Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Am Puls des Lichts

Physik. - In Stockholm wurden am Dienstag an der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften die diesjährigen Laureaten in der Disziplin Physik ausgerufen. Die beiden US-Amerikaner Roy J. Glauber und John L. Hall sowie der Deutsche Theodor W. Hänsch werden für ihre Beiträge zur Quantenoptik ausgezeichnet.

Von Ralf Krauter, Hellmuth Nordwig, Frank Grotelüschen | 04.10.2005
    Ich habe als kleiner Junge in Heidelberg ein kleines Labor im Keller gehabt, wo man so die üblichen Dinge gemacht hat wie Bomben und Stinkbomben zu bauen. Mein Vater hat mir dann einen Bunsenbrenner geschenkt, mit dem ich experimentieren durfte mit der Gasleitung in der Küche. Und natürlich gab es Experimente zur Flammenfärbung. Das waren so die ersten spektroskopischen Experimente. Und die Natur des Lichts, der Atome, die Licht aussenden - das hat mich eigentlich früh schon fasziniert.

    Und diese Faszination hat sich offenbar am Dienstag ausgezeichnet: Der deutsche Forscher Theodor W. Hänsch gilt seit vielen Jahren als Tausendsassa unter den Physikern. Für seine Arbeiten zur ultrapräzisen Frequenzmessung von Lichtwellen erhielt der 63jährige Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik jetzt den Nobelpreis für Physik gemeinsam mit den beiden US-Amerikanern Roy J. Glauber und John L. Hall. Den Löwenanteil der Auszeichnung - nämlich die Hälfte - erhält Roy J. Glauber von der Abteilung für Physik der Harvard Universität. Glauber ist mit 80 Jahren der älteste der drei Laureaten. Er erhielt die Nachricht aus Stockholm quasi noch in stockdunkler Nacht:

    Ich erhielt den Anruf erst vor wenigen Minuten. Es war mehr oder weniger mitten in der Nacht - es ist noch immer rabenschwarze Nacht. Ich muss Ihnen sagen, es war eine völlige Überraschung - es kam für mich ohne jede Vorwarnung oder Hinweis.

    Ralf Krauter: Herr Grotelüschen, Roy Glauber wird vom Nobelkomitee als Begründer der Quantenoptik gewürdigt. Was verbirgt sich dahinter?

    Frank Grotelüschen: "Er schließt eigentlich an dem an, was einmal Albert Einstein losgetreten hat. Wir schreiben ja auch gerade das Einstein-Jahr 2005. Vor genau hundert Jahren hatte Albert Einstein die Licht-Quanten-Hypothese aufgestellt. Sie besagt, dass man sich Licht nicht nur wie Wellen vorstellen kann, sondern unter bestimmten Umständen auch als Teilchen ansehen muss. Das brachte die ganze Quantenrevolution in Gang. Später hatte man dann eine Quantentheorie, die man aber selber noch nicht auf Lichtteilchen anwenden konnte. 1960 erfand man dann den Laser. Roy Glauber wollte das aber etwas genauer verstehen und hat eigentlich eine Theorie erst entworfen, die den Laser so richtig im Detail verständlich macht: sozusagen eine Quanten-Theorie für das Licht."

    Krauter: Das heißt also, die Quanten-Theorie für das Licht gab es im Prinzip bereits, aber Glauber hat das ausgebaut und für die Praxis tauglich gemacht?

    Grotelüschen: "Ja, erst mit seinen Erkenntnissen konnte man verstehen, was eigentlich das Licht einer normalen Glühbirne unterscheidet von dem Licht eines Lasers. Das hat später zu vielen Anwendungen geführt, erstens beim Bau besserer Laser, bei der Entwicklung neuer optischer Messverfahren. Und gerade in den letzten Jahren wurde das Thema hoch aktuell, weil man wirklich mittlerweile so extrem gute Werkzeuge und Laser hat, dass man auch mit einzelnen Lichtteilchen herum hantieren kann. Und gerade da wird die ganze Quantenoptik wirklich höchst relevant. Dabei geht es auch um anwendungsorientierte Fragen wie die so genannte Quantenkryptographie, also eine absolut abhörsichere Datenübermittlung. Das könnte wichtig werden etwa beim Einkauf im Internet, dass dabei keiner mehr die Kreditkartennummer entwenden kann. Da spielt etwa ein Effekt namens Quantenrauschen eine große Rolle. Das ist eben auch auf Roy Glauber zurückzuführen."

