13 Hausarzt-Praxen nicht besetzt, absehbar sollten noch sechs weitere Kollegen in Rente gehen. Uta und Joachim Dehmel hatten Nachfolger gefunden, was keine Selbstverständlichkeit ist. Sie hätten sich zurücklehnen können. Da saßen sie eines Tages mit vier Kollegen zusammen und stellten fest:
"Eine große Menge Patienten war unversorgt, junge Kollegen waren über die Maßen angestrengt, waren fast nicht in der Lage, diesen Ansturm der Patienten zu verkraften. Da überlegt man sich als älterer, noch rüstiger und fitter Mensch: Wie kannst du da in die Schuhe springen und weiter arbeiten?"
Alle sechs waren bereit, einen Tag, vielleicht auch mehr, jede Woche wieder zu arbeiten. Sie wollten helfen. Wenigstens zehn Stunden pro Woche.
"Diese zehn Stunden verteilen wir zum Teil über Vormittags- Nachmittags-Sprechstunden, zum Teil auch meine Frau und ich, dass wir einen ganzen Tag hintereinander arbeiten, das ist also ein fließender Übergang aber mit Kernarbeitszeiten, wo die Patienten auch wissen, wer wann in der Praxis zu erreichen ist."
Im Zimmer nebenan behandelt Uta Dehmel. Ihr Alter sieht man der energievollen Frau mit den kurzen grauen Haaren nicht an.
"Ich bin siebzigeinhalb."
In ein, zwei Jahren ist Schluss, sagt sie. Aber bis dahin will sie gern mitanpacken. Nur, wenn es geht, nicht so viel Papierkram machen. Hier nun stieg die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen ein. Sie erklärte sich bereit, das zu übernehmen. Sie kümmerte sich um Räume, Ausstattung und Personal, und Uta und Joachim Dehmel unterschrieben mit vier Kollegen einen befristeten Vertrag. Denn schon jetzt fehlen im kleinen Freistaat Thüringen über 100 Hausärzte und 22 Fachärzte. In den nächsten 15 Jahren werden es 400 sein.
Geht der Trend dann zur Zentralisierung? Ja und nein, sagt Matthias Zenker von der Kassenärztlichen Vereinigung, und wiegt den Kopf. Ja, weil: Seit zehn Jahren lebt in Thüringen vielerorts wieder das Modell der Polikliniken auf. Heute heißt es allerdings – in Abgrenzung zur DDR-Struktur "Medizinisches Versorgungszentrum". Mehrere Ärzte verschiedener Disziplinen arbeiten unter einem Dach.
"Der Trend ist auf jeden Fall vorhanden. Seit es die Möglichkeit gibt wird das auch umfangreich angenommen. Allerdings mehr - für Thüringen gesprochen - in den größeren Städten, wo dann über verschiedene Facharztgruppen hinweg in der Nähe eines Klinikums oder eben größerer Einrichtungen dann diese medizinische Versorgung angeboten wird."
Nun kommt das Nein. Solche Versorgungszentren können nach Ansicht Zenkers nicht die Landarztpraxen ersetzen. Sie werden in größeren Städten bleiben, weil sie sich auf dem Land nicht rentieren. Die Kassenärztliche Vereinigung setzt weiter auf Landarztpraxen. Sie will gerade junge Thüringer Medizinstudierende gewinnen, da zu bleiben, sich auf das Land zu orientieren. Schon vor Rösler haben sich in Thüringen die Universität Jena, das Land Thüringen, die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung verständigt, dass man an einem Strang ziehen muss. Sie winken mit Stipendien für die, die sich verpflichten, aufs Land zu gehen, sie helfen bei der Niederlassung, zum Beispiel, in dem die Kassenärztliche Vereinigung die Praxis als Eigenbetrieb führt. Der Arzt kann sie nach zwei Jahren, wenn er überzeugt ist, übernehmen. Viele kleine Schritte müsse man gehen, sagt Matthias Zenker.
"Was Ärzte in kleineren Praxen vorrangig betreiben, das sind, dass sie Zweigpraxen auf dem Land aufmachen, oder eine Filiale auslagern. Das sind auch Möglichkeiten, die der Gesetzgeber in den letzten Jahren geschaffen hat und von denen derzeit auch viel Gebrauch gemacht wird. Dass man in einem kleineren Ort für wenige Stunden in der Woche eine Praxis anbietet und ansonsten an seinem Hauptsitz bleibt."
Für die kleine Praxis auf dem Land gebe es also keine wirkliche Alternative. Sie sei wichtig, weil viele Patienten mehr brauchen, als nur ein Rezept für ein Medikament, sie brauchen Aufmerksamkeit.
"Die Verträglichkeit der Medikamente - was würden sie dazu denken? Kommen sie zurecht"
"Ja, ja"
"Kommen sie zurecht."
"Ja"
"Ich find es natürlich wichtig, dass sie..."
Joachim Dehmel bespricht mit seiner Patientin, wie sie in den nächsten Wochen mit ihrem Blutdruck umgehen soll. Dass der Seniorenarzt dabei nicht viel jünger ist, als die Frau, die er behandelt, findet keiner der beiden nachteilig. Der Arzt, weil er mit 40 Jahren Berufserfahrung antritt.
"Es ist eine gewisse Ruhe drin, eine gewisse Abgeklärtheit."
Und die Patientin, weil sie ihm vertrauen kann.
"Ich geh gern zu Dr. Dehmel, weil ich ihn auch schon so lange kenne."
Sie nennt ihn:
"Unser bestes Stück"
"Nana nana..."
"Doch!"
Und außerdem müsste sie sonst lange suchen, um einen Hausarzt zu finden. Die Praxis der Seniorenärzte komme da gerade recht.
"Find ich prima. Gerade, wo in Gotha die Ärzte so knapp sind. Und das hier wird viel genutzt."
"Okay. Da wünsche ich ihnen erstmal, dass in Spanien die Sonne schön scheint."
"Och, denk schon."
"Und dass sie gut verpflegt werden..."
Uta und Joachim Dehmel sind die Ausnahme. Die Gothaer Seniorenärzte zeigen dabei vor allem einen Ethos, den die Kassenärztliche Vereinigung gern unterstützt und vielen Studierenden exemplarisch zeigen möchte. Denn der Verdienst - so sagt es Uta Dehmel - habe sie nicht motiviert, die Lust an der Arbeit schon.
"Es ist so ein wirklich gutes, buntes Gemisch von 'mit Freude an die Arbeit gehen', nach diesem Dienstag, den wir jeweils arbeiten auch müde und erschöpft heim zu kommen, aber dieses gute Gefühl: Du wirst gebraucht, das ist einfach herrlich. Ich find's gut."