Sogar sein Furcht einflößender Rottweiler ist eine Schlaftablette. Naiv und weltfremd schafft er es nicht, seine neue Nachbarin, die bewunderte Nathalie, anzusprechen. Das wohlstandsverwöhnte Mädchen ist gerade erst gegen ihren Willen mit den Eltern von Marseille nach München gezogen. Seit sie auf einer Party mit Glück einem übergriffigen Typen entkommen konnte, zieht sie sich immer mehr in sich zurück.
Aus dem Leben und den Träumen dieser drei Menschen entwickelt Stephan Knösel das Porträt einer Lebensphase, immer auch angelehnt an seine eigenen Erfahrungen.
"Aber es ist jetzt nicht so, dass ich Cosmo bin oder ich Tom bin, sondern die Figuren sind eben so eine Mischung von meinem Leben, meiner Autobiografie und vielem aus dem Leben meiner Freunde, zum Beispiel der Abschiedsbrief an der Wohnungstür, den die Mutter von Cosmo dorthin klebt, als sie versucht hat sich umzubringen, das ist einem Freund von mir passiert."
Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass Cosmo seine Mutter so sah: Mund offen, zerzauste Haare, noch angezogen, reglos. Oft schlief sie, als könnte niemand sie mehr wecken – manchmal sogar auf dem Boden. Auch ihr Atem war dann kaum hörbar. Nur der Alkoholgeruch deutete darauf hin, dass sie noch lebte. Doch dieser Geruch fehlte jetzt. Diesmal war es anders.
An diesem Tag kommt Cosmo, der zu schnell erwachsen werden musste, zu spät. Als der Polizist Berger den Jungen ins Heim verfrachtet, flieht Cosmo, denn von Erwachsenen lässt er sich nicht einsperren. Auf dem Weg nach draußen beklaut er noch seinen Zimmergenossen Kevin, der ihm vor Kurzem auf der Straße gewaltsam Geld abgenommen hatte. Niemand kam Cosmo zu Hilfe als er geschlagen wurde und am Boden lag.
Der Mann in der Eisdiele hatte ihn durch die Glasfront noch einmal kurz angesehen, dann hatte er weggeschaut. Cosmo hatte sich noch nie so schlecht gefühlt. Nur eins hatte er aus diesem Vorfall gelernt: Erwachsene kannst du vergessen!
Auch Nathalie registriert nur noch die Abwesenheit ihrer Eltern. Beide jagen dem Geld hinterher, was ihre Tochter denkt oder fühlt, scheint sie schon lang nicht mehr zu interessieren. Tom dagegen lebt in einem Zwiespalt, zum einen ist er vom Verhalten seines Vaters, der die Familie verlässt, tief enttäuscht, zum anderen sehnt er sich nach seiner Zuneigung und Anerkennung.
"Ist dir wahrscheinlich selber schon aufgefallen: Ich bin kein guter Vater und war's nie. ... Ich wär lieber allein geblieben, nimm mir das nicht übel. Oder nimm's mir übel. Keine Ahnung." Wenigstens fange ich nicht an zu heulen, hatte Tom gedacht, als sein Vater aus dem Zimmer ging. Das Seltsame war – er wäre ihm am liebsten in die Arme gelaufen und hätte ihn festgehalten. Es war wie ein Todesurteil, was sein Vater gesagt hatte, nur dass es nicht mehr vollstreckt wurde. Weil es dem Richter scheißegal war.
"Die Jugendlichen stecken in einer schwierigen Situation und müssen sich da raus kämpfen und das schaffen sie dann auch mit Hilfe voneinander mit ihrer gegenseitigen Hilfe. Mir war es wichtig, dass nicht der Erwachsene von außen kommt und die Jugendlichen gütig ins Glück rüberziehen, sondern dass die Jugendlichen sich selbst aus der Scheiße ziehen. Das ist so der Grundsatz dieses Buches, wenn man wie Cosmo in einer schwierigen Situation steckt, wenn das Elternhaus versagt, wenn die Gesellschaft einem nicht helfen kann, dann kann man, wenn man Glück hat, hat man einen Freund oder Freunde, das ist das Einzige, was einem dann helfen kann, sonst steuert man auf den Absturz zu."
Cosmo wird ihn nicht erleben, denn er lernt am Tag der Zeugnisausgabe vor den Sommerferien Nathalie kennen. Schuld daran ist Tom und sein erneuter, ungeschickter Annäherungsversuch an seine Traumfrau. Cosmo hatte Toms seltsame Aktion aus der Ferne beobachtet und nun müssen die beiden Jungen die Fronten klären.
Tom und Cosmo hockten auf der Bordsteinkante zwischen zwei geparkten Autos; die Tische mit den Sonnenschirmen waren alle besetzt. Die Schlange vor der Eisdiele ging bis zum Gehsteig. Tom hatte bezahlt. "Du hast vielleicht ein beschissenes Glück! Ich wollte mit ihr ins Kino gehen!"
