Archiv


Am Karriereende

Sie arbeitete fast 30 Jahre am Frankfurter Flughafen, er leitete das Institut für Arbeitswissenschaften an der TU Darmstadt -- jetzt gehen Ingrid Grill und Kurt Landau in Pension. Wie nehmen sie Abschied von Kollegen und Mitarbeitern? Was ist zu tun, um die Arbeit sinnvoll an den Nachfolger zu übergeben? Was verändert sich an einem wissenschaftlichen Institut, wenn der Chef geht, welche Ängste und Hoffnungen haben die Mitarbeiter? Wir stellen zwei Menschen vor, die am Übergang von der Karriere zum "Unruhestand" stehen:

Von Ludger Fittkau |
    Ingrid Grill:
    " Die Ruhephase beginnt im Juli, dann werde ich erst mal zu hause ein bisschen langsam machen und dann werden wir sehr viel Reisen, Fernreisen auf jeden Fall und auch mit dem Wohnmobil wollen wir viel Europa bereisen, Süd- und auch Nordeuropa und im Sommer werden wir in der Pfalz sein und es uns dort gut gehen lassen."

    Kurt Landau:
    " Das ist ein Einschnitt, ich werde das auch praktizieren, ich werde mit der Familie einen Ortswechsel vornehmen. Wir sind derzeit in einer Bauphase und ich werde mich hier aus dem Umfeld lösen. Wie gehen nach Österreich, wir haben uns in Österreich entsprechend eingekauft."

    Die langjährige Lufthansa-Mitarbeiterin Ingrid Grill und der Darmstädter Professor Kurt Landau haben eines gemeinsam - in wenigen Wochen beenden sie ihre berufliche Laufbahn. Der Unterschied: Während Ingrid Grill ihrem Arbeitsfeld am Frankfurter Flughafen endgültig den Rücken kehren und als "moderne Nomadin" mit dem Wohnmobil monatelang in Europa unterwegs sein wird, kann der Arbeitswissenschaftler Kurt Landau an der Uni Darmstadt nicht einfach die Tür hinter sich schließen. Er muss seinem Nachfolger auf dem Lehrstuhl ein 30-köpfiges Institut übergeben, das viel Auftragsforschung für die Industrie macht:

    " Der Übergang, der läuft jetzt schon. Es ist in der Tat richtig, dass ich den Nachfolger in alle Gremien einführe, dass ich ihm auch schon alle wichtigen Briefe und Mails zukommen lasse, so dass er wie beim Staffellauf gewissermaßen das Staffelholz am übernehmen ist, und das bedeutet auch, dass ich den Nachfolger bei unseren wichtigsten Kunden einführe. Da bin ich derzeit dabei."

    Für die Drittmittel-Projekte, die Kurt Landau bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft laufen hat, ist er ohnehin als Person über seine Pensionierung hinaus weiterhin verantwortlich. Deshalb wird er von einem Telearbeitsplatz an seinem neuen Wohnsitz in den Alpen aus weiterhin regelmäßig mit den Mitarbeitern seines Instituts kommunizieren und auch regelmäßig weiterhin nach Darmstadt kommen.

    Ingrid Grill hingegen wird ihre ehemaligen Kollegen bei der Lufthansa nur noch in der Freizeit treffen - wenn sie gerade mal nicht auf anderen Kontinenten unterwegs sind:

    " Wir sehen die Kollegen noch, ich habe eine Kollegin, die ist heute mit ihrem Mann nach Los Angeles geflogen, die ist seit einem Jahr in Altersteilzeit oder ist zuhause. Wir sehen uns privat immer noch, wir haben Kontakt miteinander und da glaube ich, das wird auch so bleiben."

    Die Mutter zweier Kinder schaffte es über viele Jahre, ihre leitende Tätigkeit beim Check-in der Lufthansa-Kunden am Frankfurter Flughafen mit der Familie zu verbinden. Die Möglichkeiten der Teilzeitarbeit bei der Fluggesellschaft waren ihr dabei ein Hilfe:

    " Natürlich, das weiß jeder, Mutter und Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, da müssen sie schon logistisch mordstätig sein, im Prinzip."

    "Mordstätig" - das sind zur Zeit auch drei andere Frauen: Bettina Abendroth, Ivonne Fereira und Muriel Didier, alle drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl des Darmstädter Professors Kurt Landau. Dass der Chef in Pension geht, bringt für den Mittelbau auch Zukunftsunsicherheit. Deshalb stellen die Arbeitswissenschaftlerinnen gerade jetzt viele Drittmittelanträge und entwickeln Forschungsideen für die Industrie:

    Abendroth:
    " Von den Firmen werden Aufträge vergeben, auch weil sie Professor Landau kennen, weil sie die Mitarbeiter kennen, auch weil sie wissen, wie hier die Qualität der Arbeit ist, da ist natürlich wichtig, das es dann auch so weiter läuft."

    Diedier:
    " Natürlich kann der neue Professor andere Interessen haben, aber normalerweise akquirieren wir auch die Aufträge, und wenn es so läuft, kann man wie früher weiterarbeiten, vielleicht noch besser und vielleicht lernen wir auch neue Dinge."

    Fereira:
    " Mein Vertrag läuft bis September. Wir haben allerdings die Zusage bekommen, dass so gut wie alle übernommen werden. Bei mir sieht es sehr gut aus, weil ich zwei Projekte habe, die noch sehr lange laufen, und es wäre äußerst schwierig, da jemanden anderes einzuarbeiten. Also da habe ich keine Ängste, muss ich sagen."

    Dass die Wissenschaftlerinnen trotz aller Unsicherheiten einigermaßen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, liegt auch daran, dass Kurt Landau sein akademisches Feld offenbar gut bestellt hat, bevor er jetzt in Pension geht. Ivonne Fereira:

    " Sehr gut fand ich, dass der Professor Landau uns schon sehr, sehr rechtzeitig Bescheid gesagt hat, ich glaube vor anderthalb Jahren hat er uns das schon signalisiert, dass man sich auch anders orientieren kann, wenn man möchte. Und dass eben geschaut wird, ob die Verträge übernommen werden."

    Für Ingrid Grill bei der Lufthansa stellt sich ein Thema nicht, das an den Hochschulen immer wieder für Zündstoff sorgt, wenn ein Professor in Pension geht. Die Frage nämlich, soll man dem verdienten Forscher ein so genanntes "Emeritus-Zimmer" zur Verfügung stellen und damit eine Art Bleiberecht bis zum Lebensende in der Gelehrtenrepublik geben. Für Kurt Landau ist die Sache klar:
    " Der Nachfolger muss sein eigenes freies Feld haben und nicht den Eindruck haben, der Alte schnüffelt hier immer noch rum, belegt mir auch noch ein Zimmer, nutzt Ressourcen des Instituts und ich kann mich nicht frei entfalten. Das wollte ich selbst nicht und das will ich ihm auch nicht zumuten."