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Alterungsprozess
Auch alte Affen werden wählerisch

Das Altern beeinflusst unser Verhalten: Andere Dinge werden wichtig, Interessen verschieben sich. Biologen haben nun untersucht, ob und wie sich das Verhalten von Affen mit zunehmender Lebensdauer wandelt. Dahinter steht auch die Hoffnung, das Verhalten alternder Menschen besser zu verstehen.

Von Lennart Pyritz | 24.06.2016
    Zwei Schimpansen im Pongoland im Zoologischen Garten in Leipzig. Einer der Beiden klammert sich an die Schulter des Anderen.
    Mit den Jahren lausten die Tiere nur noch ausgewählte Artgenossen, stellten die Forscher fest. ( imago / Meike Engels)
    Im Alter werden Menschen zunehmend wählerischer, womit sie ihre Zeit verbringen – und mit wem. Jetzt haben Wissenschaftler untersucht, wie sich Altern auf das Verhalten der engsten Verwandten des Menschen auswirkt – das von Affen.
    "Uns hat besonders interessiert, wie sich die Motivation in verschiedenen Lebensbereichen verändert."
    Julia Fischer ist Professorin an der Universität Göttingen und leitet die Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum.
    "Also einmal neue Probleme zu lösen, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Dann aber auch, wie sich das Sozialverhalten ändert. Also wie sich die Kontakte zu anderen verändern. Und das Dritte ist aber auch soziale Information: Also ist man noch daran interessiert, was sonst in der Gruppe passiert, selbst wenn man nicht mehr interagiert?"
    Bis ins hohe Alter hatten die Tiere noch Interesse an sozialer Information
    Julia Fischer und ihr Team untersuchten das Verhalten von 160 Berberaffen, die in drei Gruppen in einem südfranzösischen Freilandgehege leben. Dort fehlen Raubfeinde, und die Futterversorgung ist gesichert, sodass viele Affen bis ins hohe Alter überleben. In einer Reihe von Feldexperimenten präsentierten die ForscherInnen unterschiedlich alten Tieren unbekannte Spielzeuge, um deren Erkundungstrieb zu testen. Um zu bestimmen, wie sozial eingebunden einzelne Affen sind, beobachteten sie außerdem, wie oft die Tiere andere Gruppenmitglieder lausten.
    "Und dann hatten wir noch Fotos von Artgenossen. Also von Freunden und von Nicht-Freunden aus derselben Gruppe und von Babys – also Berberaffen sind sehr an Affenbabys interessiert. Und dann haben wir noch Playback-Experimente gemacht. Also wir haben Laute vorgespielt, sozusagen Hilfeschreie, entweder von Freunden oder Nicht-Freunden."
    Die Ergebnisse fielen je nach Lebensbereich unterschiedlich aus. Bereits als junge Erwachsene verloren die Affen das Interesse an den unbekannten Spielsachen. Mit den Jahren lausten die Tiere nur noch ausgewählte Artgenossen. Aber die Alten bewahrten sich einen Bereich, in dem ihr Verhalten konstant blieb.
    "Was wirklich erstaunlich war, war, dass die bis ins ganz hohe Alter noch Interesse an sozialer Information hatten. Also die haben sich weiterhin die Fotos angeguckt, und auch bei den Playbacks immer noch sehr stark reagiert, und auch immer noch stärker auf die Hilfeschreie einer Freundin im Vergleich zu einer Nicht-Freundin."
    Alte Affen pflegen aktiv nur noch wenige freundschaftliche Kontakte
    Dass Menschen im Alter wählerischer werden, wie und mit wem sie Zeit verbringen, haben Forscher mit dem klarer werdenden Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit begründet. Die Ergebnisse der ForscherInnen um Julia Fischer zeigen nun: Auch alte Affen werden wählerisch. Sie konzentrieren sich auf das soziale Umfeld anstatt der unbelebten Umwelt. Sie pflegen aktiv nur noch wenige freundschaftliche Kontakte, behalten aber einen genauen Überblick über das soziale Gefüge ihrer Gruppe.
    "Das zeigt für uns jetzt wiederum in Bezug auf den Menschen, dass die soziale Selektivität, die wir bei Menschen sehen, nicht allein dadurch erklärt werden kann, dass wir wissen, dass unsere Zeit endlich ist."
    Dass Affen ein vergleichbares Gespür für den eigenen Tod haben, wurde zumindest bislang nicht nachgewiesen. Der menschliche Alterungsprozess liegt also offenbar zum Teil im gemeinsamen evolutionären Erbe von Mensch und Affe begründet. Schwindende körperliche Kräfte könnten dabei eine Rolle spielen, doch das müssten zukünftige Untersuchungen erst zeigen.
    "Idealerweise würde man für Studien über das Altern denselben Tieren von der Geburt bis zum Tod folgen. Aber das ist schwer. Leichter ist es, unterschiedlich alte Tiere zu vergleichen – und das haben die Forscher in diesem Fall mit Experimenten und Beobachtungen sehr klug angestellt."
    Dario Maestripieri erforscht als Professor an der Universität von Chicago die Evolution des menschlichen Verhaltens. Dabei den Vergleich mit Affen zu suchen, ist für ihn wissenschaftlich auf jeden Fall tauglich.
    "Besonders in Studien über das Altern. Ich denke, da werden Affen unterbewertet. Altwerden bringt so viele Veränderungen in der Biologie, der Wahrnehmung und dem Verhalten mit sich, die bei Menschen schwer zu untersuchen sind. Da bieten Affen ein großartiges Modell."
    Welche Langzeitfolgen hat chronischer Stress? Welche Ereignisse im Leben wirken sich im Alter wie aus? Auch darauf könnten Art-übergreifende Studien Antworten liefern, sagt Dario Maestripieri. Er ist sich sicher: In Zukunft wird die vergleichende Forschung weiter zunehmen.