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Altes Los

Per Mitgliederbefragung hat die Hamburger CDU nach dem Debakel bei der Bürgerschaftswahl ihren künftigen Landeschef ausgewählt. Die Entscheidung für Marcus Weinberg war auch eine Entscheidung über den Kurs, den die CDU künftig einschlagen soll. Und der scheint der alte zu bleiben.

Von Verena Herb |
    "Ich bin natürlich froh. Und auch ein wenig glücklich, dass die Mehrheit der Mitglieder dann für mich die Stimme abgegeben hat. Ich freue mich über das gute Ergebnis", "

    sagt Marcus Weinberg, der designierte neue Vorsitzende der Hamburger CDU. 36,2 Prozent der Parteimitglieder haben den 44-Jährigen bei einer Befragung zum Chef der Christdemokraten an der Elbe erkoren. Er hat sich gegen sieben weitere Kandidaten durchgesetzt, die in den vergangenen drei Wochen durch die sieben Kreisverbände getourt sind und sich vorgestellt haben.

    ""Wir haben über Wochen hinweg mit guten, verschiedenen Kandidaten, mit verschiedenen Profilen uns präsentieren können, ich glaube auch, die CDU in Hamburg generell präsentieren können."

    Erst in Zeiten der Not hat die CDU Hamburg zu diesem Mittel der Mitgliederbefragung gegriffen. Hatte doch die SPD im Nachbarland Schleswig-Holstein es jüngst vorgemacht: warum nicht mal die Basis fragen? In der CDU Hamburg ein absolutes Novum.

    "Ich glaube, das Bewusstsein bei der bisherigen Parteiführung war einfach nicht so. Man hat dieses Bedürfnis nach Mitentscheidungs- und Mitbestimmungsrechten der Mitglieder nicht so wahrgenommen. Das ist natürlich nicht zuletzt durch die dramatische Wahlniederlage vom 20. Februar und auch die Erfahrung mit dem Bürgerprotest im Zusammenhang mit der Schulreform anders geworden","

    erklärt Karin Prien. Die 45-jährige Juristin hat sich ebenfalls um den Parteivorsitz beworben. Sie und Marcus Weinberg galten als die Spitzenkandidaten. Doch letztlich konnte sie nur 27 Prozent auf sich vereinen.

    ""Ich hätte mir natürlich ein anderes Ergebnis gewünscht. Ich bin ja angetreten, um zu gewinnen. Was mich zufrieden macht, ist, dass wir den Mitgliedern einen so großen Raum bei der Entscheidung über unseren neuen Landesvorsitzenden oder unsere neue Landesvorsitzende eingeräumt haben. Und das ist ein großer Erfolg für uns."

    Schon immer galt die CDU als "von oben nach unten" regiert. Ole von Beust wurde ein "Regiment nach Gutsherrenart" nachgesagt - was in Zeiten des Erfolgs auch niemanden gestört hat. Doch dann verlässt die "Gallionsfigur" der hamburgischen Christdemokratie das Parteienschiff, der neue Kapitän Ahlhaus kann das Ruder nicht halten. Die CDU kentert.

    20. Februar 2011. Der Todestag der CDU Hamburg als Regierungspartei. Die SPD holt die absolute Mehrheit, die CDU verliert, bekommt gerade einmal 22 Prozent. Ein Desaster. Die Partei ist geschockt, erinnert sich Marita Meyer-Kainer, Landesvorsitzende der Frauen-Union und Mitglied im CDU-Landesvorstand:

    "Der 20.2. muss ich sagen, das war schon eine Erstarrung. Und wir mussten uns alle kräftig schütteln, um da erst wieder raus zu kommen. Und ja, dann den Fuß zu fassen und auch zu überlegen, was müssen jetzt die nächsten Schritte sein, als Frank dann zurückgetreten ist."