"Willst du mitkommen?", sagte Cosmo. "Ich frag sie."
Rascher als gedacht, verbringen die drei gemeinsam Zeit miteinander. Allerdings befindet sich Cosmo noch planlos auf der Flucht vor dem Polizisten Berger, der zwischen Wut und Mitgefühl für den Jungen schwankt.
Wie in so vielen Romanen verbindet diese drei Jugendlichen nicht der gemeinsame Musikgeschmack, sondern Gespräche über Filme: Klassiker mit Bruce Willis aber auch Independentfilme. Als Cosmo erneut schutzlos dem älteren Kevin ausgeliefert ist, sieht er sofort eine Filmszene vor seinem inneren Auge.
Cosmo zog an seiner Zigarette und aschte in den Rinnstein. Er musste an Dennis Hopper denken, in True Romance, bevor Christopher Walken ihn umlegte.
Temporeich treibt Stephan Knösel die Geschichte oft in kurzen Sätzen voran, ein schneller Schnitt folgt dem anderen und im entscheidenden Moment kippt die Handlung. In den Dialogen und inneren Monologen, mal lässig aber ohne modischen Jugendslang, dann wieder sehr ehrlich, offenbaren die Jugendlichen ihre Gefühle und Gedanken. Allerdings fehlt es dem szenisch gebauten Text an unmerklichen, sinnlichen Eindrücken, an Geräuschen und atmosphärischen Schilderungen, die dem Erzählfluss gut getan hätten. So überwiegt beim Lesen das Mitdenken anstelle des Miterlebens.
So dramatisch die Geschichte beginnt, so versöhnlich endet sie. Tom und Nathalie werden Cosmo im doppelten Sinn des Wortes aus dem Sumpf ziehen, in den er zu versinken droht.
"Freundschaft, das hat mir persönlich immer viel bedeutet, weil ich das Glück hatte, sehr viele gute Freunde zu haben und auch jung gefunden zu haben, dem wollte ich so eine Art Denkmal setzen."
Beim Lesen spürt man, dass Stephan Knösel nicht nur eine fiktive Handlung erdacht hat. Zu realistisch zeigt er das problematische Beziehungsgefüge zwischen Vätern und Söhnen, denn auch Cosmo wird seinen abwesenden Vater durch Bergers Einsatz wiedersehen. Aber auch von ihm kann der Junge nichts erwarten. Alles scheint erst am Anfang zu stehen, denn Stephan Knösels Roman endet da, wo die Freundschaft erst richtig beginnen kann. Es scheint so, als würde ihn dieses Thema auch in künftigen Romanen nicht loslassen.
Stephan Knösel: "Echte Cowboys". Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2010. 240 Seiten. EUR 12,95
Aus dem Leben und den Träumen dieser drei Menschen entwickelt Stephan Knösel das Porträt einer Lebensphase, immer auch angelehnt an seine eigenen Erfahrungen.
"Aber es ist jetzt nicht so, dass ich Cosmo bin oder ich Tom bin, sondern die Figuren sind eben so eine Mischung von meinem Leben, meiner Autobiografie und vielem aus dem Leben meiner Freunde, zum Beispiel der Abschiedsbrief an der Wohnungstür, den die Mutter von Cosmo dorthin klebt, als sie versucht hat sich umzubringen, das ist einem Freund von mir passiert."
Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass Cosmo seine Mutter so sah: Mund offen, zerzauste Haare, noch angezogen, reglos. Oft schlief sie, als könnte niemand sie mehr wecken – manchmal sogar auf dem Boden. Auch ihr Atem war dann kaum hörbar. Nur der Alkoholgeruch deutete darauf hin, dass sie noch lebte. Doch dieser Geruch fehlte jetzt. Diesmal war es anders.
An diesem Tag kommt Cosmo, der zu schnell erwachsen werden musste, zu spät. Als der Polizist Berger den Jungen ins Heim verfrachtet, flieht Cosmo, denn von Erwachsenen lässt er sich nicht einsperren. Auf dem Weg nach draußen beklaut er noch seinen Zimmergenossen Kevin, der ihm vor Kurzem auf der Straße gewaltsam Geld abgenommen hatte. Niemand kam Cosmo zu Hilfe als er geschlagen wurde und am Boden lag.
Der Mann in der Eisdiele hatte ihn durch die Glasfront noch einmal kurz angesehen, dann hatte er weggeschaut. Cosmo hatte sich noch nie so schlecht gefühlt. Nur eins hatte er aus diesem Vorfall gelernt: Erwachsene kannst du vergessen!
Auch Nathalie registriert nur noch die Abwesenheit ihrer Eltern. Beide jagen dem Geld hinterher, was ihre Tochter denkt oder fühlt, scheint sie schon lang nicht mehr zu interessieren. Tom dagegen lebt in einem Zwiespalt, zum einen ist er vom Verhalten seines Vaters, der die Familie verlässt, tief enttäuscht, zum anderen sehnt er sich nach seiner Zuneigung und Anerkennung.
