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Alzheimer im Gehirn sichtbar machen

Wenn Menschen an Alzheimer leiden, dann verändert sich ihr Gehirn.

Von Klaus Herbst |
    Das Gedächtnis leidet. Alzheimer-Patienten verlieren die Orientierung sie können den Alltag nicht mehr ohne Hilfe bewältigen.

    Bislang war eine frühe Diagnose unmöglich. Wissenschaftler arbeiten aber schon lange an Verfahren, die Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten sichtbar zu machen. Erste Erfolge wurden am Wochenende auf dem Europäischen Kongress für Nuklearmedizin in Helsinki vorgestellt.


    Es ist eben so, dass wir erst beginnen können, rationale Therapien auszuprobieren, wenn wir vernünftig messen können, ob die Therapie etwas nützt. Und die Bildgebung als Diagnostik liefert wesentliche Informationen über den Zustand.

    ... sagt der Nuklearmediziner Gustav von Schulthess. Er leitet die Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsspital Zürich. Die Frühdiagnose neurodegenerativer Erkrankungen, beispielsweise Parkinson und Alzheimer, mittels schonender, bildgebender Verfahren sei gerade erst am Anfang. Zwanzig Prozent aller Menschen über achtzig erkranken an Alzheimer. Das ist jeder Fünfte. Trotzdem wird ein Drittel aller Fälle nicht korrekt diagnostiziert. Am Service Hospitalier Frederic Joliot in Orsay bei Paris versucht nun der Nuklearmediziner Franck Sehma, ein innovatives bildgebendes Verfahren zu verwenden, um diese schlechte Rate zu verbessern.

    Erstmalig wagen wir uns an eine Alzheimer-Frühdiagnose heran. Wir wollen sichergehen, dass die Patienten tatsächlich daran leiden und nicht an einer anderen Demenz-Erkrankung. Wir führen das klinisch durch. Zuerst kommt ein kurzer psychologischer Test. Ganz neue bildgebende Verfahren kommen nun erstmals hinzu.

    Die modernen bildgebenden Verfahren regen im Gehirn der Patienten bestimmt elektrisch geladenen Teilchen an und machen sogenannte amyloide Plaques indirekt sichtbar. Das sind die krankhaften Eiweißablagerungen, die bei Alzheimerpatienten im Gehirn auftreten und die Erkrankung mit verursachen und die mit Kontrastmitteln sichtbar gemacht werden können. Moderne Kontrastmittel sind mit dem altbekannten Kontrastbrei gar nicht mehr zu vergleichen. Gerade hinter heutigen Kontrastmittel stecken umfangreiche innovative Forschungsergebnisse. Ludger Dinkelborg ist Forschungsleiter für solche Radiopharmaka beim Berliner Hersteller Schering. Er sagt in Helsinki:
    Sie wollen eine frühe Diagnose der neurodegenerativen Erkrankung haben, um möglichst eben sehr früh einreifen zu können, weil je früher Sie eingreifen, desto besser ist der Therapieerfolg. Sie wollen zweitens eine Differentialdiagnose machen. Sie wollen sagen: Dieser Mensch hat wirklich Alzheimer und keine andere neurodegenerative Erkrankung, und da gibt es einen ganz großen Formenkreis. Und die dritte, nach meiner Meinung in Zukunft sehr viel wichtigere Fragestellung, ist wie kann ich die Erkrankung - gerade wenn es das Gehirn angeht - quantitativ messen?

    Warum aber eine Krankheit diagnostizieren, wenn man noch gar keine Therapie für sie hat? Diesen Einwand lässt auf dem Kongress für Nuklearmedizin keiner der Forscher gelten. Denn nur wer feinste Gehirnveränderungen sichtbar macht, der kann eine zutreffende Diagnose stellen – was eine Hilfe und Entlastung für Patienten und Angehörige ist. Dann erweist sich ein schlechtes Gedächtnis oder ein Zittern der Finger als harmlose Episode – oder auch als ein sehr frühes Indiz für Parkinson oder Alzheimer. Außerdem soll es mit Radiodiagnostik gelingen, das Ausmaß der Läsion, der Schädigung, zu erfassen und diese zu bessern. Deutliche Fortschritte gibt es in der Krebsbehandlung. Das Non-Hodgkin-Lymphom gilt nach Brust-, Prostata, Lungen- und Dickdarmkrebs als der häufigste Tumor. Die europäische Kommission hat nun das weltweit erste Radioimmuntherapeutikum zugelassen.

    Zevalin öffnet zusätzlich zur Chemo- und zur Strahlungstherapie ein innovatives, neues Fenster in der Behandlung dieser Krankheit. Antikörper, Eiweiße also, finden den Weg zu bestimmten Zellen. Das Neue ist, dass der radioaktive Wirkstoff den Effekt anderer Medikamente noch verstärkt. Es benutzt die Antikörper als Vehikel. Die Antikörper-Vehikel transportieren radioaktive Substanzen zu den entarteten Lymphzellen. Dort zerstören die Strahlen gezielt die bösartigen Zellen in den Krebsgeschwüren von innen heraus.

    ... sagt Doktor Francesco D’Amore vom Institut für Hämatologie der Universitätsklinik Aarhus in Dänemark. Die Wirkungssteigerung bei der häufigsten Sorte des Non-Hodgkin-Lymphoms ist etwa doppelt so hoch wie bei konventionellen Pharmaka. Die Erkrankung wurde in noch nicht repräsentativen Studien auf bis zu sechs Jahre zurückgedrängt. Wegen der schwachen Strahlung hält d’Amore lediglich folgende Vorsichtsmaßnahmen für notwendig: Behandelte Patienten sollten besonders auf Hygiene achten, vor allem beim Wasserlassen, und bei Sexualkontakten Kondome benutzen.