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Am Hofe des Sonnenkönigs

Schönheit war für Yves Saint Laurent ein Lebenselixier. Er und sein Partner Pierre Bergé hatten ein physisches Bedürfnis nach dem Ästhetischen. Sie wurden Sammler und umgaben sich mit Werken von Degas, Buffet, Picasso und de Chirico, mit Art-Déco-Porzellan und zahllosen Skulpturen der Antike. In Paris werden nun drei Tage lang die Schätze des Mode-Sonnenkönigs versteigert.

Von Björn Stüben |
    Die kreative Auseinandersetzung des Modeschöpfers Yves Saint Laurent mit der Kunst von Piet Mondrian, Pablo Picasso oder Henri Matisse hat in den 60er und 70er Jahren Modegeschichte geschrieben. Damals begannen Saint Laurent und sein Lebenspartner Pierre Bergé, der die Geschäfte des noch jungen Modehauses Yves Saint Laurent Couture führte, auch Kunst zu sammeln.

    Brancusis Holzskulptur "Madame Léonie Ricou" von 1915, die einst Fernand Léger gehörte, stellte ein erstes Glanzlicht der Sammlung dar, die bald um Werke von De Chirico, Picasso oder Gauguin, aber auch von Franz Hals, Goya, Ingres oder Géricault bereichert wurde. Saint Laurent und Bergé entdeckten im Kunsthandel seltene Möbelstücke des Art Deco, die damals noch kaum Käufer fanden.

    Auch Porzellan aus Limoges oder antike Marmorbüsten fügten sich in das erlesene Ambiente der beiden Pariser Appartements des Paares. Hier entstand eine exquisite Privatsammlung, über deren Zukunft Pierre Bergé sich bereits 1988 in einem Interview Gedanken machte:

    "Yves Saint-Laurent und ich, wir beide sind Sammler und wir haben beschlossen, unsere Kunstsammlung dem französischen Staat zu vermachen. Ich denke, dass sich Kunstwerke bei Sammlern immer nur auf einer Zwischenstation befinden und so dürfen wir sie auch nur eine gewisse Zeit aufbewahren. Die Kunst gehört doch schließlich der Allgemeinheit."


    Es sollte anders kommen. Über 730 Objekte der Sammlung vom Ölbild auf Leinwand über monumentale Art-Deco-Vasen bis hin zum silbernen Renaissance-Henkelkrug werden jetzt in Paris versteigert. Thomas Seydoux, Spezialist für die Kunst der Moderne beim Auktionshaus Christie's, sieht hierin ein durchaus historisches Ereignis:

    "Wir nennen die Versteigerung von Objekten, die von herausragender Qualität sind, eine Jahrhundert-Auktion. Das trifft bei dieser Sammlung vor allem auf die knapp 62 impressionistischen und modernen Bilder zu. Darunter befinden sich knapp dreißig absolute Meisterwerke der Kunst des 20. Jahrhunderts wie zum Beispiel ein großes kubistisches Bild von Picasso aus dem Jahr 1914.

    Es misst 1,30 Meter mal 1 Meter und gehört zu den zehn Werken, die Picasso damals in dieser bemerkenswerten Größe gemalt hat. Neun davon sind heute im Besitz von Museen. Das Werk aus der Sammlung Yves Saint Laurent und Pierre Bergé ist somit das einzige, das sich bis jetzt noch in Privatbesitz befindet."

    Die vier Portraits, die der befreundete Andy Warhol 1972 von Yves Saint Laurent nach Fotos geschaffen hat, wird Pierre Bergé behalten. Ein Gemälde von Goya hat er dem Louvre und einen großformatigen Wandteppich mit religiösem Motiv des Präraffaeliten Burnes-Jones dem Musée d'Orsay zugesagt. Dass die beiden Museen sich hierüber äußerst erfreut zeigen, verwundert kaum.

    "Diese Sammlung zeichnet sich vor allem durch ihre Geradlinigkeit aus, das heißt durch die Entschlossenheit von Saint-Laurent und Bergé, keine Kompromisse einzugehen bei der Qualität der Werke und der Künstler. Manche Sammler, die über große finanzielle Mittel verfügen, legen sich einen sicheren Grundstock an hochrangigen Kunstwerken zu, und danach sammeln sie dann oftmals eher nach dekorativen Gesichtspunkten.

    Bei Yves Saint-Laurent und Pierre Bergé war das nie der Fall. Für sie zählte nur die Qualität. Werkgruppen einzelner Künste zu komplettieren, das interessierte sie. Also kauften sie lieber ihren dritten Mondrian, auch wenn sie einen Picasso hätten haben können, der aber qualitativ nicht so überzeugend gewesen wäre."

    In den Appartements der beiden Sammler mischten sich Kunst und Kunsthandwerk verschiedener Jahrhunderte, unterschiedlichster Stile und Techniken. So hing der jetzt auf 10 Millionen Euro geschätzte "De Chirico" auf einer warmen Holzvertäfelung neben einem metallisch-kühlen Léger und über einer kleinen Herkulesplastik des 17. Jahrhunderts, die ihren Platz auf einem Art-Déco-Tisch gefunden hatte.

    Im Pariser Grand Palais, in dem die Auktion stattfinden wird, wurden am vergangenen Wochenende die Kunstwerke im nachgebauten Ambiente der beiden Wohnungen des Sammlerpaares dem interessierten Publikum gezeigt. Diese Hommage an den im Sommer 2008 verstorbenen Yves Saint Laurent sahen über dreißigtausend Besucher, die bis zu fünf Stunden hierfür in der Schlange anstanden. Thomas Seydoux erinnert sich an seinen Besuch in der Rue de Babylon, dem Appartement Saint Laurents:

    "Als ich das Appartement Yves Saint-Laurents zum ersten Mal betrat, musste ich an den markanten Duft eines Parfums denken, so stark, fast schon zu intensiv war der Eindruck, den hier die Kunstwerke ausübten. Meisterwerke in einem Museum halten ja immer Abstand voneinander. Hier hingen sie nun übereinander und bildeten eine optische Einheit etwa mit so extravaganten Möbelstücken wie Eilleen Gray's Canapé. Dieser Ort war wirklich ein Kunstwerk für sich."

    Im Grand Palais wird jetzt dieses Kunstwerk in alle Winde zerstreut und damit die bedeutendste private Kunstsammlung Europas endgültig aufgelöst. Der Erlös, den Christie's bei dieser Jahrhundert-Auktion anvisiert, könnte sich auf weit über 300 Millionen Euro belaufen, mit denen Pierre Bergé dann vor allem eine Wissenschaftsstiftung und die Bekämpfung von Aids unterstützen will.