"Ist dir wahrscheinlich selber schon aufgefallen: Ich bin kein guter Vater und war's nie. ... Ich wär lieber allein geblieben, nimm mir das nicht übel. Oder nimm's mir übel. Keine Ahnung." Wenigstens fange ich nicht an zu heulen, hatte Tom gedacht, als sein Vater aus dem Zimmer ging. Das Seltsame war – er wäre ihm am liebsten in die Arme gelaufen und hätte ihn festgehalten. Es war wie ein Todesurteil, was sein Vater gesagt hatte, nur dass es nicht mehr vollstreckt wurde. Weil es dem Richter scheißegal war.
"Die Jugendlichen stecken in einer schwierigen Situation und müssen sich da raus kämpfen und das schaffen sie dann auch mit Hilfe voneinander mit ihrer gegenseitigen Hilfe. Mir war es wichtig, dass nicht der Erwachsene von außen kommt und die Jugendlichen gütig ins Glück rüberziehen, sondern dass die Jugendlichen sich selbst aus der Scheiße ziehen. Das ist so der Grundsatz dieses Buches, wenn man wie Cosmo in einer schwierigen Situation steckt, wenn das Elternhaus versagt, wenn die Gesellschaft einem nicht helfen kann, dann kann man, wenn man Glück hat, hat man einen Freund oder Freunde, das ist das Einzige, was einem dann helfen kann, sonst steuert man auf den Absturz zu."
Cosmo wird ihn nicht erleben, denn er lernt am Tag der Zeugnisausgabe vor den Sommerferien Nathalie kennen. Schuld daran ist Tom und sein erneuter, ungeschickter Annäherungsversuch an seine Traumfrau. Cosmo hatte Toms seltsame Aktion aus der Ferne beobachtet und nun müssen die beiden Jungen die Fronten klären.
Tom und Cosmo hockten auf der Bordsteinkante zwischen zwei geparkten Autos; die Tische mit den Sonnenschirmen waren alle besetzt. Die Schlange vor der Eisdiele ging bis zum Gehsteig. Tom hatte bezahlt. "Du hast vielleicht ein beschissenes Glück! Ich wollte mit ihr ins Kino gehen!"
"Willst du mitkommen?", sagte Cosmo. "Ich frag sie."
Rascher als gedacht, verbringen die drei gemeinsam Zeit miteinander. Allerdings befindet sich Cosmo noch planlos auf der Flucht vor dem Polizisten Berger, der zwischen Wut und Mitgefühl für den Jungen schwankt.
Wie in so vielen Romanen verbindet diese drei Jugendlichen nicht der gemeinsame Musikgeschmack, sondern Gespräche über Filme: Klassiker mit Bruce Willis aber auch Independentfilme. Als Cosmo erneut schutzlos dem älteren Kevin ausgeliefert ist, sieht er sofort eine Filmszene vor seinem inneren Auge.
Cosmo zog an seiner Zigarette und aschte in den Rinnstein. Er musste an Dennis Hopper denken, in True Romance, bevor Christopher Walken ihn umlegte.
Temporeich treibt Stephan Knösel die Geschichte oft in kurzen Sätzen voran, ein schneller Schnitt folgt dem anderen und im entscheidenden Moment kippt die Handlung. In den Dialogen und inneren Monologen, mal lässig aber ohne modischen Jugendslang, dann wieder sehr ehrlich, offenbaren die Jugendlichen ihre Gefühle und Gedanken. Allerdings fehlt es dem szenisch gebauten Text an unmerklichen, sinnlichen Eindrücken, an Geräuschen und atmosphärischen Schilderungen, die dem Erzählfluss gut getan hätten. So überwiegt beim Lesen das Mitdenken anstelle des Miterlebens.
So dramatisch die Geschichte beginnt, so versöhnlich endet sie. Tom und Nathalie werden Cosmo im doppelten Sinn des Wortes aus dem Sumpf ziehen, in den er zu versinken droht.
"Freundschaft, das hat mir persönlich immer viel bedeutet, weil ich das Glück hatte, sehr viele gute Freunde zu haben und auch jung gefunden zu haben, dem wollte ich so eine Art Denkmal setzen."
Beim Lesen spürt man, dass Stephan Knösel nicht nur eine fiktive Handlung erdacht hat. Zu realistisch zeigt er das problematische Beziehungsgefüge zwischen Vätern und Söhnen, denn auch Cosmo wird seinen abwesenden Vater durch Bergers Einsatz wiedersehen. Aber auch von ihm kann der Junge nichts erwarten. Alles scheint erst am Anfang zu stehen, denn Stephan Knösels Roman endet da, wo die Freundschaft erst richtig beginnen kann. Es scheint so, als würde ihn dieses Thema auch in künftigen Romanen nicht loslassen.
Stephan Knösel: "Echte Cowboys". Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2010. 240 Seiten. EUR 12,95