    Auch die adrette Politikerin mit den hellen blonden Haaren hatte sich als Kandidatin für den Landesvorsitz gemeldet: 9,8 Prozent haben sie gewählt. Allerdings sei sie nicht gegen jemanden angetreten. Es war wohl eher eine Frage des Prinzips:

    "Ich bin angetreten, weil ich gesagt habe, wir müssen ein gutes Angebot in der Partei bieten. Und das war auch eine gewisse Motivation. Wir haben auch in der Frauenunion dann darüber gesprochen. Und ich habe auch nach dem 20. gesagt, ich kann mir auch eine Frau in einer Großstadt wie Hamburg gut vorstellen, in der Fraktion in führende Ebene zu kommen als auch als Landesvorsitzende."

    Doch das muss bei den Elbkonservativen erst einmal ein frommer Wunsch bleiben. Karin Prien:

    "In der CDU Hamburg dominieren die Männer. Und es ist jetzt an uns Frauen, uns die Führungspositionen zu erkämpfen, und das ist natürlich mit der Entscheidung von Sonntag nun überhaupt nicht abgeschlossen, sondern zumindest auf meiner Agenda wird es bleiben."

    Die Wahl von Marcus Weinberg zum designierten Landeschef war aber nicht nur eine Geschlechterwahl, sondern auch eine Entscheidung über den Kurs, den die CDU künftig einschlagen soll.

    Der Bundestagsabgeordnete Weinberg, der lange Jahre als Lehrer an einer katholischen Schule in Wilhelmsburg arbeitete, gilt als Vertreter des von Ex-Bürgermeister Ole von Beust geprägten CDU-Profils als "liberaler Großstadtpartei". Weinberg verteidigte beispielsweise immer wieder die Primarschulpläne. Anders als Karin Prien. Sie gewann an Profil, als sie sich im Streit um die Schulreform deutlich gegen die Reform aussprach und sich damit ihrer in der schwarz-grünen Koalition gebundenen Partei entgegenstellte. Ihre Standhaftigkeit wurde bei der Bürgerschaftswahl belohnt. Sie zog erstmals in das Landesparlament ein. Karin Prien wird eher dem konservativen Lager zugerechnet. Doch will sie von Flügelkämpfen nichts wissen:

    "Da ist natürlich viel spekuliert worden, der eine sei liberal, der andere mehr konservativ. Ich glaube das nicht. Wir stehen natürlich in manchen Politikfragen für unterschiedliche Positionen. Marcus Weinberg ist ein ausgewiesener Vertreter des Arbeitnehmerflügels, ich bin sicherlich eher wirtschaftsliberal orientiert. Aber in vielen anderen Fragen sind wir sehr nahe beieinander."

    Die Kandidatur von Marcus Weinberg soll, so munkelt man, ganz nach Hamburger CDU-Tradition im Hinterzimmer ausgemacht worden sein. Doch weiß auch er, dass der eingeschlagene Pfad der "Basisdemokratie" nun weiter beschritten werden muss:

    "Wir haben den ersten Schritt mit der Mitgliederbefragung, finde ich, richtigerweise vollzogen. Aber es wird dauerhaft und nachhaltig so sein, dass wir die Basis, die Mitglieder mitnehmen werden. Bei den inhaltlichen Diskussionen, bei den Personaldiskussionen. Eine lebendige Partei, eine Partei in Bewegung."

    Am kommenden Mittwoch soll Marcus Weinberg auf einem Landesparteitag zum Hamburger CDU-Landesvorsitzenden gewählt werden. Dass sich die Partei dann als "lebendig" und "in Bewegung" präsentieren wird - Karin Prien ist nicht so sicher:

    "Ich erwarte mir natürlich für die Zukunft viel von einer neuen Debattenkultur. Aber ich glaube nicht, dass der nächste Mittwoch eine Sternstunde der Debattenkultur sein wird."
    Frank Schira, Landesvorsitzender der CDU Hamburg, gibt am Sonntag (05.06.2011) in Hamburg auf einer Pressekonferenz bekannt, dass in einer Mitgliederbefragung Marcus Weinberg zum designierten Parteivorsitzenden gewählt wurde.
    Frank Schira, Landesvorsitzender der CDU Hamburg, gibt am Sonntag (05.06.2011) in Hamburg auf einer Pressekonferenz bekannt, dass in einer Mitgliederbefragung Marcus Weinberg zum designierten Parteivorsitzenden gewählt wurde. (picture alliance / dpa / Markus Scholz)