    Krauter: Sie sagten es, der Laser ist sozusagen die Wunderwaffe der modernen Physik. Was ist eigentlich das Besondere an einem Laser, und Roy Glauber hat ja eben diesen Unterschied zu einer gewöhnlichen Glühbirne in seiner Arbeit theoretisch untersucht.

    Grotelüschen: "Fangen wir mit der Glühbirne an: die strahlt Licht zu allen Seiten ab. Würde man genau hinschauen, könnte man sehen, dass das Licht sich zusammensetzt aus einzelnen Wellenzügen, die voneinander völlig unabhängig sind. Sie gehen in alle Richtungen weg, haben auch völlig unterschiedliche Farben. Und wenn man alle Farben des Regenbogenspektrums zusammensetzt, dann erhält man ja weißes Licht - eben wie bei einer Glühbirne. Beim Laserstrahl ist das ganz anders: da hat man einen gerichteten und gebündelten Strahl. Wenn man sich da die Wellenzüge ansieht, dann sind die alle miteinander synchronisiert. Wenn man so will, dann marschieren sie alle im Gleichschritt - das ist der große Unterschied. Das macht es erst möglich, das Licht zu bündeln und etwa auch Hologramme zu erstellen oder CDs zu beschreiben und abzulesen. Alle diese Techniken, die wir heute haben, die sind eigentlich auf diese Eigenschaft des Lasers zurückzuführen. Und das hat Roy Glauber erst so richtig verständlich gemacht."

    Seine Doktorprüfung in Physik legte Roy J. Glauber 1949 an der renommierten Harvard Universität ab. Nun ist Roy Glauber betagt. Als wir ihn anriefen, hatte der 80jährige gerade vom Nobelpreis erfahren und versucht, seine Kinder zu erreichen:

    "Ich habe schon probiert, meine Tochter in Boston anzurufen, aber es ist mitten in der Nacht, da hat sie wohl das Telefon ausgeschaltet. Dann wollte ich meinen Sohn und seine Familie in der Nähe von New York erreichen. Die ganze Familie wirkte zuerst gar nicht begeistert - schließlich hatte ich sie ja aus dem Schlaf gerissen. Aber diese Stimmung änderte sich schnell als sie die gute Nachricht hörten."

    Wie wird er diesen Tag verbringen, den größten seines Forscherlebens? Am Abend wird er wohl ein Restaurant aufsuchen und vorher bestimmt mit sehr vielen Menschen sprechen, sagt der freundliche ältere Herr.

    "Ich bezweifele, dass ich nun wieder zur Ruhe komme, um weiter schlafen zu können. Wahrscheinlich gehe ich früher oder später in mein Labor. Ich bin eigentlich ein Theoretiker, aber bisher bin ich nie so recht zum theoretisieren gekommen - und an diesem Tag wird es wohl auch nicht besser werden. Ob ein Traum in Erfüllung gegangen ist? Nun, ich träume nur ganz selten."

    Schon oft hat Roy Glauber das Max-Planck-Institut in Garching besucht. Das verbindet ihn mit dem zweiten amerikanischen Nobelpreisträger John Hall. Hall ist etwas jünger, nämlich 71 Jahre alt, wurde in Denver geboren und lebt heute in Boulder, Colorado. Wehmütig erinnert er sich an seine intensive Zusammenarbeit mit dem Deutschen Theodor Hänsch. Die war auf der einen Seite sehr kollegial, auf der anderen äußerst spannungsreich, aber immer fruchtbar.

    "Es gab einmal eine Zeit in den 90er Jahren, da hatten wir beide eine wunderbare Zusammenarbeit. Wir hatten viel Kontakt und diskutierten unsere Forschungsergebnisse. Aber der Wettbewerb wurde immer schlimmer. Und schließlich wetteiferten wir sehr stark, um unsere eigenen Ergebnisse in den wichtigen Fachjournalen zu publizieren. Damals schafften wir die Arbeit von einer Dekade in sechs Monaten."

    Auch heute hat John Hall viel zu tun, nämlich die ganzen Gratulationen entgegen zu nehmen. Wenn ihm am Ende des Tages noch Zeit bleibt, wird er sein Lieblingsrestaurant aufsuchen - wie gestern abend auch - nur eben als frisch gebackener Nobelpreisträger.